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Karlstadt
Mitfahr-Bänke und Karschter Büssle: Wie steht es um die Mitfahrgelegenheiten in Karlstadt und Umgebung?
Weniger auf das Auto angewiesen zu sein, so lautet das Ziel. Gerade ältere Bürgerinnen und Bürger sollen profitieren. Doch die Mitfahrbänke fallen im Praxistest durch, das Büssle ist nicht ausgelastet.
Die Nutzung der Mitfahrerbänke hinkt wohl auch sieben Jahre nach Errichtung. Jona Gerhard wartete eine Stunde vergeblich auf anhaltende Autos.
Foto: Frieda Wecklein | Die Nutzung der Mitfahrerbänke hinkt wohl auch sieben Jahre nach Errichtung. Jona Gerhard wartete eine Stunde vergeblich auf anhaltende Autos.
Frieda Wecklein
 |  aktualisiert: 23.04.2025 16:59 Uhr

Innerhalb einer Stunde per Anhalter vom Karlstadter Bahnhof nach Karlburg und wieder zurückkommen, vor diese Aufgabe wurde Jona Gerhard von der Redaktion gestellt. Eine Herausforderung, die er als Testperson für diesen Artikel angenommen hat. Knapp sieben Kilometer sind das insgesamt. Also sitzt der 20-jährige Karlburger an einem Freitag um 10.17 Uhr in der prallen Frühlingssonne auf der Mitfahrerbank vor dem Bahnhof und wartet.

Die Schilder mit den Namen der umliegenden Ortschaften hängen wie Blätter an einem Spiralblock über der Bank. Eines mit der Aufschrift Karlburg gibt es nicht, also entscheidet er sich für das Rohrbachschild, das liegt wenigstens in der richtigen Richtung. Vermutlich wurde das Schild geklaut, mutmaßen Gerhard und SPD-Stadtrat Harald Schneider. Mehr als sieben Jahre ist es mittlerweile her, dass auf Antrag der SPD-Fraktion im Karlstadter Stadtrat die ersten Mitfahrerbänke errichtet wurden. Insgesamt 14 Stück stehen inzwischen auf dem Gemeindegebiet. 4000 Euro wurden damals investiert, mit der großen Hoffnung, den Menschen aus den Stadtteilen ihre Abhängigkeit vom Auto zu nehmen. Funktioniert das? Vonseiten der Stadt Karlstadt gibt es keine Aussagen zum Erfolg des Mitfahrprojekts, es werden keine Daten zur Frequentierung erhoben.

Vertraut man auf die Einschätzung von Pendlern und Anwohnern im Raum Karlstadt, sehen diese nur selten einen Stopp für Fahrgemeinschaften in Benutzung. Woran kann das liegen? Harald Schneider hatte 2017 mit Kolleginnen und Kollegen der Karlstadter SPD die Mitfahrerbänkchen ins Leben gerufen. "Ein stimmiges Konzept, wenns doch nur genutzt werden würde", gibt er heute allerdings zu. Das größte Hemmnis ist seiner Ansicht nach die eigene Mobilität. Denn ganz aufs Auto wollten nur die wenigsten Bewohner ländlicher Regionen verzichten, und das Deutschlandticket schafft Einzelfahrtpreise immer weiter ab.

Zwischenfazit: "Ich hätte auch nach Karlburg laufen können."

Nach rund 40 Minuten auf der Holzbank vor dem Bahnhof hat noch immer niemand angehalten. Jona Gerhards Zwischenfazit: "Inzwischen hätte ich auch nach Karlburg laufen können." Dabei ist der Verkehr rege, die Fahrerinnen und Fahrer nehmen ihn durchaus wahr. "Einige wirkten überrascht, aber nicht so, als würden sie gerade ernsthaft über eine Fahrgemeinschaft nachdenken. Andere schauten bewusst weg."

Nach 60 Minuten und zwei verpassten Linienbussen in Richtung Karlburg, die ein paar Meter links von ihm an der Bushaltestelle hielten, ist das Ergebnis für den 20-Jährigen ernüchternd: Niemand wollte ihn mitnehmen. Das Experiment ist selbstverständlich nicht repräsentativ. So könnte das Geschlecht der Testperson, die Uhrzeit oder angegebene Ortschaft Einfluss gehabt haben. Dennoch zeigt es: Breit etabliert hat sich die Idee der Mitfahrerbänke in Karlstadt wohl noch nicht.

Das Schild mit der Aufschrift 'Karlburg' suchte Jona Gerhard vergeblich.
Foto: Frieda Wecklein | Das Schild mit der Aufschrift "Karlburg" suchte Jona Gerhard vergeblich.

Mit dem Karschter Büssle gibt es seit nun einem Jahr ein weiteres Konzept im Raum Karstadt, das Mobilität abseits des Autos stärken will. Schwerpunkt hierbei: Bewegungseingeschränkte und ältere Menschen. Der Bürgerbus ist eine Mischung aus Linienvan und Ruftaxi, er fährt sowohl nach ausgeschriebenem Fahrplan als auch in vier festen Zeiträumen pro Tag nach Wunsch.

