
Bernhard Schneider aus Franken, Célin Morin-Weierich aus dem französischen Pompadour, die Schottin Tessa Feller und das "Lohrer Waschweib" Angelika Feuser haben anlässlich des Weltgästeführertags am Sonntag mehrsprachig ihre Lieblingsorte in Lohr vorgestellt. Zu der ungewöhnlichen Aktion der vier Stadtführer kamen über 50 Interessierte.
Anlass war der internationale Gästeführertag, den der Bundesverband der Gästeführer in Deutschland (BVGD) laut Feuser am 21. Februar 1999 ins Leben gerufen hat. Jedes Jahr gebe es rund um dieses Datum Sonderführungen zu bestimmten Themen, heuer zu "Lieblingsorten". Lohr beteiligte sich zum zweiten Mal an der BVGD-Aktion.
Célin Morin-Weierich steht besonders gerne vor dem Lohrer Schloss, ist es nach ihren Worten doch im 14. Jahrhundert im französischen Stil erbaut worden. Nachdem die Grafen von Rieneck durch geschickte Heiratspolitik zu Einfluss gekommen waren, habe der schlichte Wohnturm neben der Stadtpfarrkirche als Residenz nicht mehr gereicht, etwas Repräsentativeres musste her – eben das Schloss.
Kleider machen Leute
Man habe viel erfahren über die "besseren Herrschaften", kommentierte Angelika Feuser den Vortrag ihrer Kollegin. Schon unter den Rieneckern habe es geheißen: "Kleider machen Leute." Und um diese Kleider hätten sich die Waschweiber gekümmert.
Das sei auch dringend nötig gewesen, denn früher sei es "richtig, richtig dreckig" zugegangen. Vor 170 Jahren hätten sich auf dem Schlossplatz noch die Schweine gesuhlt. Mit der persönlichen Hygiene sei es nicht weit her gewesen, Flöhe hätten keine Standesunterschiede gemacht, schilderte Feuser die damaligen Lebensumstände.
Sie führte zu zweien ihrer Lieblingsorte, die mit Wasser, Waschen und dem Nachrichtenaustausch zu tun haben: zu den Bleichwiesen (heute Rexroth-Werk), wo die Wäsche in der Sonne bleichte, und zum Märchenbrunnen auf dem unteren Marktplatz. An den Bleichwiesen fand Célin Morin-Weierich einen Bezug zu ihrer Heimat, denn neben den Wiesen stand die Lohrer Spiegelmanufaktur, in der französische Fachleute ihr Wissen einbrachten.
Zirkus auf Keßler-Platz
Tessa Feller hat es die städtische Anlage angetan, weil sie als "englischer Garten" angelegt wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sei der an die Natur angelehnte englische Landschaftsgarten in ganz Europa in Mode gekommen und habe den französischen Barockgarten mit seinen geometrischen Formen abgelöst. Besonders gefällt ihr die Ulme, die ein Naturdenkmal ist. In ihrer Heimat habe sie nie eine Ulme gesehen, denn diese seien alle einem Schädling zum Opfer gefallen, berichtete sie.

Die Schaffung der Parkanlage zeige, dass Lohr "immer auf der Höhe der Zeit gewesen ist", meinte Bernhard Schneider. Er stellte zwei seiner Lieblingsplätze vor, den Schlachthausplatz mit dem "Fischbrunnen" und den Bürgermeister-Keßler-Platz am alten Gymnasium. Aus beiden werde zu wenig gemacht, kritisierte der Stadtführer.
Der Schlachthausplatz "könnte ein Lieblingsplatz sein, wenn hier endlich mal was passieren würde", meinte Schneider mit Blick auf Umgestaltungspläne, die längst wieder in der Schublade verschwunden sind. Mit dem Bürgermeister-Keßler-Platz ließe sich mehr machen: Vor 100 Jahren habe dort ein Zirkus gastiert, wie unlängst in einem historischen Rückblick zu lesen gewesen sei.