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Lohr
Mehr Bauch, weniger Muskeln
Gähnende Leere herrscht seit 1. November in den rund 10 000 deutschen Fitnessstudios wie dem Lohrer Fitness- und Boxcamp.
Foto: Klaus Werthmann | Gähnende Leere herrscht seit 1. November in den rund 10 000 deutschen Fitnessstudios wie dem Lohrer Fitness- und Boxcamp.
Klaus Werthmann
 |  aktualisiert: 11.02.2021 02:20 Uhr

Weniger Bauch, mehr Muskeln: Zu Jahresbeginn nehmen sich viele Menschen vor, Kilos zu verlieren und fitter zu werden. Davon profitieren die Fitnessstudios, die in dieser Zeit normalerweise die meisten Verträge abschließen. Doch heuer ist alles anders. Durch den verlängerten zweiten Corona-Lockdown bleiben die Sportstätten auf unbestimmte Zeit zu – und der alljährliche Schwung an neuen Anmeldungen bleibt in den Studios aus. Also sieht es eher nach mehr Bauch und weniger Muskeln aus.

"Es herrscht Stillstand. Wir müssen schauen, dass wir den Gesamtschaden auffangen. 2020 hatte ich schon beim ersten Lockdown wirtschaftlich abgeschrieben. 2021 im Grunde auch, das nehme ich zum Einpendeln", sagt Sven Amend, der gemeinsam mit seiner Frau Stephanie das Fitness- und Boxcamp in Lohr betreibt. Und Andrea Tomandl, die Geschäftsführerin des Lohrer Fitness- und Wellnesscenters Vitalis, betont: "Natürlich trifft es uns sehr hart, denn wir haben schon im November keine Beiträge mehr von unseren Mitgliedern eingezogen. Einige Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit."

Tatsächlich gehört die Fitnessindustrie in Deutschland neben dem Einzelhandel, dem Tourismus und der Gastronomie zu den Branchen, die am meisten unter der Corona-Pandemie leidet. Die rund 10 000 Fitnessstudios in Deutschland machten nach Angaben des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) 2020 ein Umsatzminus von fast einer Milliarde Euro. Der Lockdown ist aber nicht nur für viele deutsche Studios existenzbedrohend, sondern bedeutet auch, dass sich die rund 11,66 Millionen Mitglieder nicht mehr auf gewohnte Weise fit halten können.

Katalysator für neue Kunden

"Ganz einfach wird auch 2021 erst einmal nicht werden", prognostiziert Alfred Enzensberger, Gründer und Geschäftsführer der Clever Fit GmbH in einer Pressemitteilung. Die Franchise-Fitnesskette, die ihren Hauptsitz in Landsberg am Lech hat, agiert europaweit an mehr als 460 Standorten und ist auch in Lohr und Marktheidenfeld mit Studios vertreten. Trotz des Stillstands ist Enzensberger optimistisch: "Corona war und ist ein Innovationstreiber und ein Katalysator für neue Kundengruppen. Ich bin überzeugt davon, dass wir viele Mitglieder, die wir in den vergangenen Monaten verloren haben, schnell wieder reaktivieren können und dass großes Marktpotenzial durch das vermehrte Bewusstsein für das Thema Fitness als essenzielle Komponente eines gesunden Lebensstils auf uns wartet."

Andrea Tomandl sieht das ähnlich und betont: "Auch die aktuelle Situation bietet die Möglichkeit für Kreativität." Sie nutzt die Gelegenheit für den Umbau an der Haustechnik, die im normalen Geschäftsbetrieb nicht möglich wäre. Zudem werden neue Trainingsmethoden auf ihre Funktionalität getestet, Kurse ergänzt und das Wellnesshaus um neue Behandlungskonzepte erweitert.

