
Während die meisten Menschen über die anhaltende Kälte hierzulande klagen, hat sich der Laudenbacher Wolfgang Tröster (65) vom 9. bis 16. März noch einmal ein besonderes Wintervergnügen gegönnt: Der pensionierte Gymnasiallehrer (Deutsch/Sport) nahm teil an der „Rajalta Rajalle Hiihto-Skiing border to border“, einer Skilanglauftour quer durch Finnland. 445 Kilometer von der russischen bis an die schwedische Grenze waren in sieben Tagen zu meistern. Die Tagestrips sind 50 bis 86 Kilometer lang.
Tröster betreibt Langlauf seit 45 Jahren und hat in der Schule immer wieder Langlaufkurse gegeben. Gelegentlich hatte er an Wettbewerben, zum Beispiel dem Rhöner Rucksacklauf oder dem Thüringer Rennsteiglauf auf Skiern teilgenommen. So hat er sich durch Berichte von Bekannten, die ihm von der Finnland-Tour vorschwärmten, verleiten lassen und sich angemeldet in dem Gedanken: „Irgendwie wirst du das schon hinkriegen. Und wenn es nicht mehr geht, kannst du dich in den bereitstehenden Lumpensammlerbus setzen.“ Er bereitete sich in langen Läufen auf die Ausdauerleistung vor und feilte an seiner Abdrucktechnik.
Wolfgang Tröster berichtet: „Von Helsinki aus fahre ich die etwa 700 Kilometer nach Oulu mit dem Zug im Schlafwagen, dann mit dem Bus noch 240 Kilometer über Kuusamo bis nach Oivanki. Das Gebiet bezeichnet man auch als Mittelfinnisches Hügelland mit mittelgebirgsähnlichen Strukturen, Hochplateaus, Seenplatten, unermesslichen Nadel- und Birkenwäldern und einer Besiedlung mit teils nur drei Einwohnern pro Quadratkilometer.
Die Unterkünfte sind meist Touristenhotels. Zweimal müssen wir mit Massenunterkünften in ehemaligen Schulen im Schlafsack übernachten. Unser Gepäck wird jeden Tag in die neue Unterkunft gebracht.
Internationale Gruppe
Die erste Etappe beginnt unmittelbar an der russischen Grenze in Karelien. Unsere Gruppe, etwa 100 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern, Finnland, Schweden, Russland, Spanien, Italien, Deutschland, USA, Italien, setzt sich in Bewegung. Eine Distanz von 62 Kilometer steht bevor. Und es beginnt gleich richtig prickelnd: Viele kurze, giftige Anstiege, schnelle verzwickte, kurvenreiche Abfahrten; volle Konzentration ist verlangt, um nicht irgendwo im Tiefschnee zu landen. Aber mit der Zeit wird die Strecke ruhiger, flacher und wir können mit schönen langgezogenen Diagonalschritten durch eine malerische Mittelgebirgslandschaft laufen. Der aufgrund der großen Kälte stumpfe Schnee erlaubt aber kaum Doppelstockschub, also wenig Erholung. Gegen Ende wird die Spur leichter, aber 900 Höhenmeter haben wir bis dahin schon überwunden, und wir gleiten über einen zugefrorenen See in unsere erste Unterkunft in Kuusamo, einem bekannten Ski und Langlaufweltcuport. Sauna und Essen bringen die Lebensgeister zurück.
Durch gute Zusammenarbeit in Gruppen und im Zweierteam – ich habe mich mit einem Kollegen aus Südtirol zusammengetan – kommen wir zügig voran und erreichen am dritten Tag nach zwei 60-Kilometer-Etappen die kleine Skistation Syöte. Die Landschaft ist faszinierend: tief verschneite Fichten mit bizarren Formen, eine malerische Mittelgebirgslandschaft mit sanften, weißen Kuppen. Am Abend kommt die Hiobsbotschaft: Am nächsten Tag, ausgerechnet als die längste Etappe mit 86 Kilometern bevorsteht, soll das arktische Kontinentalhoch unbarmherzig zuschlagen: Für den Morgen sind minus 30 Grad und noch weniger gemeldet. Uns wird flau im Magen. Wir beratschlagen, wie wir uns einen Panzer gegen die Kälte anlegen können.
Im Gesicht bleiben nur die Augen frei. In die Schuhe legen wir Alu-Folie. Die Hände werden mit zwei Handschuhen und ebenfalls einer Alu-Folie geschützt. Um 7.45 Uhr machen wir uns auf den Weg. Nicht alle wagen es und steigen erst später ein. Und tatsächlich können wir der Kälte trotzen, der Atem wird unter der Gesichtsmaske warm. Nach einer Abfahrt in ein extrem kaltes Tal geht es stetig bergan und der Kreislauf kommt in Schwung. Die durchbrechende Sonne – sie ist uns während der gesamten Tour treu geblieben – tut ein Übriges. Wir gleiten über einen etwa fünf Kilometer breiten See, fahren durch endlose Wälder, lassen uns an den Verpflegungsstationen mit sauren Gurken, Rosinen, Schokolade, Suppe, heißem verdünnten Beerensaft wieder aufbauen und arbeiten uns langsam dem Ziel der Tagesetappe entgegen.
Zwischendurch erleide ich einen „Hungerast“, da die Entfernung zwischen zwei Servicestationen zu groß war. Am Schluss werden meine Hände doch kalt, ich habe leichtsinnigerweise die Handschuhe gewechselt und muss auch noch nachwachsen. Ich bringe meine Finger nicht mehr warm, da es am Nachmittag empfindlich kalt geworden ist. Die Anzeichen von Erfrierung kann ich später im Hotel größtenteils beseitigen.
Da erscheint dann der nächste Tag mit höheren Temperaturen, 50 Kilometern und einer Laufrichtung immer der Sonne entgegen fast wie eine Erholung. Und auch die nächsten Tagestouren mit 60 beziehungsweise 72 Kilometer lassen sich bewältigen. Ich kann zunehmend mehr die Skatingtechnik anwenden.
Schlussetappe auf dem Fluss
Am 7. Tag erreichen wir das Ziel in Tornio, der finnisch-schwedischen Grenzstadt. Die letzten 13 Kilometer verläuft die Strecke auf dem zugefrorenen Tornionjoki-Fluss. Von Weitem sehe ich schon auf einem Spruchband das Wort ,Maali‘: Ziel.
Jugendliche empfangen uns mit einem finnischen, rhythmischen Sprechgesang, ehe das einmalige Erlebnis seinen endgültigen Abschluss am Abend mit kulturellen Beiträgen aller Nationalitäten findet. Die Gruppe hat während der Tour immer mehr eine Gemeinschaft gebildet, in der die gegenseitige Unterstützung im Vordergrund stand.“
ONLINE-TIPP
Mehr Informationen unter www.rajaltarajallehiihto.ranua.fi