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Lohr
Mit der Drohne auf Borkenkäferjagd
Drohne im Landeanflug: Mit der Kamera des Fluggeräts suchen städtische Förster aus luftiger Höhe nach braunen Baumkronen vor allem von Fichten. Denn diese verraten die Anwesenheit des Borkenkäfers, der derzeit massiv im Stadtwald frisst.
Foto: Johannes Ungemach | Drohne im Landeanflug: Mit der Kamera des Fluggeräts suchen städtische Förster aus luftiger Höhe nach braunen Baumkronen vor allem von Fichten.
Bearbeitet von Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 27.07.2023 04:05 Uhr

Einer der wichtigsten Helfer, die der Lohrer Stadtwald momentan hat, wiegt nur rund 900 Gramm. Es ist eine Drohne, also ein ferngesteuertes Fluggerät mit vier Rotoren. Mit ihm fliegen die städtischen Förster Stefan Gruber und André Lamontain seit Wochen systematisch den Stadtwald ab – auf der Suche nach Borkenkäfern.

Natürlich kann die Drohne mit ihrer Kamera aus luftiger Höhe die nur wenige Millimeter großen Käfer nicht erspähen, wohl aber die braunen Baumkronen der von ihnen befallenen Fichten. Ohne den Einsatz der Drohne würden die Forstleute derzeit kaum hinterherkommen beim Suchen und Fällen abgestorbener Bäume. Die Borkenkäfer fressen sich heuer massenhaft durch Fichten und Lärchen. Als Hauptgrund dafür, dass sie sich so üppig vermehren können, gilt der Klimawandel. Trockenheit und Hitze machen fast allen Baumarten zu schaffen, insbesondere aber den Fichten. Geschwächte Bäume sind besonders anfällig für die Käfer.

Die Folgen führte Michael Neuner, Leiter der städtischen Forstverwaltung, am Mittwochnachmittag bei der traditionell einmal im Jahr stattfindenden Waldfahrt des Stadtrats vor Augen. Schwerpunktthema waren die Folgen des Klimawandels für den Forst und dessen Bewirtschaftung. Diese Bewirtschaftung, das machte Neuner deutlich, sieht heute so aus, wie sie sich Forstleute noch vor 15 Jahren nicht hätten vorstellen können: Wurde früher im Wald fast ausschließlich im Winterhalbjahr Holz geerntet, knattern mittlerweile das ganze Jahr hindurch die Sägen im Bemühen, vom Käfer befallene Bäume zügig zu ernten und so die weitere Ausbreitung einzudämmen. Man arbeite seit drei Monaten "voll auf Anschlag", sagte Neuner.

Ständig im Alarmmodus

Allein in der vergangenen Woche habe man im Stadtwald rund 1700 Festmeter Borkenkäferholz geerntet, schilderte Neuner. Das sei die Hälfte des für Fichte und Lärche im Stadtwald geplanten Jahreseinschlags. Man könne dem Massenanfall nur durch den Einsatz von Holzerntemaschinen Herr werden, und eben durch den Einsatz der Drohne, ohne die die Suche nach befallenen Bäumen um ein Vielfaches länger dauern würde.

Seit drei Monaten sei man wegen der Borkenkäferkalamität "ständig im Alarmmodus, ständig im Dauerstress", sagte Neuner. Doch nicht nur die Forstpartie ist im Stress, sondern auch der Wald selbst. "Schauen Sie sich mal die alten Buchen an", lenkte Neuner den Blick der rund 40 Teilnehmer der Waldfahrt auf jene Baumart, die bis vor Kurzem noch als die unverwüstliche Mutter des Waldes galt.

Eiche stabilste Baumart

Nach mehreren von großer Hitze und geringen Sommerniederschlägen geprägten Jahren schwächelt jedoch auch die Buche massiv. Selbst alte, mächtige Buchen hätten die Hälfte ihrer Blattmasse eingebüßt, so Neuner. Manche wirkten noch grün, seien jedoch bereits abgestorben. Die Rinde platze ab, Pilze befielen das Holz. "Der Klimawandel ist da und er verändert etwas", so der Forstmann über die Entwicklung, die 2018 eingesetzt habe. Wenn Naturgesetze nicht mehr funktionierten, merke der Mensch, wie machtlos er ist, sagte Neuner und sprach von einer "unheimlich zermürbenden Situation".

