Heike Brandl, Mitglied im Kirchenvorstand, hat beim Dienstagstreff der evangelischen Kirchengemeinde im Ulmerhaus rund 30 Interessierten darüber berichtet, wie sie mit ihrem Mann Thomas im vergangenen Sommer rund 5100 Kilometer von Lohr zum Nordkap zurückgelegt hat. Das Besondere daran ist, dass die beiden die Strecke mit ganz normalen Rädern bewältigt haben.
Seit vielen Jahren fährt das sportbegeisterte Paar Rad, gerne mit dem Mountainbike im Spessart. 2018 nahmen sie sich eine dreimonatige Auszeit vom Beruf, um etwas Besonderes zu machen. Mit dem Wohnmobil durch die Gegend zu fahren, kam für sie nicht in Frage. "Das können wir machen, wenn wir 70 sind", meinte Brandl lachend im Gespräch mit unserem Medienhaus.
Am 31. Mai ging es los, Heike Brandl hatte 13 Kilo Gepäck in den Satteltaschen dabei, ihr Mann 20 Kilo. 80 bis 120 Kilometer schafften sie am Tag, eingekleidet in Radtrikots der RV Viktoria Wombach, wo sie Mitglied sind. Die Strecke führte über Sachsen an die Oder, dann hoch zur Ostsee und an der Ostsee entlang bis nach Masuren. Dort umfuhren die Brandls die russische Exklave Kaliningrad (Königsberg), für die sie kein Visum hatten.
Finnland durchquert
Das Paar radelte durch die drei baltischen Staaten, nahm die Fähre in die finnische Hauptstadt Helsinki und durchquerte das nordische Land vom Süden bis zum Norden, wo es die Grenze nach Norwegen überquerte und das Nordkap erreichte. Von dort ging es mit dem Postschiff in den Süden Norwegens, wo die Brandls noch zweieinhalb Wochen bis zur Hauptstadt Oslo fuhren, um mit dem Flugzeug in der zweiten Augusthälfte nach Frankfurt zurückzukehren.
Der heiße und lange Sommer war für sie Glück und Pech zugleich. Den ersten Regen erlebten sie nach drei Wochen in Litauen, wo sie Unterschlupf in einem Viehstand fanden. Allerdings war es, so Heike Brandl, "immer heiß", so dass sie auch einmal im Dorfbrunnen zum Amüsement der Dorfjugend Abkühlung suchten - oder in Polen mit der landestypischen kalten Rote-Beete-Suppe.
Die Route planten sie mit Handy und Navigationsgerät jeweils ein bis zwei Tage im voraus. Übernachtet wurde im Zelt oder in Ferienwohnungen, die sie auf Buchungsseiten im Internet bestellten. Länger vorausplanen wollten sie nicht, "das hätte uns nur Stress gemacht".
Mit dem Smartphone wurden Verwandte und Freunde auf dem Laufenden gehalten, Übersetzungsprogramme dienten der Verständigung mit den Einheimischen.
Das klappte nicht immer hundertprozentig, wie sie in Polen erfahren mussten, als Heike Brandl "ungarischen Kuchen" bestellte. Dieser entpuppte sich als fünf bis sechs übereinander gelegte Pfannkuchen, über die eine Menge Gulasch gekippt worden war. Die Vegetarierin schob den Teller ihrem Mann zu.
Während der Fahrt nahmen sie sich Zeit für lokale Sehenswürdigkeiten, Konzerte und 14 Museumsbesuche. Heike Brandl stürzte einmal, als sie in ein Schlagloch fuhr, ihr Mann Thomas schlug sich den Knöchel an, dazu kamen zwei Platten, sonst ist ihnen nichts passiert.
Im Sommer nach Kanada
Anfang August waren sie am Ziel. Das Nordkap präsentierte sich ungewöhnlich mit 25 Grad und völliger Windstille. "Es war ein grandioses Erlebnis, dort zu stehen", sagte Heike Brandl. Das Erlebnis teilten sie mit einer Reisegruppe aus Wertheim. Pläne für dieses Jahr gibt es bereits: Im Sommer wollen die Brandls nach Kanada zur Mountainbike-Weltmeisterschaft. Sie gehen davon aus, dass sie dort ihren Sohn Maximilian treffen - als WM-Teilnehmer.