
Wer öfters über die Dörfer der fränkischen Platte fährt, der weiß es: Wenn überhaupt entdeckt man hier noch eine Bäckerei, einen Metzger, eventuell noch eine Poststelle, eine Bankfiliale oder einen Hausarzt. Umso überraschender ist es, wenn im Ortskern plötzlich eine Modeboutique auftaucht.
"Ich seh' immer, wie die Frauen im Auto bei der Durchfahrt die Köpfe recken, wenn sie mein Schaufenster sehen", sagt Elke Kraus und lacht. Anhalten würde daraufhin kaum einer – was die 63-jährige Ladeninhaberin nicht stört. Sie hat ihre festen Kundinnen, die sie regelmäßig in ihrem Fashion-Shop in Birkenfeld besuchen. Und die pflegt sie gut.
Kleidung zu verkaufen, damit begann Elke Kraus schon früh: "Ich habe Verkäuferin in einem Sportgeschäft in Würzburg gelernt", erzählt sie. Danach stand erstmal die Familie im Vordergrund. Erst später fing sie wieder als Verkäuferin in einem Modegeschäft in der Marktheidenfelder Mitteltorstraße an. Zunächst als Angestellte, später übernahm sie es ganz.
Nachbarschaftlicher Motivationsschub hilft: "Elke, der Laden wird super!"
"Die Euro-Umstellung brachte dann das Aus", erinnert sie sich. Die Frequenz im Laden ging schlagartig zurück. Kraus musste schließen, wechselte für ein Jahr auf eine Vollzeitstelle ins Wertheimer Village. Doch der Druck, der dort herrschte, tat ihr nicht gut. Irgendwann kam dann der Entschluss: Sie wollte wieder ihren eigenen Laden – egal wo.

"Mein Mann war erst sehr skeptisch, als ich ihm sagt, dass ich unsere Garage in Birkenfeld zum Laden umfunktionieren will", erzählt sie. Sie war voller Gerümpel, dazu nur zwölf Quadratmeter groß. "Elke, der Laden wird super! Ich war in Berlin, da gibt's nur so Geschäfte!", machte ihr hingegen ihre Nachbarin Mut.
Das war vor 15 Jahren. Mittlerweile ist "Elkes Fashion" etabliert im Ort – aber auch darüber hinaus. Ihre Kundinnen – für Männer gibt es keine Kleidung – kommen teils aus Birkenfeld, aber auch aus den umliegenden Ortschaften wie Karbach, Leinach, Zellingen oder Marktheidenfeld. Alle paar Wochen ist Elke Kraus in Frankfurt unterwegs, um für ihre kleine Boutique einzukaufen. Ihr Spezial-Konzept für wenig Platz: "Ich kaufe jedes Kleidungsstück nur ein Mal", erzählt sie. Vieles davon sei eh Einheitsgröße oder Oversize, wie zum Beispiel Ponchos oder Strickpullis.
Was nicht weggeht, wird gnadenlos reduziert
Wenn jemanden etwas gefällt, es aber nicht passt, schreibt sie es sich auf und bringt das Teil beim nächsten Mal in der richtigen Größe mit. "Ich freue mich immer total, wenn ich in Frankfurt mit meinem Zettel auf die Pirsch gehe und dann nachher meine Frauen anrufen kann, dass ich erfolgreich war", erzählt sie. Damit macht sie gute Erfahrungen. In 99 Prozent der Fälle werde es gekauft, so Kraus.
Was nicht direkt weggeht, wird reduziert. "Wenn es sein muss bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag", beschreibt sie und lacht. So habe sie auch Ständer mit Ware für zwei Euro. Lässt sich ein Kleidungsstück so gar nicht verkaufen, trägt sie es auch manchmal einfach selbst, so wie den pinkfarbenen Oversize-Pullover an diesem Tag.
Einkaufen mit Termin: Erst ein Muss, dann gewollt
Und noch etwas macht sie anders: Sie hat keine festen Öffnungszeiten mehr, sondern öffnet nur nach Vereinbarung und mit Termin. Schuld daran war Corona. "Plötzlich durfte ich nur noch eine Person in den Laden lassen. Ich habe dann aber festgestellt: Das ist total schön, wenn ich einer Kundin meine ganze Aufmerksamkeit widmen kann." Steht kein Anschlusstermin an, vergehen auch schon mal zwei Stunden im Laden. "Dann wird geratscht, manchmal bin ich aber auch Seelenklempnerin", erzählt sie und ergänzt: "Oder ich bekomme selbst gute Tipps, wenn ich mal schlecht drauf bin."
Corona ging, Einkaufen mit Termin bei Elkes Fashion blieb. Gibt es wieder neue Ware, informiert Elke Kraus ihre Kundinnen per WhatsApp. Andrea Ebert aus Birkenfeld ist eine davon. Sie kennt Elke Kraus schon aus ihren Marktheidenfelder Zeiten. Mittlerweile hilft sie auch aus und ist Model, wenn es darum geht, die neuen Kleidungsstücke in kleinen Filmen zu präsentieren. Sie findet, das kleine Mode-Lädchen sei ein großer Gewinn für Birkenfeld. Auch für ältere Kundinnen, die so noch zu Fuß zum Shoppen gehen könnten.
Keine Mietkosten, keine Angestellten, kein Druck
Wie lange Elke Kraus noch weitermachen möchte? Auf jeden Fall, bis sie 70 Jahre ist. "Ich habe null Druck, keine Mietkosten und keine Angestellten und der Laden bringt ein schönes Taschengeld", so Kraus.
Was bei einem Modeladen in einem kleinen Ort wichtig ist: "Ich sage meinen Kundinnen, wenn die Nachbarin oder die Arbeitskollegin das gleiche Kleidungsstück gekauft hat", so Kraus. Dann sei niemand irritiert, wenn er den gleichen Pullover plötzlich neben sich auf der Straße sehe.