Doch ganz machtlos sehen sich die städtischen Forstleute nicht. Neuner jedenfalls schilderte, wie man in der Bewirtschaftung des Stadtwaldes auf die Klimakrise reagieren will. Eine entscheidende Rolle werde die Eiche spielen, machte der Forstmann deutlich. Sie komme mit den Folgen des Klimawandels augenscheinlich am besten zurecht und sei "die stabilste Baumart, die wir haben".

Frisch geerntetes Holz mitten im Sommer: Aufgrund massiven Borkenkäferbefalls wurde im Stadtwald binnen einer Woche die Menge an Fichten und Lärchen gefällt, die sonst in einem ganzen Jahr geerntet wird. 
Foto: Johannes Ungemach | Frisch geerntetes Holz mitten im Sommer: Aufgrund massiven Borkenkäferbefalls wurde im Stadtwald binnen einer Woche die Menge an Fichten und Lärchen gefällt, die sonst in einem ganzen Jahr geerntet wird. 

Der eigentlich von der Buche dominierte Spessart wird sich nach Neuners Einschätzung bei fortschreitendem Klimawandel deutlich mehr in Richtung Eiche entwickeln. Allerdings nicht von alleine, denn es fehlt vielerorts an Altbäumen als Samenspender. Deswegen sät man auch im Stadtforst in größere durch den Borkenkäfer geschaffene Lücken Eicheln. Die daraus wachsenden Bäumchen müssten jedoch durch Zäune vor Wildverbiss geschützt werden, so Neuner. Das mache die Eichennachzucht aufwendig und teuer.

Auf fremdländische, womöglich besser an die Folgen des Klimawandels angepasste Baumarten kann man laut Neuner im Stadtwald nur bedingt setzen. Grund seien naturschutzfachliche Vorgaben, die beispielsweise aus der Einstufung von Teilen des Stadtwalds als FFH- oder Natura2000-Gebiet resultierten und das Einbringen nicht heimischer Baumarten verbieten. Deswegen, so Neuner, setzt man im Stadtwald auf eine große Mischung heimischer Baumarten, möglichst sechs bis sieben auf einer Fläche. "Fällt eine aus, sind noch andere da", fasst Neuner das Konzept zusammen.

Was kann noch kommen?

Sollten allerdings jene Klimaprognosen wahr werden, die für Unterfranken schon recht bald südspanische Verhältnisse vorhersagen, dürften nach Ansicht des Forstmanns nahezu alle Baumarten des Spessarts massive Probleme bekommen: "Dann haben wir hier keinen Wirtschaftswald mehr." Stattdessen würde es dann nur noch darum gehen, mit einem wie auch immer gearteten Waldbewuchs Funktionen wie den Trinkwasser- oder Bodenschutz zu erhalten, so Neuner.

Wohin die Reise gehen wird, konnte auch er nicht sagen. Er stellte jedoch fest: "Die Natur verändert sich in einer Rasanz, die noch nie da war." Er wolle jedoch "nicht schwarzmalen, sondern sensibilisieren" für die Notwendigkeit, den Waldumbau aktiv zu gestalten, um möglichst auch in Zukunft noch Forstwirtschaft betreiben zu können, so Neuner abschließend.

Bürgermeister Mario Paul erklärte, dass der Mensch bislang in der Klimapolitik "Meister der Verdrängung" gewesen sei. Zwar hätten die Staaten 2015 in Paris ein Klimaschutzabkommen beschlossen, danach aber effektiv so gut wie nichts unternommen. "Wir sollten endlich damit aufhören, wegzusehen", forderte Paul. Angesichts der auch im Stadtwald überdeutlich zutage tretenden Folgen des Klimawandels sei klar: "So, wie es bislang war, kann es nicht weitergehen".

 
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