"Mit 45 Haltestellen haben wir ein ziemlich dichtes Netz und bringen unsere Fahrgäste auch direkt vor die Haustüre", erklärt Harald Schneider die Vorteile. Schneider ist nicht nur einer der Initiatoren der Mitfahrerbänke, sondern auch Vorsitzender des Vereins Bürgerbus Karlstadt. Als Mitglied des Verkehrsausschusses im Kreistag befürwortet er die anstehende Ausdünnung des Linienfahrplans im ÖPNV, er setzt auf bedarfsorientierten Verkehr auf Abruf. Also unter anderem auf Bürgerbusse.

Familienbesuche, Arzttermine und der Wunsch nach einem Freibad-Fahrplan

Mit knapp 2000 Fahrgästen im ersten Jahr beschreibt der Bürgerbusverein seine Bilanz selbst als gemischt. Abzüglich der Förderung des Freistaats Bayern über 80.000 Euro sind für das Karschter Büssle bei der Stadt Karlstadt bisher Kosten in Höhe von 22.500 Euro entstanden. Ein Großteil davon verteilt sich auf die Herstellung der Infrastruktur mit Beschilderung sowie Werbematerialien. Laufende Kosten wie Diesel und Versicherung summierten sich im ersten Jahr auf knapp 8000 Euro, der Umsatz durch Fahrgasteinnahmen (Spendenvorschlag zwei Euro pro Fahrt) liegt laut Schneider bei ebenfalls 8000 Euro. Bis Ende März 2026 gilt vorerst die Vereinbarung zur Anschubfinanzierung mit der Stadt Karlstadt.

Hinter den Zahlen und der Frage nach Wirtschaftlichkeit des Karschter Büssle gehen seine Fahrgäste und ihre Geschichten etwas unter: Uli Knoll ist 72 Jahre alt und hat den Bürgerbus bislang genau 50-mal genutzt, er habe mitgezählt. "Mit meinem kaputten Knie bin ich darauf angewiesen", erzählt er. Denn Auto und Fahrrad fallen für den Rentner weg. Er nutzt hauptsächlich die Stadtlinie 6, um bei Lidl einkaufen zu können oder zum Orthopäden zu gelangen. "Ich lasse mir meine Termine passend legen, das klappt gut." In den kommenden Monaten wolle er auch häufiger in die Linie 4 nach Gambach einsteigen, um seine Tochter zu besuchen.

Bis ins hohe Alter fahren viele Karlstadter noch Auto, das sei eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer, meint Harald Schneider. Das Karschter Büssle will dazu eine Alternative schaffen.
Foto: Frieda Wecklein | Bis ins hohe Alter fahren viele Karlstadter noch Auto, das sei eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer, meint Harald Schneider. Das Karschter Büssle will dazu eine Alternative schaffen.

Sein Wunsch ist ein Sommerfahrplan: Vormittags eine Linie zum Freibad, nachmittags eine zurück. "Schwimmen hilft meinen Gelenken, nur das Laufen zum Freibad ist beschwerlich". Er kenne weitere Senioren, die da ebenfalls dankbar mitfahren würden.

Rolf Buhr ist pensionierter Allgemeinmediziner und Karschter Büsslefahrer der ersten Stunde. In einem Friseursalon habe er die Anzeige gesehen: Fahrer gesucht! Er ist einer von aktuell 19 Männern und Frauen, die zwei- bis dreimal im Monat den Bürgerbus für einen halben Tag quer durch Karlstadt und Ortsteile fahren. Sein Ehrenamt habe er noch keinen Tag bereut, er schätzt die Gespräche. "Bei uns sind Unterhaltungen zwischen Fahrer und Gästen erwünscht." Ein Gegenpol zur Anonymität in öffentlichen Verkehrsmitteln. Seine Stammgäste und deren Fahrtziele kennt er mittlerweile: Ein Mann, der regelmäßig seine Frau im Altenheim besucht, eine Stettenerin, die zur Krankengymnastik mitfährt, oder eine "lustige Mannschaft" dreier Damen. Leerfahrten finde er betrüblich, er wolle nun mit den anderen Fahrern noch mehr Reklame machen. Und weiterfahren.

 
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  • christa kratz
    Im sinngrund gibt es seid zirka 7 Jahren den " blauen Fahrstuhl " ..Ich habe dort in all den Jahren noch nie jemanden sitzen gesehen.
    Unsere Gemeinde hat damals den " Spaß" nicht mitgemacht..sich mit Recht daß Geld gespart..
    Begründung damals: Steht jemand an der Bushaltestelle und ich kenne selbigen wird er von den meisten Bewohnern gefragt wo er hin will und dann selbstverständlich mitgenommen wen man in die gleiche Richtung fährt. Mag ich denjenigen nicht oder ist es gar ein Fremder lasse ich selbigen stehen bzw. im Fahrstuhlfall natürlich sitzen.

    Genauso wird es auch in Karlstadt sein..Ich sehe auch dort kaum jemanden sitzen und wen wirklich mal dort jemand sitzt so erweckt derjenige / diejenigen nicht unbedingt mein Vertrauen und ich fahre weiter..

    Schade ist dass das Büssle nicht den Zuspruch erfährt der erwartet wurde ..obwohl ich immer mal wieder Kunden habe die sich um mangelnde Fahrgelegenheit in die Siedlung beschweren.
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