
Mit dem Dreiklang aus Klaviermusik, Gesang und Kabarett zog die Pianistin Anne Folger die Besucherinnen und Besucher im ausverkauften Saal des Historischen Rathauses Karlstadt in ihren Bann. Für das Neujahrskonzert hatte die Künstlerin Teile aus ihren Bühnenprogrammen neu zusammengestellt.
In dem Lied "Klamotten" beklagte Folger den einfallslosen Bekleidungsstil ihres Partners im Jeans und Sweatshirt-Look. Frei erzählte die in Weimar geborene Folger auch über ihre Herkunft aus der DDR. Pointiert trug sie Geschichten über ihre Kindheit in Ostdeutschland vor. Als im Alter von zwölf Jahren der Eiserne Vorhang fiel, waren ihr die Welthits von Milli Vanili und Modern Talking entgangen.
"Der Struwwelpeter" und der "Fliegende Robert"
Klavier spielen kann Anne Folger. Sie hat ihr Konzertexamen in der Tasche und ist Preisträgerin internationaler Klavierwettbewerbe. "Paint it Black" von den Rolling Stones klang in ihrer Interpretation nach Schostakowitsch und Brahms. Der Beatles-Song "Here comes the Sun" zeigte Anklänge von Bach. Hier müsse jemand vom Anderen abgeschrieben haben, so die Pianistin. Im Samba-Rhythmus intonierte sie eine Rosamunde-Pilcher-Filmmusik über eine Politikerin und einen Konzernchef. Den Mangel an weiblichen Komponisten begegnete sie mit ihrer Eigenkomposition "Der Läufer".
In dem Song zur Deutschen Bahn "ICE" von Christiane Weber imitierte Folger neben den Bahndurchsagen über Verspätungen das skurrile Sprachgewirr der an ihren Handys daddelnden Fahrgästen. Mit Frederik Chopin verbinde sie eine Seelenverwandtschaft. In seiner Étude Op. 22 No. 2 habe der Komponist eigens für sie Platz gelassen, den Folger mit dem Lied "Lauf, Mädchen lauf" mit rasanten Klavierläufen ausfüllte. In einem Neben-Business versuche sie sich unter dem Namen Doremi (Tonleiter italienisch!) als Influencerin in musikalischer Schönheitsberatung. Beim Intervallfasten seien die Terz, Quarte und Quinte rein, der Tritonus verursache dagegen Kopfschmerzen.
Aus dem Kinderbuch der schwarzen Pädagogik "Der Struwwelpeter" von Heinrich Hoffmann interpretierte Folger die Geschichte vom "Fliegenden Robert", indem sie den Text zu Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" sang. "Bretonische Brandung" sei der neue Titel eines ursprünglich als Toilettenstück konzipierten Werkes, als Konzerte ohne Pause gegeben wurden; hierbei verpasste man beim Austreten keine Pointe. Die abwechslungsreiche Mischung aus Kabarett, Geschichten, Songs und grandiosen Eigenkompositionen begeisterten die Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher.