Sie dürfen dann noch auf den Wasserstraßen unterwegs sein, wenn dichter Nebel über dem Fluss liegt und quasi die Vögel zu Fuß gehen. Ein unsichtbarer Helfer, der Radar heißt, gibt den Schiffsführern die Sicherheit, Fracht an Bord ihrer Gütermotorschiffe auch bei miesem Wetter von Hafen zu Hafen zu transportieren. Wir begleiteten im Steuerhaus das Frachtschiff "Klaus Krieger" von Lengfurt flussabwärts bis zur Schleuse Eichel.
Die Uhr im Steuerhaus zeigt exakt auf 14.31 Uhr, als zweiter Schiffsführer Sebastian Schmidt per Knopfdruck den 1600 PS starken Schiffsdiesel zum Leben erweckt. Sein geräumiges Umfeld gleicht fast dem eines modernen Airliner-Cockpits. Dutzende Instrumente, Armaturen, Funkgeräte und GPS-Empfänger unterstützen ihn, immer auf dem richtigen Kurs zu bleiben und 2138 Tonnen Zementklinker von Lengfurt nach Mainz-Weisenau durch 18 Schleusen zu transportieren. Zwei technische Helfer sind immer auf Empfang: der Radar-Monitor und der aufgeschaltete Satellitenempfänger. Das Radarbild zeigt dem Schiffsführer die elektronische Flusskarte mit allen markanten Erhebungen unter Wasser und am Uferbereich. Das Schiffsradar ist ein Navigationsgerät, das elektromagnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit bis zu einer Reichweite von hundert Meilen aussendet.
Sebastian Schmidt greift zum Funktelefon und meldet den Start der "Klaus Krieger" bei der Leitstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes Aschaffenburg, die alle Schleusen in ihrem Zuständigkeitsgereich betreut. Mit von der Partie ist im modernen Steuerhaus ist Schiffsführer Pius Donath, der ebenso wie sein Kollege Schmitt alle Patente besitzt, die zum Befahren des Rheins und seiner Nebenflüsse berechtigen. Er ist seit 22 Jahren auf dem Wasser unterwegs.
Mit 14 Stundenkilometern auf dem Fluss unterwegs
Noch führt der Main relativ viel Hochwasser, mit 14 Stundenkilometern fährt die "Klaus Krieger" flussabwärts. Während der Sommermonate, wenn der Fluss einer Seenplatte gleicht, relativ träge dahin fließt und Frachter mit rund 2000 Tonnen oder lange Fahrgastschiffe unterwegs sind, reduziert sich die Geschwindigkeit auf zehn Stundenkilometer, hören wir von Pius Donath.
Die Sonne des Vormittags hat sich im südlichen Maintal hinter die Wolken versteckt, als das stattliche Schloss Homburg durch die Cockpit-Scheiben ins Blickfeld rückt. Obwohl die Sicht an diesem frühen März-Nachmittag keine Probleme bereitet, blickt Sebastian Schmidt ständig auf den Radarschirm mit der grünen Flusskarte. Ferner kann der Steuermann auf ein AIS-System (Automatic-Identification-System) zurückgreifen, das ihn ebenfalls bei der Steuerung des Frachters unterstützt und für die Sicherheit des Schiffsverkehrs sorgt, erklärt Pius Donath.
Schleusen 24 Stunden am Tag in Betrieb
Von ihm erfahren wir einen weiteren Vorteil des Schiffsradars: Wenn zum Beispiel beide Eheleute als Partikuliere im Besitz eines Radarpatents sind, können sie rund um die Uhr, also Tag und Nacht, unterwegs sein und so teure Hafengebühren sparen. Längst werden auch die Schleusen 24 Stunden an sieben Wochentagen per Glasfaserkabel über eine Fernsteuerung von der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bedient.
Die "Klaus Krieger" passiert den Campingplatz Bettingen, wo eine kleine Motorjacht die Aufmerksamkeit der beiden Besatzungsmitglieder erregt. An Steuerbord begleitet uns das "Himmelreich", wie der massive Bergrücken an der Urpharer Mainschleife auf den Gemarkungen Kreuzwertheim und Trennfeld genannt wird. Minuten später grüßt das weithin sichtbare Wehrkirchlein von Urphar die Besatzung.
Plötzlich meldet sich der Schiffsfunk auf UKW-Kanal zehn. Ein Bergfahrer kommt uns entgegen. Es ist ein leerer Frachter, der in Belgien zu Hause ist und die "Klaus Krieger" mit nur wenigen Metern Abstand passiert. Rechter Hand, wo das Himmelreich in einen flachen Uferbereich übergeht, stehen bereits die ersten Wohnwagen auf ihrem Urlaubs-Parkplatz. Blühende Schlehen zeigen, dass hier Anfang März bereits der Vorfrühling eingezogen ist.
Zwei alte Hasen auf Rhein und Main
Im Schiffsfunk kommt erneut Bewegung, als ein weiterer Bergfahrer die Schleuse Eichel verlassen hat. Die Besatzung der "Klaus Krieger" hört das nicht ungerne. Sie muss nicht warten, bis die Schleusenkammer für die weitere Talfahrt geöffnet wird. Sebastian Schmidt hart die Fahrt längst so stark reduziert, dass sie fast einer Schrittgeschwindigkeit gleich kommt. Langsam schiebt sich die Schleusenkammer in die Frontscheibe der "Klaus Krieger". Steuermann Sebastian Schmidt ist hoch konzentriert, auch wenn er das Prozedere auch dieses Mal im Gefühl eines erfahrenen Schiffsführers "intus" hat. Von den beiden Besatzungsmitgliedern im Steuerhaus hört der Autor, was sie bei den Schleuseneinfahrten empfinden. "Du brauchst Mut und Fingerspitzengefühl", sind Worte von zwei alten Hasen auf Rhein und Main.
Gerade mal 25 Zentimeter Platz, aber noch trotzdem genug für eine sichere Passage, hat die Klaus Krieger, als sich das obere Schleusentor geschlossen hat und in der Kammer mit 15.000 Kubikmetern Wasser so lange das Becken leeren, bis ein Hub von etwa 4,50 Meter erreicht ist. Wenn das Schleusentor offen ist, heißt es für die "Klaus Krieger" weiter freie Talfahrt.
Auch bis zur letzten Schleuse in Mainz-Kostheim dürfen die beiden Männer im Steuerhaus weiter dem unbestechlichen Radarauge und der elektronischen Flusskarte auf dem Schirm vertrauen, bis Sebastian Donath den Schiffs-Diesel abstellt.