
Mit flinken Fingern kürzt Ramona Schemm den Stiel einer roten Rose. Dann fügt sie die Blume geschickt dem Gesteck hinzu, an dem sie gerade arbeitet. In weiß, rot und lila gehalten soll es am Karfreitag die Station "Die Verspottung" zieren, für die traditionell die Textilberufe zuständig sind. Schemm hat unter anderem Bartnelken, Hirtentäschel und Blutnelken dafür bereitgelegt. Locker und luftig soll der Blumenschmuck am Ende wirken.
Ihre Kollegin Dunja Keil arbeitet unterdessen an einem Gesteck in Rottönen. Als Schwerpunkt haben die Floristinnen rote Gerbera gewählt. "Die Blüte hat Fernwirkung", erklärt Schemm diese Entscheidung. "Die Blumen liegen auf dem Podest und sind aus der Ferne schwer zu sehen. Wertvoll, aber klein und fein bringt da nichts."
Blumen müssen zur Figur passen

Genaue Vorgaben, wie die Gestecke auszusehen haben, gebe es zur Karfreitagsprozession im Allgemeinen nicht, erzählen die beiden Frauen. "Der Stil ist unsere Handschrift", sagt Schemm. Wichtig sei allerdings, das Gesteck der Figur anzupassen. "Die Blume ist Wertschätzung, soll aber nicht in den Vordergrund treten." Für ihr Gesteck zur Kleiderberaubung bedeutet das eine Maximalgröße von 55 mal 55 Zentimetern.
Auch in der Blumenhalle Hutzel werden am Gründonnerstag eifrig Blumen für das Lohrer Großereignis am nächsten Tag vorbereitet. Während im Laden vorösterlicher Hochbetrieb ist, konzentriert Marlon Kayser sich auf die Prozessionsgestecke. Eines seiner Werke wird die Station der Geißelung zieren, für die die Schuster zuständig sind. "Ich habe dieses Jahr Trockenelemente eingeplant", erklärt der Florist. Für das Gesteck der Schuster hat er sich Kokospalmenrinde bereitgelegt. "Die Palme ist eine christliche Symbolik", erläutert er. Die braune Farbe wiederum schaffe eine Verbindung zu den Schustern.
Joachim Hutzel führt 175-jährige Familientradition fort

In der Blumenhalle Hutzel wird in diesem Jahr auch der Blumenschmuck für den Kreuzschlepper vorbereitet, die Figur der Gärtnerinnung. Da hat Kaysers Chef Joachim Hutzel selbst ein Auge auf die Blumenauswahl. Seit über 30 Jahren zählt Joachim Hutzel zu den Trägern des Kreuzschleppers – und führt damit eine 175-jährige Familientradition fort.
Ebenfalls zur Familie Hutzel zählt Katja Lorenz, die als Obfrau der Gärtner ein Auge darauf hat, dass der Kreuzschlepper angemessen geschmückt ist – und die anderen Stationen auch. Am Karfreitagfrüh ab 8 Uhr legen die Obleute der Stationen in der Kapuzinerkirche, wo die Stationen unter dem Jahr ausgestellt sind, letzte Hand an: Saubermachen, teils mit Kleidern ausstaffieren und Efeu zur Zierde anbringen.
Die Gärtner bringen die Gestecke und sorgen dafür, dass sie stabil befestigt sind. Wenn die Figuren während des Umzugs ein wenig schaukeln, dürfen die Blumen keinesfalls den Trägern auf den Kopf fallen. Das ist gar nicht so einfach. Denn da die Figuren denkmalgeschützt sind, kann man nicht einfach einen Haken hineindrehen.
Blumenschmuck wichtig für Gesamteindruck

"Die Tragegestelle der Figuren sind ziemlich kahl und trist", erklärt Katja Lorenz. Zwar würden sie auf Kopfhöhe getragen und seien deshalb nicht so sichtbar. Trotzdem seien Blumenschmuck und Efeu für den Gesamteindruck wichtig.
Auch früher wurde der Blumenschmuck bei der Prozession geschätzt – wenn auch zeitweise in anderer Form. Bilder aus der Sammlung Schäfer, die vor rund 100 Jahren entstanden sind, zeigen die Podeste mit bemalten Einfassungen und Blumen. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.
Zur Symbolik der Karfreitagsprozession passen echte Blumen sowieso besser – auch wenn der Aufwand möglicherweise größer ist. Die frischen Frühlingsblumen bringen Farbe und Lebendigkeit auf die jahrhundertealten Figuren. Gleichzeitig unterstützen sie ihre Aussage. "Das Leben ist vergänglich, die Blüte auch", betont Floristin Ramona Schemm. "Sie ist nicht in Stein gemeißelt. Vergänglichkeit hat auch ihren Reiz."