Da hockt doch einer drunter: Eine grüne Plane, wie es sie in jedem Baumarkt gibt, ist über eine Bankgarnitur am Rand des Radwegs bei Himmelstadt am Main gespannt. Vorne überdeckt sie noch ein wenig ein Fahrrad mit Anhänger. Ein Wetter, bei dem man nicht einmal einen Hund vor die Tür jagen würde – und da hat ein Mensch hier übernachtet.
„Guten Morgen, na, wird Zeit, dass das Frühjahr kommt und es wärmer wird.“ Der Satz bricht bestimmt das Eis, wenn er auch das Wetter nicht milder macht. Doch der Mann hat keine Illusionen: „Das dauert schon noch eine Weile.“ Und er bittet freundlich in seine „Behausung“.
Am Mittwochabend war Eisregen. Gegen 19 Uhr hatte der Obdachlose die Bank als sein Nachtlager gewählt. „Pension natura“ nennt er seine Herbergen. Von Obdachlosenquartieren halte er sich fern. Überhaupt mag er größere Städte nicht. Würzburg sei ihm schon zu groß. „Auf dem Land ist man sicherer.“
Auf der Bank liegt zuunterst eine Plane, dann eine aufblasbare Isomatte, darauf ein Schlafsack. In einem dicken, dunkelblauen Anorak und mit gemusterter Strickmütze sitzt der Mann mit dem Bart da auf seinem Schlafsack – vor sich vier Selbstgedrehte.
62 Jahre ist er alt, daraus macht er kein Geheimnis. Seit 21 Jahren sei er unterwegs. Seinen Namen aber will er lieber nicht in der Zeitung haben.
Warum hat er kein Zuhause? „Drei Todesfälle hintereinander“, antwortet er kurz. Seine Frau sei krank geworden. Da habe er sich, damals Technischer Angestellter in einer Remscheider Firma für Holzbearbeitungswerkzeuge, von der Arbeit abgemeldet, um sie zu pflegen. Nach einem Vierteljahr starb sie, sechs Wochen später folgte seine Mutter, drei Tage danach wiederum sein Vater. Das kostete Kraft.
„Ich war aus dem Tritt gekommen“, beschreibt der Mann seine damalige Lage. Kosten für die Beerdigungen fielen an, den Job war er los, das Arbeitsamt habe weniger gezahlt als erwartet. Er konnte die Raten für das Haus nicht mehr zahlen, die Zwangsversteigerung folgte.
Da war er losgelaufen. Ganz Westeuropa habe er so erkundet. Wo es möglich war, habe er gearbeitet, beispielsweise als Erntehelfer in Spanien. Das wurde irgendwann schwieriger, weil Erntehelfer aus dem Osten kamen.
Acht Jahre war er zu Fuß unterwegs, immer wieder auch per Anhalter. Als das nicht mehr so gut ging, stieg er aufs Fahrrad um. Damit ist er nun seit 13 Jahren auf Tour. Mit Gartenarbeiten finanzierte er die Ausrüstung, um möglichst unabhängig zu sein. Wasserdichte Fahrradtaschen bergen all sein Hab und Gut.
Täglicher Überlebenskampf
Vor sich hat er auf dem Tisch aufgebaut: ein kleines Taschenradio, Wecker, Taschenlampe, ein paar Zettel und einen Terminkalender. All das ermöglicht einen gewissen Anschluss an die Gesellschaft. Er weiß, welcher Tag und wie spät es ist.
Übers Radio erfährt er, was in der Welt passiert. Leider gebe das Radio gerade seinen Geist auf. Und ein neues ist diesen Monat nicht drin. 40 Euro sind schon für eine Fahrradreparatur draufgegangen – bei 210 Euro Witwerrente im Monat. „In Zellingen wollte ich gestern zum Pastor, aber der war nicht da“, bedauert er. Die Pfarrer auf dem Land helfen ihm immer mal ein Stück weiter in dem „täglichen Überlebenskampf hier draußen“, wie der Obdachlose es selbst nennt.
Da heuer kein Schnee liegt, ist eine Saisonarbeit weggebrochen: Im vergangenen Winter konnte er sich noch mit Schneeschippen etwas dazuverdienen. Immerhin ist es nicht so kalt. „Am Steinhuder Meer waren es vor zwei Jahren mal minus 17 Grad.“ Solche Nächte bleiben in Erinnerung.
Von Himmelstadt will der Mann über Karlstadt, Gemünden und Lohr weiter bis nach Marktheidenfeld radeln. Dort bekomme er für eine Nacht ein Dach überm Kopf, weiß er. Denn: Bei dem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür.
@DMA sicher hätte er den Anspruch - ich denke aber dass er einfach zu "fertig" ist den Behördenmarathon zu meistern !
Der Mann weiß was er verloren hat,wir wissem nicht einmal was wir haben!Wäre ich Millionär würde ich ihm einen Hund schenken!Alles klar was ich vom Menschen und seinen Mitleid halt?Außerdem hilft ihm ein Hund psychologisch gesehen am Besten!Betreuungsauflage:Hund gerichtlich bestellt-weil es hilft-nicht Mitleid(Zitat f.n.Nitzsche)
Der Mann weiß was D
Der Mensch weisd
Wer so in Deutschland lebt, wie dieser Bürger, fast wie nach dem 2.Weltkrieg, viele können es irgendwie nicht glauben, begreifen es nicht einmal. Und doch ist es eben die bittere Realität, die einen plötzlich trifft.
Wenn ich dann lese wie der Bundespräsident, neben 200.000€ Jahresgrundgehalt, überall noch seine Vorteile einholt, seine Gattin jedes kostenlose Designer-Kleid an sich nimmt, dann wird mir schlecht. Immer mehr und mehr, Überfluss ich komme. Und manch ein Bürger dieses Landes muss dann mit 210€ im Monat auskommen.
Allein die permanenten Diätenerhöhungen sind jeweils um ein mehrfaches höher, was man sich zusätzlich zum Gehalt nochmal gönnt, als das, womit der Obdachlose im Monat überleben soll.
Wir fahren aus Spaß Porsche, Mercedes, BMW, Jaguar und Hummer und regen uns über die Benzinpreise auf. Wir fliegen aus Spaß nach Nizza, Mauritius, Bahamas, Australien und regen uns über die Flugsteuer auf. Weihnachten fressen wir Lachs, Hummer, Kaviar, Austern, edles Fleisch, trinken teure Weine und Champagner. Im ganzen Jahr holen wir uns bei Mc.Doof & Co teures Essen und jammern über den Teuro. Fast jeder rennt heute wie bekloppt mit Ipad und Ipod rum, 1000sms im Monat schreiben und auf jeden m2 in Deutschland per überteuerte Flatline Internet haben wollen.
Ich kann gut verstehen, warum es diesen Mann in die Natur zieht, raus aus den Städten des Wahnsinns.