
Kann man mit den 24 Saiten auf vier Gitarren wirkliche Geschichten erzählen? Ja, wenn wie beim Machado-Quartett wahres Können aufeinander trifft. Anna Prüflinger, Perry Schack, Ingo Veit und Berni Prüflinger präsentierten am Samstag auf der Bühne im Marktheidenfelder Stadtgärtchen Meisterliches vor rund 100 Gästen, die Bürgermeister Thomas Stamm am Oberen Mainkai herzlich willkommen hieß.
Eine lebhafte Geschichte über Liebe, Eifersucht, Stolz und eine korrupte Obrigkeit erzählte das Quartett fast anschaulich mit einer Gitarren-Bearbeitung des Balletts "Der Dreispitz" des spanischen Komponisten Manuel de Falla. Die einzelnen Tänze, die in der Zeit des Ersten Weltkriegs entstanden, gerieten zum Höhepunkt. Sie standen im Programm "Viergefühl" für ein exzellent aufeinander abgestimmtes Gitarrenspiel in bewundernswerter Exaktheit und voll von mitreißender Spielfreude.
Zum vierten Mal stand das Quartett aus Oberbayern, das jüngst mit dem Global Music Award ausgezeichnet wurde und bereits in international renommierten Konzertsälen gastierte, nach dem Corona-Lockdown wieder auf der Bühne. Das Stadtgärtchen wirkte dabei offenbar atmosphärisch besonders inspirierend, denn Ingo Veit sprach in einer der angenehm unaufdringlichen Moderationen aus den Reihen des Ensembles nahe seines früheren Studienorts Würzburg von einem der wohl bezauberndsten Auftrittsorte.
Zusammenwirken auf höchstem Niveau
Im Mittelpunkt des Abends stand die Musik, die das Machado-Quartett als ihr eigenes Genre der "Guitarra Nueva" entwickeln. Man mag das als Anklang an die Erneuerung der Bandoneon-Musik durch den Tango Nuevo verstehen. Mit dem "Cité-Tango" und dem populären "Libertango" von Astor Piazolla standen auch zwei Schlüsselwerke des großen Argentiniers auf dem Programm.
Mit der schmeichelnden Melodie "Vianne", die Rachel Portman für den Film "Chocolat" geschrieben hatte, war der Abend begonnen worden. Die oftmals begeistert staunenden Zuhörerinnen und Zuhörer konnten sich überzeugen, wie kunstvoll zusammengefügte Bearbeitungen und Arrangements die virtuose Fingerfertigkeit aller Mitwirkenden herausforderten. Dabei haben die Vier durchaus unterschiedliche Wurzeln von Alter Musik, klassischer Gitarre und Tango hin zu Jazz, Pop und Weltmusik.
Verschiedenste Richtungen werden in Melodie und Rhythmik bei perfektem Zusammenwirken, in dem jedes Ensemblemitglied auf höchstem Niveau eine prägende Solorolle übernehmen kann, mit nur wenigen Effekten zu etwas Neuem und Überzeugendem geführt. Man mag eigentlich niemanden aus der Gruppe besonders hervorheben, aber Perry Schacks Jazzgitarre zeugte von geradezu überragender Spielkunst.
Ein besonderes Kapitel wurde mit drei Eigenkompositionen aus dem Lebensalbum von Berni Prüflinger, wie dieser es nannte, aufgeschlagen. Das träumerische Stück "Aksana" ist seiner Frau gewidmet. Von der kindlichen Lebhaftigkeit seiner Tochter berichtete "Emilie" und besonders bewegend erzählte "Zoe" von der Furcht und Trauer eines kleinen Mädchens, das durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine seine Familie verlor.
Musik von Led Zeppelin und den Beatles
Überhaupt war es die hohe Emotionalität meisterlicher Kompositionen, die an diesem einmaligen Abend in den Bann der Gitarre zog. Die kleine Liebeserklärung "Raquel" des kapverdischen Musikers Bau (Rufino Almeida) für den Film "Hable con ella" (Sprich mit ihr) von Pedro Almodóvar erwies sich als klangvolles Kabinettstückchen neben dem Oscar-prämierten Song "City of Stars" von Justin Hurwitz aus dem Film "La La Land".
"What a Night"- das habe schon 1982 Art Garfunkel beim legendären Konzert im New Yorker Central Park ausgerufen, scherzte Ingo Veit am Ende. So war für die eifrig mit Applaus bedachten Zugaben das Feld für Pop und Rock geöffnet. Led Zeppelins "Stairway To Heaven" und "All You Need is Love" von den Beatles sorgten für die besondere Magie des Moments, die man sich im bescheidenen, aber so wunderbaren Stadtgärtchen noch öfter erhofft.