"Die Welt ist halt klein geworden!" Dieser Ausruf war in den 1960er Jahren in den Urlaubsorten an der italienischen Adria häufiger zu hören. Hatte man doch gerade wieder ein MAR-Autokennzeichen auf einem Parkplatz gesichtet oder am "Teutonengrill" eine bekannte Familie aus einem Nachbarort am Strand entdeckt.
Im Marktheidenfelder Franck-Haus fällt dieser Satz gegenwärtig auch wieder. Denn auf einer Weltkarte zeigen Stecknadeln mit bunten Vögelchen die rund 80 Länder, aus denen gegenwärtig Menschen in Marktheidenfeld zusammenleben. Im Rahmen der Wanderausstellung "Woher – Wohin" des Bezirks Unterfranken und des Würzburger Museums für Franken befasst man sich bis Ende August noch mit dem Thema Migration in Vergangenheit und Gegenwart. Viele Aspekte kommen dabei zur Sprache.
Der Historische Verein Marktheidenfeld ergänzte die multimediale Schau um örtliche Gesichtspunkte. Neben so vorgestellten Themen der Auswanderung aus der Region trug Franck-Haus-Mitarbeiterin Valentina Harth aktuelle Daten des Einwohnermeldeamts zur Zuwanderung in die Stadt zusammen und stellte sie anschaulich auf zwei Info-Tafeln zusammen. Manches überrascht dabei.
14 Prozent haben einen ausländischen Pass
"Marktheidenfeld ist bunt" – was manchen noch als politische Parole erscheinen mag, beschreibt mit wenigen Worten die Realität der heutigen Stadtgesellschaft. Bundesweit sprechen Statistiker von einem Einwohneranteil von etwa einem Viertel mit "Migrationshintergrund".
Im Mai 2021 zählte Marktheidenfeld 11 915 Einwohnerinnen und Einwohner mit Haupt- und Nebenwohnsitz. Von diesen hatten 1659, also knapp 14 Prozent, einen ausländischen Pass, einschließlich kleiner Gruppen mit mehrfachen Staatsangehörigkeiten oder rechtlichen Sonderfällen wie der Staatenlosigkeit. Da mit Übernahme der deutschen Staatsangehörigkeit und der Aufgabe der vorherigen die Gründe für eine Erfassung durch die Meldebehörde entfallen, dürfte Marktheidenfeld im Hinblick auf das Migrationsgeschehen also in etwa dem bundesweiten Trend entsprechen.
Differenziert man die erfassten Staatsangehörigkeiten nach Kontinenten so stammt das Gros der Zuwanderer mit gut zwei Dritteln aus europäischen Ländern einschließlich Russlands und der Türkei. Mit 20 Prozent folgt Asien, wobei hier die Krisensituationen in Afghanistan, Syrien oder dem Irak bei den Staatsangehörigkeiten auch mit Blick auf die Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen eine spürbare Rolle spielen dürfte. Es folgen Afrika mit 5,5 Prozent und Amerika mit 2,5 Prozent.
Welche Zahlen oft für Verblüffung sorgen
Für große Verblüffung sorgt bei den Gästen regelmäßig die Aufstellung nach den einzelnen Herkunftsländern. Viele waren sich völlig sicher, dass die türkische Herkunft auch in Marktheidenfeld dominieren würde. Bei den ausländischen Staatsangehörigkeiten wird diese Gruppe mit etwa 10 Prozent aber heute von der aus Rumänien mit 14 Prozent deutlich übertroffen. Es folgen die Länder Afghanistan mit sieben Prozent, Bosnien-Herzegowina mit jeweils sechs Prozent, Polen und Syrien mit je fünf Prozent, sowie Bulgarien, Österreich, Italien, Kosovo, Russland und Serbien mit kleineren Anteilen unter den zwölf größten Gruppen (siehe nebenstehende Grafik).
Außerhalb der in der Ausstellung dargestellten Zahlen lohnt auch ein Blick in die bayerische Kommunalstatistik. Dort wird deutlich, wie überraschend hoch der Anteil von Zu- und Wegzügen aus der Stadt ist, wobei die Frage ausländischer Staatsangehörigkeit offen bleibt. In den vergangenen Jahren werden unabhängig von Geburts- und Sterbezahlen jährliche Zuzüge in einer Größenordnung von 850 bis 950 Personen und Fortzüge von 700 bis 770 Personen verzeichnet. Damit ist ein Austausch und Anwachsen der Stadtbevölkerung von alljährlich um die sieben Prozent verbunden, der das Überwiegen der Sterbefälle mehr als kompensiert.
Besonderer Blick auf Türkisch-Islamische Gemeinde
In der Ausstellung berichtet eine viel beachtete Vitrine mit kunsthandwerklichen Objekten von der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Marktheidenfeld. Eine Bilderserie, die über zwei Jahrzehnte für die Presseberichterstattung entstand, erzählt in Schlaglichtern vom Leben in deren Gemeindezentrum an der Udo-Lermann-Straße.
Von einer netten Anekdote sei an dieser Stelle auch berichtet. Kommen Gäste aus dem Norden oder Osten Deutschlands an den Main ins Franck-Haus, nehmen sie wie alle anderen gerne an einem Tisch Platz. An diesem wird anhand von Kochrezepten davon berichtet, wie die Migration unsere Küche und Kulinarik weiterentwickelt hat. Dabei entdecken sie häufig ihr fremdartigstes und das in ihren Ohren am exotischsten klingende Gericht: "Blaue Zipfel".
Die Ausstellung "Woher – Wohin, vom Ankommen und Weggehen" des Bezirks Unterfranken ist bis 29. August 2021 im vorderen Galeriebereich des Franck-Hauses, Untertorstraße 6 in Marktheidenfeld, von Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr zu sehen.