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Aschfeld
Metzger 2.0: Elviras Bauernladen erweitert – mit Genuss
Das Aschfelder Unternehmen baut ein eigenes Schlachthaus für 1,6 Millionen Euro. Kunden können sich beteiligen und Genussrechte erwerben.
Julia Schmidt und Katja Dallmann von Elviras Bauernladen in der Scheune, die demnächst zum Schlachthaus wird.
Foto: Markus Rill | Julia Schmidt und Katja Dallmann von Elviras Bauernladen in der Scheune, die demnächst zum Schlachthaus wird.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:42 Uhr

In der Karlstadter Innenstadt hat die letzte Metzgerei geschlossen, im Umland sieht's kaum besser aus. Nur bei Elviras Bauernladen in Aschfeld – dem Metzger, der neue Wege geht – läuft's prächtig. Nun will das Familienunternehmen erweitern und für 1,6 Millionen Euro ein eigenes Schlachthaus bauen. Kunden können sich daran beteiligen und Genussrechte erwerben.

Den Hauptumsatz machen die Inhaber Katja und Markus Dallmann längst nicht mehr mit dem nur an zwei Tagen pro Woche geöffneten Lädchen auf dem Hof. "Wir beliefern über 1000 Haushalte zwischen hier und Würzburg mit Fleisch und Wurst bis an die Haustür. Alles komplett selbst hergestellt", erklärt Katja Dallmann.  "Zusätzlich fahren unsere gekühlten Busse Ortschaften Richtung Schweinfurt und Bad Kissingen an, in denen wir Kunden nicht direkt beliefern." In Burkardroth, Fuchsstadt, Oberthulba, auf der Würzburger Talavera und anderswo stehen dann die "Bauernhof-Flitzer" und verkaufen Ware.

Der Clou daran: "Die Kunden holen dort nur ihre vorbestellte Ware ab. Die Fahrzeuge stehen in der Regel nur 15 Minuten am Ort", so Dallmann. Bestellt wird ganz überwiegend online, bezahlt wird bei Abholung oder per Überweisung. Im Durchschnitt kaufen die einmal im Monat belieferten Hauskunden für 50 bis 60 Euro ein, sagt Dallmann. Für das Ausliefern von Waren ist keine Ausbildung nötig, in einer Metzgerei wird dagegen Fachpersonal benötigt. "Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in unsere Logistik investiert, das funktioniert jetzt."

Das Geschäft mit der Online-Wurst

Gemeinsam mit ihrem Vater Richard Merklein betreibt Katja Dallmann einen landwirtschaftlichen Betrieb mit  rund 25 Kühen, 120 Mastrindern und 350 Puten. Die Puten werden auf dem Hof geschlachtet und verarbeitet. Zwei Rinder pro Woche werden in der Regel freitags zum Schlachter nach Arnstein gefahren, samstags geviertelt abgeholt und montags zerlegt. Sechs bis zehn Schweine pro Woche kaufen die Dallmanns in Retzbach, holen sie dort ab und bringen sie nach Stetten zum Schlachten.

"Wir wollen nicht zu einer Großschlachterei, sondern fahren zu einem kleinen Metzger", erklärt Katja Dallmann. "Die Qualität des Fleischs hängt enorm von der Schlachtung ab", davon ist sie überzeugt. Deshalb geht das Unternehmen nun ein Großprojekt an, "das mir schon lange im Kopf rumgeht", so Dallmann: Die alte Scheune in Aschfeld soll zu einem modernen Schlachthaus werden.

Zusage für Fördermittel

Das Gebäude muss entkernt werden, das Dach erhöht, "es sind jede Menge Gesetze und EU-Richtlinien einzuhalten", sagt Mitarbeiterin Julia Schmidt. "Wir sind in unseren 40ern, es ist jetzt die letzte Chance, das anzupacken", sagt Katja Dallmann. 20 Jahre werde es wohl dauern, bis sich die Investition von 1,6 Millionen Euro amortisiert. Die Baugenehmigung erhielten Dallmanns vor Ostern, nun endlich liegt eine mündliche Zusage für einen 20-prozentigen Bauzuschuss durch das Strukturförderprogramm des Freistaats vor.

 Aber bei einem derartigen Projekt spielt nicht nur das Geld eine Rolle, sondern auch die Kundenbindung. Und da hatten Dallmann und Schmidt eine in dieser Region noch unbekannte Idee. "Wir wollten die Kunden mit einbeziehen und kamen auf Genussrechte", erzählen sie. Das Prinzip: Ein Kunde beteiligt sich für mindestens 500 Euro, angelegt auf fünf Jahre. Dafür enthält er entweder – Variante 1 – ein Prozent Verzinsung pro Jahr, also fünf Euro, bar ausbezahlt. Oder er erhält – Variante 2 – drei Prozent Zinsen pro Jahr in Form von Genussscheinen, "im Klartext ein 15-Euro- Warengutschein", so Schmidt. Zusätzlich gibt's zwei Prozent Rabatt auf jeden Einkauf. Nach fünf Jahren können die Zeichner ihre Einlage zurückfordern – mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten jeweils zum Ende des Kalenderjahres, oder um fünf weitere Jahre verlängern.

