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KARLSTADT
Mit Franz Stockleb ist ein Stück Karlstadt gegangen
Traditionskaufhaus Stockleb in Karlstadt       -  Franz Stockleb ist tot. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2014. Solange es möglich war, kümmerte er sich um sein Turmkaufhaus.
Foto: Daniel Peter | Franz Stockleb ist tot. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2014. Solange es möglich war, kümmerte er sich um sein Turmkaufhaus.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:23 Uhr

Franz Stockleb wusste schon immer genau, was er will – so auch, dass seine Beerdigung im allerengsten Familienkreis stattfinden soll. Am Dienstag ist sein Wille nun in Erfüllung gegangen: Er wurde in aller Stille im Karlstadter Stadtfriedhof beerdigt. Aus Achtung vor seinem Willen erscheint dieser Nachruf erst am Tag danach. Gestorben war er schon am 18. November im Alter von 84 Jahren.

Er machte gerne seinen Einfluss geltend, wollte dabei aber nicht im Rampenlicht stehen – so sollten auch sein Tod und seine Beerdigung kein großes Aufsehen erregen. Und es dauerte tatsächlich eine Weile, bis sich im kleinen Karlstadt herumsprach, dass Franz Stockleb tot ist. Sein Turmkaufhaus neben dem Katzenturm ist weiterhin offen, als wäre nichts geschehen.

Die Verkäuferinnen sind es inzwischen gewohnt, ohne ihren Chef zu arbeiten. Solange es ging, hatte sich der Vollblut-Geschäftsmann um alles gekümmert, dabei aber nach und nach immer mehr Aufgaben abgegeben. Gleichzeitig erlangte das Geschäft bei vielen so etwas die Kultstatus. Dem Bayerischen Fernsehen war es sogar einen eigenen Beitrag wert.

Stocklebs Heimat war das böhmische Rumburg in der Nähe von Dresden. Der Vater hatte dort drei Textilgeschäfte. 1946 wurde die Familie vertrieben. Die Eltern kamen mit den Brüdern Anton (Jahrgang 1928) und ihm, dem 14-jährigen Franz, mit einem der ersten Transporte in den Westen.

1960 Turmkaufhaus gegründet

Der Vater eröffnete 1947 in der oberen Karlstadter Hauptstraße ein Textilgeschäft – heute Schuhhaus Gaul. Die beiden Söhne Anton und Franz lernten Einzelhandelskaufmann und kauften 1960 das ehemalige sogenannte Spital am Katzenturm, in dem bis Mitte der 1950er Jahre Alte und Kranke gelebt hatten.

Mit der Überbauung des Hofes entstand ein für damalige Karlstadter Verhältnisse äußerst modernes Kaufhaus, sogar mit Passage. Eröffnung war 1961. Das Sortiment war enorm breit gefächert. 30 Angestellte fanden hier Arbeit. Um Waren zu günstigen Konditionen einkaufen zu können, schlossen sich die Stocklebs gleich 1961 dem Kaufring in Düsseldorf an. Bald waren in Karlstadt türkisblaue Plastiktüten mit der Aufschrift „Kaufring“ zu sehen. 2002 meldete Kaufring Insolvenz an. Seither ist das Turmkaufhaus beim Einkauf ganz auf sich selbst gestellt und ordert die Ware bei einer Vielzahl von Lieferanten.

Franz Stockleb sagte einmal: „Wir waren in Karlstadt nicht beliebt, weil wir nun all das unter einem Dach hatten, was es bis dahin in x kleinen Läden gab.“ Er schloss sich nicht der Werbegemeinschaft an, sondern zog es vor, die Geschicke seines Geschäfts alleine zu lenken.

Bekannt war er für strenge Sparsamkeit und auch einen Gutteil Eigenwilligkeit. So hat das Turmkaufhaus bis heute die alten Registrierkassen zum Kurbeln. Warum sollte er sie auch gegen modernere austauschen. Franz Stockleb kommentierte kurz und knapp: „Die Kassen sind gut.“ Und sollte doch einmal eine kaputtgehen, so gibt es noch welche im Lager. Auch seinen Sechs-Volt-VW-Käfer fuhr der passionierte Jäger, solange dies möglich war. Seit 1965 war er Mitglied des Jagdschutz- und Jägerverbands.

Parallel zu seiner Geschäftstüchtigkeit bewies Franz Stockleb stets auch Humor. Gelegentlich saß ihm auch ein wenig der Schalk im Nacken. Als beispielsweise zwei Kunden Faschingsnasen kauften und ihn fragten, welche ihnen besser stehen, antwortete er: „Bei dem Preis ist keine Beratung inbegriffen.“

Geschäftsmann mit Haut und Haar

Im Laufe der Jahre wurde das Sortiment des Turmkaufhauses ausgedünnt und damit überschaubarer. Doch Franz Stockleb ließ sich bis zuletzt – wenn es seine Kräfte zuließen – mit dem Rollstuhl in das Turmkaufhaus schieben, sah nach dem Rechten und verschaffte sich einen Überblick über die Umsätze. Nicht mehr das Büro hinten neben der Haushaltswarenabteilung war dann sein Platz, sondern das Zentrum des Kaufhauses, wo ihm seine Verkäuferinnen den Kaffee hinstellten.

Mit Franz Stockleb ist nun ein Stück Karlstadt gegangen.

 
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    Ich dachte erst, das wäre Loriot auf dem Foto... dann hol ich jetzt mein Schoppenglas mit dem 1/4l-Eichstrich (Gekauft im Turmkaufhaus) und trink einen auf den Stockleb!
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