Das E-Auto hat mit einigen Vorurteilen zu kämpfen. Zu teuer, zu wenig nachhaltig, aber vor allem halten sich die Themen Reichweitenangst und mangelnde Langstreckentauglichkeit sehr hartnäckig. Unser Mitarbeiter Jochen Kümmel hat den Selbstversuch gewagt und in drei Monaten mit seinem neuen E-Auto über 8000 Kilometer zurückgelegt.
Darunter waren auch vier Reisen, die in die Sächsische Schweiz (1454 gefahrene Kilometer (km), 242 geladene Kilowatt (kW), 103,50 Euro Stromkosten, nach Köln, Trier und Luxemburg (929 km, 176 kW, 64,97 Euro), ins Allgäu (1014 km, 181 kW, 60,58 Euro) und nach Osttirol (1722 km, 259 kW, 97,94 Euro) führten und interessante Erkenntnisse zur Elektromobilität an den Tag brachten.
Unterschiedliche Ladearten
Auf der Langstrecke sind Schnellladestationen (DC-Lader) unverzichtbar. An Raststätten, Tankstellen und Autohöfen, aber auch an Schnellrestaurants, Baumärkten und Discountern kann man mit Ladepunkten rechnen, die die leere Elektroautobatterie mit hoher Leistung schnell wieder auffüllen. Mit Schnelladern, die mit Gleichstrom funktionieren und Ladeleistungen zwischen 75 und 200 Kilowatt pro Stunde erbringen, ist der Akku des Autos in 20 bis 35 Minuten von 20 auf 80 Prozent wieder aufgeladen.
Sogenannte Wechselstrom-Lader (AC-Lader), beispielsweise an der heimischen Wallbox oder in Innenstädten, laden hingegen nur mit elf Kilowatt und machen den Akku über Nacht oder bei längeren Aufenthalten in fünf bis sechs Stunden wieder voll. Zum Einsatz kommt bei unserem Mitarbeiter eine Ladekarte von thüga Energie. Bei einer Grundgebühr von fünf Euro lädt er am AC-Lader für 0,39 Euro, am DC-Schnellader für 0,47 Euro. Ab 20 kW geladene Leistung reduzieren sich die Kosten um vier Cent pro kW. Um die Ladepausen zu überbrücken, werden bei den Ladestopps Frühstücks- und Mittagspausen eingeplant. Dies hat sich bestens bewährt und trägt zu einem entschleunigten Reisen bei.
Tempo verringert Reichweite
Das E-Auto verbrauchte auf den ersten 8.000 Kilometern im Schnitt 16,9 kW auf 100 Kilometer. Die Power für das Allradfahrzeug mit 299 PS kommt aus einem 77 kW-Akku. Allerdings sollte man wissen, dass der Verbrauch auf der Autobahn über 130 km/h schnell in die Höhe schießen kann und die Reichweite dann schrumpft.
Die erste Langstrecke führte über Bayreuth nach Bad Schandau. Hierbei kamen verschiedene Ladekarten erstmalig zum Schnellladen zum Einsatz. Die Bedenken, dass die Lade-Infrastruktur in der Sächsischen Schweiz Lücken aufweist, waren unbegründet, weil es vielerorts in der Urlaubsregion auch Schnelllader mit niedriger Leistung (bis 50 kW) gab. Laden und Parkgebühren sparen hieß es in Dresden: Keine 800Meter vom Zwinger entfernt konnte das Auto geladen und nebenbei auch noch kostenfrei geparkt werden.
Konzertreise mit Ladestress
Zu Konzerten in Köln und Luxemburg ging es im Juli. Mit 47 Prozent-Akkukapazität kamen wir nach 252 km dort an und fuhren am nächsten Tag weiter nach Trier. Das Navi schlug zunächst für die 185 Kilometer lange Fahrt nicht einmal einen Ladestopp vor. Das sollte sich schnell ändern. Heiße Temperaturen und ein flotterer Fahrstil ließen den Verbrauch schnell steigen und die Akku-Prozente purzeln. Es folgte eine Reihe unglücklicher Umstände: Ein vorgeschlagener Ladestopp war geschlossen. Eine Alternative war wegen der Sperrung einer Autobahnausfahrt nicht erreichbar. Und dann? Autobahnende! Die A1 zwischen Blankenheim und Dreis-Brück ist unterbrochen und führt auf einer Bundesstraße weiter. Allerdings sind die meisten Schnelllader an Raststätten auf der Autobahn zu finden. Nach kurzem Studieren der Lademöglichkeiten fuhren wir 20 Kilometer zurück zu einem Schnelllader an einem Schnellrestaurant, wo wir mit 17 Prozent und einer Reichweite von rund 75 Kilometern ankamen.
Erfreut waren wir über die Ladeinfrastruktur in Luxemburg. Da gab es vom Staat subventionierten Ladestrom für 0,34 Euro/kW. Vor Parkhäusern werden dort nicht nur freie Parkplätze, sondern auch freie Ladesäulen angezeigt.
