Düster und furchteinflößend – teilweise skurril. Die Vorstellung des Buches „Sichelmond“ von Stefan Gemmel im Rahmen von LesART in den Burglichtspielen in Mühlbach war nach der Auftaktveranstaltung mit Wladimir Kaminer ein weiterer Höhepunkt.
Der Auftritt des Autors Stefan Gemmel, der in Morbach geboren ist und besondere Erfolge mit seiner „Schattengreifer-Trilogie“ feierte, stieß zwar beim Publikum auf geteilte Resonanz, was aber weniger an der Lesung selbst als am Buchgenre gelegen hat, das einem überwiegenden Teil der anwesenden Oberstufenschülern des Gymnasium eher weniger zusagte. Der lockere Umgang mit dem Publikum und Stefan Gemmels humorvoller Charakter waren ausschlaggebend dafür, dass trotz der Thematik seines Romans ihm die Zuhörer interessiert folgten.
Leidenschaft für Literatur
Gegenüber dieser Redaktion erzählte Gemmel: „Theatererfahrung in Bezug auf meine Ausstrahlung auf der Bühne habe ich nicht. Vielmehr leben meine Lesungen von der Leidenschaft, die ich in Literatur investiere.
“ Geschickt wechselte der Autor zwischen vorzulesenden und erzählenden Passagen und baute dabei immer wieder kurzweilige Anekdoten und Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte des Buches in seine Lesung ein. Lebhaft und energiegeladen las er Zeile für Zeile. Sein Spiel mit der Stimme erzeugte dabei eine dem Roman entsprechende Atmosphäre im Kinosaal.
Geheimnisumwittert
Stimmungsvoll wird in „Sichelmond“ der Protagonist Rouven in Szene gesetzt. Dieser steht vor dem Mysterium, wiederholt in fremden und völlig verwüsteten Wohnungen aufzuwachen und dort geheimnisvolle Symbole an der Tür zu finden. Gemeinsam mit Tabitha, einer Freundin, die er im Buch erst kennenlernt, versucht er das Geheimnis dahinter zu ergründen und kommt einem teuflischen Plan auf die Spur. Ihm bleibt nicht viel Zeit, um seinen Erzfeind Jachael zu stoppen, der es anstrebt, die Welt im Chaos versinken zu lassen.
Die von Stefan Gemmel vorgetragenen Passagen überzeugten dabei mit einer verständlichen und bildhaften Sprache und einem schnell voranschreitenden Plot, im Zuge dessen immer neue Frage aufgeworfen werden. Erst am Ende des Buches erkennt der Leser das komplexe Geflecht aus Verschwörung und teuflischen Plänen. Dabei merkt man dem 400-seitigen Buch auf den ersten Eindruck nicht an, dass Gemmel dieses unter hohem Zeitdruck innerhalb von nur vier Wochen geschrieben hat. „Teilweise fesselte mich die Geschichte derart, dass ich bis zu 17 Stunden am Schreibtisch saß“, erklärt Gemmel.
An Stellen, an denen er normalerweise ausführlich Charaktere entwirft, sich das Umfeld der Geschichte überlegt und detailliert recherchiert, war der Weg bei „Sichelmond“ direkt vom Kopf in die Tasten. Amüsiert lauschten die Zuhörer seinen Erzählungen vom Chaos, dass das Autorenleben und Verlagswesen mit sich bringt. Bestürzte Gesichter verursachte seine Aussage, dass ihm von den Einnahmen seiner Bücher gerade einmal zehn Prozent zugestanden werden. So blieben beispielsweise bei Sichelmond 40 Cent pro Buch für ihn übrig.
Karriere nicht vorgezeichnet
Dabei war seine Karriere als Schriftsteller keineswegs in Stein gemeißelt. In seiner Familie sei das Lesen stets zu kurz gekommen. Stattdessen stand er mit drei Jahren auf Skiern und feierte Erfolge als Schwimmer. Erst über eine engagierte Deutschlehrerin und seine Tätigkeit in der Schülerzeitung und einer lokalen Tageszeitung erkannte er sein Schreibtalent. Mittlerweile befinden sich 38 Bücher von ihm im Bereich Bilder- und Kinderbücher und Jugendliteratur, übersetzt in 21 Sprachen, auf dem Markt. „Eines davon wurde aber genau zweimal verkauft“, fügt er grinsend hinzu.
Sein Anspruch bei Lesungen sei nicht nur die reine Vorstellung seiner Werke. Im Gegenteil: Er versuche immer aufzuzeigen, wie Literatur funktioniert und entsteht. Auf Nachfrage entgegnete er der Aussage, dass Kinder und Jugendliche der Literatur immer weiter überdrüssig werden: „Meinem Empfinden nach ist das Lesen immer noch ein Thema unter Jugendlichen. Heute müsse man es aber schaffen, Universen und Geschichten medienübergreifend zu verknüpfen – sei es über Hörspiele, Filme oder Videospiele.“
Mediale Aufmerksamkeit erreichte der Autor Stefan Gemmel neben der Veröffentlichung seiner Bücher auch über sein Engagement in der Jugendförderung, für das er das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen hat. Daneben erzielte er einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. So stellte er 2012 die größte Lesung der Welt vor 5000 Zuhörern, die alle aktiv eingebunden wurden und so Teil des Weltrekords waren, auf die Beine.