
Hart und entbehrungsreich war das Leben für die Menschen in Aschfeld nach dem Zweiten Weltkrieg. Achtstundentag, Vorruhestandsregelungen oder gar Urlaub waren absolute Fremdworte. Die Arbeit auf dem Land prägte und zeichnete alle gleichermaßen. Doch dies brachte auch viele Urtypen, Menschen mit Ecken und Kanten hervor, Leute, die der Aschfelder Fotograf und ehemalige Förster Siegfried Kimmel abgelichtet hat und nun gemeinsam mit Gosbert Stark und Lore Göbel in seinem beeindruckenden Bildband "Reste einer Zeit" vorstellt.
Auf über 50 Seiten blicken einen Gesichter von abgearbeiteten Menschen an, Menschen, die mit damals 60 Jahren aussehen wie heutige 90-jährige. Gelegentlich scheint auch mal ein ländliches Idyll durch, auf der Weide mit den Schafen, ein kurzes glückliches Spiel mit den Stallhasen oder eine kleine Auszeit mit Pfeife im Schelch auf dem Aschbach. Aber fast immer wird gearbeitet.

Der studierte Grafiker, Graveur und spätere Förster Siegfried Kimmel hat diese Bilder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in seinem Heimatdorf eingefangen, mit einer "Leica-Flex" oder einer "Hasselblad-Kamera", die mit einem 6 mal 6 Zentimeterformat die damalige Spitze der Fotoapparate darstellte. Doch er ist nicht nur bloßer Chronist, er zeichnet mit seiner Kamera, lenkt mit sorgfältig gewählter Tiefenschärfe und Belichtung ohne moderne Messtechnik den Blick auf das Wesentliche. Viele seiner Bilder sind in schwarz-weiß gehalten, nur die wenigsten nachträglich mit einem Bildbearbeitungsprogramm optimiert. Man sieht diesen Aufnahmen an, dass die heutige Methode – zehn Bilder schießen und das beste auswählen – nicht funktionierte.
Erschütternde Aufzeichnungen von Anna Weißenberger
Eine besondere Ergänzung zu den bemerkenswerten Bildern sind die beigefügten Texte von Gosbert Stark und Lore Göbel. Die beiden Männer kennen sich schon seit den 70er-Jahren vom Grafikstudium in Würzburg, Göbel ist als "Mutter der Aschfelder Kirchenburg" wie keine andere in ihrem Heimatdorf vernetzt.
Aschfeld war einst das ärmste Dorf im Altlandkreis Karlstadt, fast jede Familie hatte einen kleinen Bauernhof, um so leidlich zu überleben. Oft reichte das Futter oder die Einstreu für die Tiere nicht und man musste die Feldraine abgrasen oder Laub und Moos aus den Wäldern holen.
Besonders erschütternd sind die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen von Anna Weißenberger, die in gestochener Sütterlin-Schrift die damaligen Lebensumstände aufzeigt. Gosbert Stark hat diese Texte übertragen. Da ist von ärmlichen Wohnstuben mit morschen Möbeln die Rede, von fehlenden Betten und von Watteröcken, die anstelle einer Bettdecke wärmen sollten. In der Küche gab es keinen Stuhl und keinen Tisch, nur einen Schrank. Der Rauch aus dem Lehmherd quoll an den Töpfen vorbei an die Zimmerdecke. Heute unvorstellbar und menschenunwürdig – damals Standard. Der Bildband kann durchaus ein Spiegel sein für die heutigen Ansprüche unserer Gesellschaft.
Die Autoren arbeiten schon an einem zweiten Band "Menschen, Mühlen und bäuerliches Leben in Franken".
Die drei Herausgeber stellen "Reste einer Zeit" am Tag des Offenen Denkmals, 11. September, in Aschfeld vor. Es wird im Eigenverlag herausgegeben und soll am Erscheinungstag statt 28 nur 25 Euro kosten. Später ist der Bildband in der Gemeindekanzlei, beim "Frohsinnsverein", in der Auskunftei von Aschfeld und beim Bäckerladen erhältlich.
