
Was zarte Apfelblütenknospen in Südtirol vor Frost schützt, soll auch im Spessart mit zarten Christbaumtrieben funktionieren: Beregnungsanlagen, die bei Frost einen gefrierenden Wasserfilm um die Zweige legen. Der Eispanzer schützt vor dem Absterben – und vor Riesenverlusten. Doch im Gegensatz zu den Plantagen mit Apfelbäumen im Tal wachsen die Nadelbäume am Berg. Um es dort bei Bedarf regnen zu lassen, hat Mittelsinn einen kleinen Bergsee bekommen.
Spätfröste sind bei Christbaumbauern so gefürchtet wie bei den Obst- und Weinbauern. Jedoch haben die Tannenproduzenten ein Manko, denn zurzeit deckt keine Versicherung das Frostrisiko ab. Der Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger in Deutschland steht darüber in Verhandlungen mit der Versicherungsbranche, weiß Vorstandsmitglied Uwe Klug. Bis zu einem Ergebnis mochte der Mittelsinner nicht warten – eine einzige Frostnacht im späten Frühjahr kann die Jahresernte vernichten und existenzgefährdend sein.
Uwe Klug zur Investition
in den Pufferspeicher
Daher füllt sich seit zwei Wochen der sogenannte Pufferspeicherteich auf einer Bergkuppe im Mittelsinner Gebiet „Winterleite“ stetig. Unablässig drückt eine Pumpe von einer Zisterne in der „Weibertsklinge“ an der Verbindungsstraße nach Aura aus Wasser von 227 Metern auf 389 Meter Höhe. 1,4 Kilometer führt das starke PVC-Rohr bergan bis zum Speicherbecken. Eine zweite Pumpe wiederum speist die Zisterne mit dem Grundwasser aus einem fast 100 Meter tiefen Brunnen. Fünf Kubikmeter je Stunde (1,4 Liter je Sekunde) schüttet der Brunnen. Zum Vergleich: Die zwei Tiefbrunnen der Mittelsinner Trinkwasserversorgung in der Abteilung „Gressel“ leisten jeweils sechs Liter je Sekunde, berichtet Wasserwart Karl Krämer.
Bis das 4000 Quadratmeter große und bis zu fünf Meter tiefe Speicherbecken mit seinen etwa 10 000 Kubikmeter Fassungsvermögen gefüllt ist, vergehen demnach rund drei Monate. Sollte es in der Zeit des Austriebs Nachtfrost geben, hofft Uwe Klug bereits gewappnet zu sein. Deswegen dankt der 42-Jährige allen beteiligten Behörden für das schnelle Genehmigungsverfahren. Zurzeit überzieht er 20 Hektar, die besonders frostgefährdet sind, mit einem System von Wasserrohren und Impulsregnern: 30 Kilometer PVC-Leitungen und mindestens 500 Regner, alle mit Kugelhähnen steuerbar und wegen rund 50 Höhenmeter mit Druckminderer versehen.
Über die Kosten schweigt Klug sich aus, sie liegen im sechsstelligen Euro-Bereich. Rechnet sich der ganze Aufwand? Selbstverständlich, sagt der Mittelsinner Unternehmer. Könne er nur einen Frostschaden an seinen erntereifen Bäumen verhindern, wäre die Investition bereits refinanziert. Die Frostberegnung sei sozusagen ein Versicherungsschutz und könne auch bei extremer Trockenheit von Nutzen sein: „Das ist eine Aufwertung des Betriebs und Zukunftssicherung.“ Seinem Beispiel folgen aktuell vier Kollegen im Verband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger, zwei davon in Bayern.
Uwe Klug besitzt jetzt einen 80 mal 50 Meter großen Teich auf einem Berg – zum Vergleich: Das Schwimmerbecken im Burgsinner Freibad misst 50 mal 15 Meter. Außer für den Frostschutz und eventuell zur Bewässerung dient der Speicher auch als Löschwasserteich, falls ein Waldbrand ausbrechen sollte. Die Anlage ist komplett rückbaubar, obwohl das keine Auflage der Behörden war. Der 2,40 Meter tiefe Aushub wurde rings um das Becken zu einem 2,50 Meter breiten Wall aufgeschüttet. Ein Flachwasserstreifen bildet eine sogenannte Biozone zum Beispiel für Vögel. Das Becken ist komplett mit einem Schutzvlies und darauf einer dicken Teichfolie ausgekleidet. Darüber liegt noch ein Wallschutzgitter, dank dessen ins Wasser gefallene Kleinlebewesen wieder herauskrabbeln können.
Bis jetzt verläuft das spektakuläre Projekt zur Zufriedenheit des Bauherrn. Die Brunnenbohrung nach Angabe des Geologen Bernd Textor (Siegen) war auf Anhieb erfolgreich. Die Installation übernahm zum Teil die Firma Beregnungstechnik Körner (Bassum, Niedersachsen), die Leitungsverlegung die Firma Muthig in Jossgrund-Oberndorf und die Erdarbeiten die Mittelsinner Baufirma Engelhaupt. Und der Bitte, beim Auslegen der Teichfolie zu helfen, waren am 21. Februar rund 70 Mittelsinner gefolgt. Von dieser Hilfsbereitschaft war Klug überrascht, gehofft und gerechnet hatte er mit 40 Helfern. Familie Klug will im Juli ein Fest am Speicherbecken mit Möglichkeit zur Besichtigung ausrichten.



Dann gebe es sogar noch den grünen Daumen, oder?