Fit Camp als neues Konzept

Bei Sven Amend tut sich auch eine Menge. So wird das komplette Gebäude in der Jahnstraße 23, das seinem Mentor Wilhelm Ciufrida (Gemünden) gehört, mit neuem Konzept in ein Fit Camp mit eigenem Logo verwandelt. "Verschiedene Geschäfte, die mit Fitness und Gesundheit zu tun haben, schließen sich unter einem Dach zusammen und bilden das Fit Camp Lohr", erklärt Amend.

Neben seinem Fitness- und Boxcamp mit neuen Öffnungszeiten bis 24 Uhr wird der Lohrer Sven Gottschalk einziehen und Ernährungsberatung anbieten. Das schon ansässige Sonnenstudio Magic Sun wird ins Konzept einbezogen, ebenso das Sanitätshaus Haas, das zum 1. April seinen Sitz von der Vorstadtstraße in die Jahnstraße verlagern wird. Hinzukommen wird noch eine Praxis für Physiotherapie.

Bei allen in die Zukunft gerichteten Projekten ist aber klar, dass der zweite Lockdown für die Studios eine Katastrophe ist, wie Amend sagt: "Es ist für jeden hart. Das Thema Corona schüttelt keiner so schnell weg." Die staatlichen Hilfen hat er beantragt und schon einen Teil erhalten, zudem hat er seinen Apparat heruntergefahren. Weil seine Trainer nicht fest angestellt sind, sondern auf 450-Euro-Basis arbeiten, sind die Nebenkosten gering. Er sagt: "Vom Verdienst her wird es die nächsten Monate erst einmal hart werden. Wir alle müssen in den sauren Apfel beißen, durchhalten und hoffen, dass es wieder in die andere Richtung geht. Ich kann aber leben und bin gesund, das ist für mich das Wichtigste."

Seit November hat Amend keine Beiträge von seinen Kunden eingezogen. Was schon abgebucht war, hat er zurücküberwiesen.

Tomandl ist sich sicher, dass es die Kunden nach dem Lockdown wieder in die Studios zieht: "Ich stelle fest, dass viele Menschen schon jetzt das große Bedürfnis haben, wieder etwas anderes zu sehen." Dass sie trotz eines kostenintensives Hygienekonzepts seit November schließen musste, versteht sie indes nicht so recht: "Man fragt sich schon, auf welcher Grundlage dieser extreme Lockdown in unserer Branche seine Berechtigung findet."

Der DSSV weist darauf hin, dass die Safe-Active-Studie des europäischen Branchenverbandes Europe-Active ein extrem niedriges Covid-19-Risiko für die Fitness- und Gesundheitsanlagen belege, die umfassende Sicherheits- und Hygienemaßnahmen etabliert hatten. Analysiert wurden ab 25. September europaweit 62 Millionen Besuche in Fitnesseinrichtungen mit dem Ergebnis von 487 positiven Fällen. Die durchschnittliche Infektionsrate lag bei 0,78 pro 100 000 Besuchen und ist laut DSSV weit entfernt von der kritischen Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern je Region binnen einer Woche.

Staatliche Hilfe für Fitnessstudios

Schnelle, unbürokratische und massive Hilfen hat der Staat den Fitnessstudios versprochen. Unternehmen, die wegen des Lockdowns seit 1. November ihr Geschäft schließen mussten, bekommen 75 Prozent ihres Umsatzes erstattet. Berechnungsgrundlage ist der erwirtschaftete Umsatz im November 2019.
Voraussetzung ist, dass das Unternehmen nicht mehr als 50 Mitarbeiter hat und Umsatzeinbrüche nachweisen kann. Die Anträge hierzu gibt es auf der Plattform des Bundesministeriums für Energie und Wirtschaft. Andrea Tomandl, die Geschäftsführerin des Lohrer Fitness- und Wellnesscenters Vitalis, hat die Hilfen beantragt, sobald die Anträge verfügbar waren. Von schneller Hilfe kann sie nicht berichten: "Hier heißt es viel Geduld und einen langen Atem haben." Der Abschlag für den November war am 12. Januar auf ihrem Konto gebucht.
 
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