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Gemünden
Mildes Urteil als "allerletzte Chance"
Björn Kohlhepp       -  Symbolbild Amtsgericht Gemünden
| Symbolbild Amtsgericht Gemünden
Herbert Hausmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:35 Uhr

Den Valentinstag 2019 wird ein 30-Jähriger trotz seiner Verurteilung am Amtsgericht Gemünden immer in guter Erinnerung behalten. Statt den Mann ins Gefängnis zu schicken, verhängte Richterin Kristina Heiduck eine einjährige Bewährungsstrafe: ein Urteil "mit viel Vertrauen" in die künftige Straffreiheit des Angeklagten und als "allerletzte Chance".

Eine "Kurzschlusshandlung", so der Mann, der jetzt im Landkreis Aschaffenburg lebt, hatte dafür gesorgt, dass er sich in Gemünden vor der Strafrichterin verantworten musste. Am 13. Mai, gegen 21 Uhr, hatte der Karosseriebauer nach einem Streit mit seiner damaligen Lebensgefährtin die Autoschlüssel genommen und wollte im etwa 300 Meter entfernten Laden einen Döner kaufen. Auf regennasser Fahrbahn kam er in einer leichten Linkskurve von der Fahrbahn ab und landete im Vorgarten eines Hauses in einer Sinngrundgemeinde. An Torantrieb, Zaun und Hecke entstand ein Schaden von 9391 Euro.

Ohne sich um die Regulierung zu kümmern, lief er nach Hause. Wenig später tauchte seine Freundin an der Unfallstelle auf und behauptete, dass sie gefahren sei. Nicht ohne Grund, denn der Unfallverursacher besitzt seit dem Jahr 2012 keine Fahrerlaubnis mehr. Das Täuschungsmanöver wäre wahrscheinlich auch geglückt, wenn die Hausbewohner ihn nicht persönlich gekannt und ihn zuvor nicht gleich nach dem Crash gesehen hätten. Gegenüber den alarmierten Polizeibeamten gab der Mann zu, den Unfall verursacht, keine Fahrerlaubnis zu haben und zudem Methadon, eine Ersatzdroge, genommen zu haben. Das zusammengefasst brachte ihm nun die Anklage wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des Entfernens vom Unfallort ein.

Bei der Justiz ist der Angeklagte kein Unbekannter. Sechs Einträge weist das Bundeszentralregister bereits für ihn auf. Der letzte resultiert allerdings aus dem Jahr 2012. Wegen zwei Verurteilungen steht er derzeit noch unter Reststrafenbewährung.

Was sich nach der letzten Verurteilung im Leben des 30-Jährigen abgespielt hat, bezeichnete der Staatsanwalt anerkennend als "beeindruckende Biographie". So ist der Karosseriebauer seit zwölf Jahren abhängig von Drogen, darunter auch Heroin. Vor drei Jahren wurde er von einer renommierten Frankfurter Fachärztin in ein Methadon-Programm aufgenommen. Seine aktuelle Tagesmenge beläuft sich auf 16 Milliliter, je zur Hälfte am Morgen und Abend zu nehmen. Angestrebtes Ziel ist in naher Zukunft eine Reduzierung der täglichen Dosis.

Von 120 Patienten, die von der Ärztin betreut werden, ist der Angeklagte der einzige, der auf Vertrauensbasis jeweils seine Vier-Wochen-Ration im Voraus erhält. Dies bestätigte auch sein Bewährungshelfer. Er hob hervor, dass der 30-Jährige eine positive Entwicklung genommen hat, in einem neuen räumlichen Umfeld mit einer neuen Lebenspartnerin lebt. Sein neuer Arbeitgeber habe ihm sofort nach Ablauf der Probezeit einen zunächst auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag gegeben. Vor dem Hintergrund dieser positiven Sozialprognose würde eine Gefängnisstrafe den Angeklagten nach Ansicht des Bewährungshelfers "weit zurückwerfen".

Trotz des Respekts vor der Leistung des Angeklagten bezüglich der Drogensucht, beantragte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung. "Damit schaffen wir einen Sozialfall", warnte die Verteidigerin und hielt eine Geldstrafe für sinnvoller.

"Ich habe mich schwer getan mit einer Bewährung", gestand Richterin Heiduck bei der Urteilsverkündung. Schließlich sah sie den Angeklagten auf einem guten Weg, das Geschehen vom Mai, genau wie der Bewährungshelfer, als "Augenblicksversagen". Deshalb verurteilte sie den Mann zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. Während der Dauer von drei Jahren hilft ihm ein Bewährungshelfer. Vor Ablauf von zwei Jahren darf ihm keine neue Fahrerlaubnis ausgestellt werden. Neben den Kosten des Verfahrens muss er noch 1200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Während der Angeklagte und seine Verteidigerin das Urteil noch im Gerichtssaal annahmen, gab der Staatsanwalt keine Erklärung ab.

 
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