„Was ist es? Ist es ein Gefängnis? Ist es die Lohrer Mainphilharmonie?“, wundert sich Michl Müller am Donnerstagabend vor gut 700 Fans. Nein, es ist die neue Stadthalle, die der Franggn-Kabarettist im Eröffnungsreigen des Lohrer Prachtbaues gleich an zwei Abenden hintereinander füllt.
„Des is Lohr“: Schwer beeindruckt habe ihn der riesige Vorplatz, der das Ausmaß des Schneewittchen-Denkmals (sprich: „Domina von Rappertshütte“) relativiere. „Wenn das vorne dran steht, traut sich kein Einbrecher in die Nähe des Klinkerbaus.“ Einen besseren Einbruchschutz gäbe es nicht. Er selbst habe entspannt nach Lohr fahren wollen, hätte nicht ein „dreckstiefer gelegter“ BMW seine Ausfahrt blockiert. Grund genug, sein dreistündiges Programm „Ausfahrt freihalten!“ zu nennen und zu betonen: „Es ist unsere Pflicht, uns aufzuregen“.
Michl Müller wird mit offenen Armen empfangen. Für das Publikum von acht bis 80 Jahren ist er der „Kabarettist der Herzen“, der witzig und spritzig, authentisch und pfeilgerade auf der „Autobahn des Lebens“ jede Ausfahrt nimmt – sofern sie frei ist! Harmonie im Kultsong, Ironie und Parodie sind seine Markenzeichen, begleitet von einzigartiger Mimik und Gestik.
Schuldige gefunden
Das Publikum liebt ihn als einen, der Dobrindt die „menschgewordene Wegfahrsperre“ nennt, Schäuble die „Staatskasse auf vier Rädern“ oder Margot Käßmann die „Heilige Promilla“. „Was ist los mit der politischen Elite in Deutschland und der Welt?“, fragt der 44-Jährige aus Garitz am Fuße der Rhön. Was plant „der Notgeile mit dem toten Feldhamster auf dem Kopf“ (Donald Trump)? An allem schuld sei sowieso die „Merggel“.
Sogar an Weihnachten sei „alles e weng annerschter als früher“. Es heiße „Christmas Countdown“ statt Adventskalender und Ende November beginne die Beobachtungszeit: „Wenn die erste Lichterkette hängt, gibt's kein Halten mehr.“ Im Handumdrehen habe eine Ortschaft mit 37 Einwohnern 14 Bordelle. Zur Vermeidung von Wildunfällen schlägt er Autobahnmaut-Pickerl mit Seehofer-Konterfei vor. Und es gibt noch die Steigerung: Habe man Franz-Josef-Strauß einen eigenen Flughafen gewidmet, bliebe für Horst Seehofer lediglich die Bushaltestelle vor der Stadthalle.
Thematisiert werden militante Rentner, die in Kanälen wohnen, Bushido-Anhänger mit Hosen auf Halbmast und „Schnerpfeln im Zirkuszelt“ oder die Flexitarierin, die nur Fleisch vom angefahrenen Tier verzehrt. Großes Gelächter erntet er für die Idee seiner „Dessous- und Dildo-Partys“: „Die Dildos sind eingeschmolzene Tupperschüsselich“. Nicht fehlen dürfen die Stammtischparolen von Holger und Frank aus dem „Latte & Mehr“ inklusive TomTom, dem afrikanischen Flüchtling im „Dreggsagg-T-Shirt.
Aber auch diese Ausfahrt wird genommen und das „Gründungsmitglied der CSU“ fühlt sich mittlerweile in Garitz integriert. Heimatverbunden outet sich der Müller als “Rock'n'Rhöner“, nicht ohne die drei großen F der Fränggischen Kultur kundzutun: „Frühschoppen, Federweißer und Fronleichnam“. Im Franken-Reggae über „Zwiefelblootz und Federweißer“ lässt er den Zuhörer ins Innerste blicken.
Ovationen
Der Versuch eines Protestliedes gipfelt nach Santiano-Manier im „Schiffer, der kein Seemann“ ist und der großen Not, wenn „mer mal bies muss“. Zwar hat es mit dem Protestlied nicht geklappt, den Lebenssinn jedoch hinterfragt er in der Ballade „Einmal nur“: „Was ist nur los? Es ist Krieg und ich steh' da in der Ünnerhos“. Riesenapplaus. Zugaberufe.
Die Menge erhebt sich und feiert nach Michl Müllers legendärem „Hau nei“ ihr Idol im vertonten „Very Best“. Wer bringt den Gesamteindruck besser auf den Punkt als Pfarrer Augustin aus Waldaschaff, bekannt als „coolster Pfarrer am Untermain“? Sein Fazit: „Man erlebt Gemeinschaft, amüsiert sich köstlich und vergisst den Alltag.“