Geht es nach dem Lohrer Forstbetriebsleiter Michael Neuner, werden im Lohrer Stadtwald bald wieder mehr Eichen wachsen. Das ist eine seiner Strategien, um auf den Klimawandel zu reagieren. Außerdem auf dem Programm für die Zukunft: den Holzvorrat aufbauen, die Biodiversität stärken und gleichzeitig Geld verdienen. Wie er sich das vorstellt, hat er den Stadträten bei einer Waldfahrt gezeigt, denn am Ende Juli legt das Gremium die Ausrichtung des Forstbetriebs für die kommenden 20 Jahre fest.
Statt im Sitzungssaal des Rathauses tagten die Räte im Revier "Dicker Rhon", für das Revierleiter Jörg Boshof zuständig ist. Zentral im Lohrer Stadtwald gelegen, zwischen Lohr, Rechtenbach und Partenstein, wachsen dort alte Buchenwälder. Auf der Tagesordnung standen unter dem grünen Blätterdach die Ergebnisse der Waldinventur und die Planung für die Zukunft – pädagogisch umgesetzt mit Stationen im Wald und praktischen Übungen. Ein Hinweis auf die Vergangenheit des heutigen Forstbetriebsleiters Michael Neuner als Lehrer an der Lohrer Fortschule. Er betonte gleich zu Beginn: "Das ist heute für mich der wichtigste Termin." Den Wald zu verwalten, sei für ihn eine Herzensangelegenheit.
Dabei waren außerdem Mitglieder der Stadtverwaltung, Forstsachverständiger Alfred Raunecker sowie drei Experten des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), Amtsleiter Ludwig Angerer, Wolfgang Grimm, Bereichsleiter Forsten, und Christoph Kirchner, zuständiger Abteilungsleiter.
Bevor die Ergebnisse der Inventur vorgestellt wurden, präsentierte Alfred Raunecker mit Unterstützung von Grünen-Stadtrat Wolfgang Weis, wie man im Wald Bäume zählt. Bei einer weiteren praktischen Übung durfte ein Team aus der Verwaltung auswählen, welche Bäume auf einer Fläche gefällt werden und die Ergebnisse dann mit der Auswahl von Revierleiter Jörg Boshof abgleichen. Neuners Ziel bei diesem Vorgehen: Zeigen, wie viele Aspekte für die Forstbetriebsplanung eine Rolle spielen - von Sturmschäden über Biotobbäume bis Klimawandel und Marktentwicklung.
Insgesamt recht gute Zahlen
Alfred Raunecker ist im vergangenen Winter an vielen Tagen mit seinen Messgeräten durch den Lohrer Wald "gestiefelt". Die Zahlen, die er mitgebracht hat, sind gut. Der Holzvorrat ist demnach seit 2001 von 414 auf 431 Vorratsfestmeter pro Hektar gestiegen. In Bayern liege der Wert bei durchschnittlich 396. Erntefähig, also verkaufbar, seien in diesem Jahr 350 Festmeter pro Hektar. Den Berechnungen der Inventursoftware zufolge speichert der Holzvorrat aktuell insgesamt 2,1 Millionen Tonnen CO2.
Raunecker hatte auch Informationen darüber mitgebracht, wie sich dieser Holzvorrat auf die verschiedenen Baumarten verteilt. Zum einen insgesamt, zum anderen mit Blick auf das Alter der Bestände. Insgesamt gesehen ist der Anteil der Nadelhölzer gesunken, von 37 auf 33 Prozent. Angesichts deren geringerer Widerstandskraft, insbesondere der Fichte, mit Blick auf den Klimawandel für die Forstleute eine positive Entwicklung. 45 Prozent der Bestände sind Buchen, 19 Prozent Eichen.
In der Altersverteilung fällt allerdings auf, dass im Stadtwald nur sehr wenige junge Eichen wachsen. Die größeren Eichenbestände im Lohrer Wald sind alle über 80 Jahre alt. In den jüngeren Beständen wachsen vorwiegend Buchen und bei den mittelalten Beständen, zwischen 40 und 100 Jahren, auch sehr viele Fichten. Wie Forstbetriebsleiter Neuner erläuterte, wachsen Eichen im Gegensatz zu Buchen nicht über Naturverjüngung, sondern müssen gezielt gezogen werden. Das wurde früher unter anderem gemacht, um Schweine zur Eichelmast in den Wald treiben zu können.
Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre
Neuner blickte zurück auf die wirtschaftliche Nutzung des Forsts in den vergangenen 20 Jahren. Durchschnittlich wurden jährlich rund 31.500 Festmeter genutzt. Das sind 110 Prozent des geplanten Hiebsatzes, der bei 28.500 Festmetern lag. Der Grund dafür waren zusätzliche Fällungen nach Stürmen, wegen Trockenschäden oder Käferbefall. Zu deutlichen Ausschlägen nach oben führten die großen Stürme von 2007 und 2018. Das Betriebsergebnis war bis auf 2002 immer positiv.
Das freute Neuner besonders. "Das ist der Beweis, dass man nachhaltig arbeiten, also ökologische und soziale Aspekten einfließen lassen, und trotzdem positiv wirtschaften kann." Da zeige sich das Engagement seines Amtsvorgängers Bernhard Rückert, der schon vor 25 Jahren begonnen hatte, den Wald ökologisch umzubauen. Die Totholzmenge ist von 10,3 auf 41,8 Festmeter pro Hektar gestiegen. Damit erreiche man die Schwelle, so Neuner, die viele Insekten für eine Ansiedelung bräuchten. Auch die Zahl der Biotopbäume, in und auf denen Tiere und Insekten leben, sei deutlich gestiegen.
Neuner: "Wir planen für 150 Jahre"
Mit Blick auf die Zukunft steckte der Lohrer Forstchef den Rahmen ab, innerhalb dessen sich der Lohrer Wald entwickeln kann. Er erinnerte daran, dass ein Teil des Stadtwalds zum FFH-Schutzgebiet Hainsimsen-Buchenwald gehöre. Dort seien nur bestimmte Baumarten gestattet. Ob andere, fremde Baumarten dem Klimawandel besser angepasst sind, könne man dort nicht ausprobieren. Als weitere Herausforderung nannte er die zeitlichen Horizonte. "Wir wissen nicht, wie in 40 Jahren das Klima ist, aber wir planen für 150 Jahre."
Christoph Kirchner, ebenfalls vom AELF, hatte Grafiken zur Klimaentwicklung mitgebracht. Anhand von Daten der Wald-Klimastation Würzburg zeigte er, dass dort seit Mitte Mai die Niederschläge in diesem Jahr wieder deutlich unter das langjährige Mittel gefallen sind. Während 2021 der verfügbare Wasservorrat im Sommer ausreichend war, geht der Trend 2022 in die gleiche Richtung wie 2018 und 2019, als die Wasserversorgung in der Vegetationszeit nicht mehr ausreichte. 2021 sei ein "Verschnaufjahr" gewesen, so Kirchner.
Wie sich das auf den Wald auswirkt, hänge von den Baumarten ab. Fichten dürften in 100 Jahren im Stadtwald eher nicht mehr wachsen, sagte er. Bei Buchen sei die Situation unklar, Eichen sollten aber ganz gute Wachstumsbedingungen haben.
Neuner setzt für die kommenden Jahrzehnte zum einen darauf, die Wälder geschlossen zu halten. Das mache sie weniger verletzbar, weil sie sich gegenseitig beschatten. Darüber hinaus schlägt er vor, eine neue und stärkere Mischung in den Wald zu bekommen. Außerhalb der Schutzgebiete könne man experimentieren. Innerhalb will er Eichen ziehen, wo infolge von Stürmen oder Käferbefall Raum dafür ist. "Das ist ein hoher Aufwand und eine hohe Investition", stellte er fest. Für eine Eichenkultur müsse man 15.000 bis 20.000 Euro pro Hektar rechnen, bis sie nach etwa zehn Jahren gesichert ist. Das Geld falle an für die Saat, die Pflege und eventuell einen Zaun.
Wirtschaftlich rechnet er mit einem Zuwachs von 34.500 Festmetern pro Jahr. 3000 davon sollten nicht genutzt werden, sie seien "eine Investition in Biodiversität", kommentierte AELF-Chef Angerer. Das sind beispielsweise Biotopbäume. Den Hiebsatz sieht Neuner zwischen 28.000 und 31.000 Festmetern pro Jahr. 85 Prozent des geernteten Holzes sollen verkauft werden, Ernteverluste von rund 15 Prozent als Totholz im Wald bleiben.