Wallbox beim Vermieter
Mit etwas mehr Erfahrung starteten wir einen Allgäu-Wochenend-Trip. Als sehr praktisch erwies sich am Urlaubsort, dass unser Vermieter eine Wallbox samt grüner Energie vom Dach für 40 Cent pro Kilowatt anbot. Das haben wir gerne genutzt. Dadurch haben wir uns über Lademöglichkeiten in der Urlaubsregion keine Gedanken machen müssen und hatten jeden Tag einen geladenen Akku.
Anfang September ging es nach Osttirol. Für die 554 Kilometer waren zwei Ladestopps geplant. Wie an Hauptreisetagen befürchtet, waren am Rasthof Irschenberg alle Schnelllader belegt. Kurzerhand testen wir 300 Meter weiter einen Tesla-Supercharger-Standort mit neun Ladern. Seit Anfang des Jahres können auch Fremdmarken bei Tesla laden. Am Urlaubsort gab es gleich mehrere Besonderheiten: Lediglich ein 11-kW-Lader am örtlichen Gemeindeamt war vorhanden. Da unser günstigster Ladeanbieter dort 59 Cent für die Kilowattstunde haben wollte, schauten wir uns nach einem örtlichen Stromanbieter um und wurden bei der Salzburg AG fündig. Per App konnten wir dort für vier Euro in der Stunde laden. Also wurde nicht nach Kilowattstunde, sondern nach geladener Leistung pro Stunde abgerechnet. In Österreich ist dies ein gängiges Abrechnungsmodell. Bei einer Ladeleistung des Fahrzeugs von 11 kW pro Stunde ergibt sich ein umgerechneter Kilowattstundenpreis von 36 Cent.
Probleme an der Säule
Der Nachteil: Man muss immer den Ladestand im Auge behalten. Denn wenn das Fahrzeug voll ist oder aus welchem Grund auch immer nicht lädt, kostet es trotzdem. Positiv überrascht waren wir von der Lade-Infrastruktur auf der Großglockner-Hochalpenstraße. AC-Lader bis 22kW sind dort sogar kostenlos und die Mautgebühr ist für E-Autos mit 32 Euro um acht Euro günstiger als bei Verbrennern. Die Heimreise klappte problemlos: Nach einem ausführlichen Stadtbummel in München starteten wir mit 100 Prozent und kamen nach 325 Kilometern ohne weiteren Ladestopp mit 26 Prozent Akku (Restreichweite 117 km) zuhause an, wo am nächsten Tag die heimische Photovoltaikanlage das Fahrzeug wieder auflud.
Nicht alles an der Ladesäule läuft rund: Ein Ladestopp in Lienz an einer 22kW-Tiwag-Ladesäule (36 ct/kW) scheiterte. Am Lader am Gemeindeamt in Osttirol hatte ein "Nichtstromer" die Ladesäule zugeparkt. Unschön, wenn es im Ort nur eine Ladesäule gibt. Zu Hauptreisezeiten können schnell alle Lader an einem Ladepark belegt sein. Deshalb unser Tipp: Es ist von Vorteil, wenn es an einem geplanten Ladestandort einen weiteren Autostromanbieter gibt. Gibt es keine weiteren Lader, sollte man eine Akku-Reserve einkalkulieren oder muss eine Wartezeit in Kauf nehmen.
Tarifdschungel kann verwirren
Wer unterwegs günstig laden möchte, muss sich mit dem Tarifdschungel verschiedener Ladestromanbieter auseinandersetzen. Dann können E-Autofahrer trotz kräftiger Preisanstiege in der ersten Jahreshälfte auch an der öffentlichen Lade-Infrastruktur viel sparen. Wem das zu stressig ist, hat die Möglichkeit, einen Ladetarif des Fahrzeugherstellers zu buchen, der viele Autostromanbieter unterstützt. Allerdings kann sich das schnell mit Mehrkosten von zehn bis 20 Cent pro Kilowattstunde niederschlagen. Für den Fall, dass Ladekarten insbesondere im Ausland nicht unterstützt werden, sollte man Karten von anderen Anbietern als Alternative im Handschuhfach liegen haben.
Das Auto ist Fahrspaß pur
Das Fazit: Ein Elektroauto funktioniert auch auf der Langstrecke gut und bietet Fahrspaß pur. Vor allem bei den ersten Reisen sollte man sich mit seinem Auto beschäftigen und einen Blick auf die Lademöglichkeiten auf der Strecke werfen. Dies funktioniert mit Apps wie ABRP (A Better Routeplanner) oder mit einem guten Fahrzeug-Navi sehr gut. Als absolut vorteilhaft erwies sich, wenn es am Urlaubsort eine AC-Ladesäule (Langsamlader) gibt, mit der man sein Fahrzeug über Nacht laden kann. Noch besser: Der Vermieter bietet eine Lade-Infrastruktur an.