Maximal 200 Genussrechte sollen vergeben werden, das ergäbe 100 000 Euro. Eine Einzelperson kann höchstens fünf Anteile im Gesamtwert von 2500 Euro zeichnen. Dallmann stellt klar: "Wir betteln nicht um Geld. Diese 100 000 Euro sind ein finanzieller Puffer und nicht zwingend nötig für den Bau." Aber sie ist überzeugt davon, dass diese Beteiligung den Kunden ein anderes Gefühl beim Einkauf gibt und sie an den Betrieb bindet. Julia Schmidt findet diese Ideen so interessant, dass sie nach Abschluss ihres Landwirtschaftsstudiums von Berlin nach Aschfeld gezogen ist. Seit Monatsanfang ist sie neue Mitarbeiterin in Elviras Bauernladen, eingebunden in Produktion und Marketing. 

Infoveranstaltung für Interessierte

Die Bauarbeiten in Aschfeld werden in Kürze beginnen. "Wir fangen mit dem Innenausbau an, im Frühjahr kommt dann das Dach runter", erklärt Dallmann. Im Herbst 2020 soll das Schlachthaus in Betrieb gehen. Das Ziel ist, dass alle eigenen Tiere im eigenen Betrieb geschlachtet werden. "Wir können und wollen auch für andere schlachten."   

Der Zeitgeist geht an Aschfeld nicht vorbei. "Ich sage meinen Kunden, dass zweimal Fleisch die Woche genügt", so Dallmann. "Aber man sollte wissen, wo das Fleisch herkommt, wie es den Tieren erging." Dafür, dass es den Tieren in Aschfeld gut geht, verbürgt sie sich. "Und bald sind die Tiere bis zum Ende in vertrauter Umgebung und Betreuung."

Am Montag, 21. Oktober, ab 18 Uhr lädt Elviras Bauernladen zu einer Info-Veranstaltung in die Schwenk-Kantine. Auch Vertreter von Bioland und der Beratungsfirma Genuss-Invest werden zugegen sein. Interessierte werden gebeten, sich bis zum Donnerstag, 17. Oktober, anzumelden unter info@elviras-bauernladen.de oder telefonisch unter 0152/51044000.

Metzgereien-Rückgang
Von bundesweit knapp 12 000 Metzgereien der Fleischer-Innung sind 3160 in Bayern ansässig – mehr als in jedem anderen Bundesland. Dazu kommen Filialen und mobile Verkaufsstätten, die vor allem auf Märkten anzutreffen sind. Pro 100 000 Einwohner gibt es in Bayern 37 Innungs-Metzgereien; in Thüringen sind es 42 pro 100 000 Einwohner. In Berlin und Hamburg sind es jeweils nur sechs Innungs-Betriebe pro 100 000 Einwohner.
Von der Schließung bestehender Betriebe ist Bayern in absoluten Zahlen stärker betroffen als andere Bundesländer. Die Anzahl selbstständiger Betriebe ging 2018 bundesweit um 443 zurück; im ersten Halbjahr 2019 sank die Zahl bundesweit um 181, in Bayern allein um 64.

Quelle: Jahresbericht 2018 des Deutschen Fleischerei-Fachverbands.

 
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  • clubfan2@gmx.de
    und wieder wird der "Fahrer" als Depp hingestellt
    von wegen keine Ausbildung...

    nen Führerschein brauchts schon mal
    und etwas Ortskenntnisse wären auch net verkehrt...

    kein Wunder das keiner mehr fahren will

    und das gilt jetzt nicht nur für diesen Artikel
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  • Ironic
    Der Fahrer ist kein Depp. Und das steht da ja auch nicht.

    Ein Führerschein ist halt nun mal keine "Ausbildung". Und wenn er "nur" ausliefert, muss er/sie eben kein Fleischereifachverkäufer*in sein. Genau so ist das da oben gemeint.
    Ortskenntnisse sind zwar nicht von Nachteil. Aber mit einem Navi kann jeder, der 1-2 mal mitgefahren ist, alleine Fahren. Genau wie ein Zusteller. Auch das ist keine "Ausbildung".
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  • Luigi171
    Ich kann nicht erkennen, dass hier Fahrer als "Deppen" dargestellt werden. Fakt ist, dass Fachpersonal eine "fachliche Qualifikation" erwerben und nachweisen müssen. Der Erwerb eines Führerscheins in niedrigen Klassen ist wohl keine fachliche Qualifikation, sondern Minimalvoraussetzung um in vielen Berufen überhaupt eine Bewerbung vorlegen zu können. Daher gibt es auch den "Berufskraftfahrer" die sehrwohl eine fachliche Qualifikation erworben haben, insbesondere in den höheren Klassen.
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  • Albatros
    Das ist der richtige Weg, ich hoffe nur dass nicht wieder irgendwelche Hinderungsgründe aus Brüssel, den Erfolg verhindern. Dieses Prinzip hatten wir in Deutschland vor 60 Jahren, nur in kleineren Dimensionen. Aber dann kam die Zeit wo man nur noch in XXL denken wollte, möglichst viel für wenig Geld. Also hat man die Bauern regelrecht totsubventioniert. Die Milch hat man lieber aus Frankreich geholt und unsere Bauern haben ihre nicht bezahlte Milch in den Gulli geschüttet. Kleinviehaltung war ebenso nicht mehr gefragt, erst ab 150 Milchkühen galt man als Bauer. Heute arbeiten gerade mal noch 30 % im Vergleich zu 1960 in der Landwirtschaft. Monokultur heißt das Schlagwort, einseitiger Anbau, selbstverständlich subventioniert. Jetzt heißt es "back to the roots", als ob es so einfach wäre. Ich wünsche Elviras Bauernladen viel Erfolg und dass nicht irgendwelche Holzköpfe in der Verwaltung wieder ein Haar in der Suppe finden mögen.
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  • Luigi171
    Das nenne ich mal eine interessante Sache. Respekt Frau Dallmann! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
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