Fünf gegen einen und zwei Mädchen filmen die Schlägerei auch noch: Drei der Täter, die im Juli 2019 einen 14-Jährigen ans Mainufer in Marktheidenfeld lockten und ihn gemeinschaftlich verprügelten, wurden nun vor dem Amtsgericht Gemünden wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Auch die beiden anderen Täter werden belangt, weil sie damals noch minderjährig waren aber in einem nichtöffentlichem Verfahren.
Laut dem Sachbearbeiter der Polizei hatte die gewalttätige Abreibung am Mainufer eine etwa zehntägige Vorgeschichte. Zwei Gruppen von Jugendlichen hätten sich damals vor allem auf dem Schulweg regelmäßig gestritten, beleidigt und auch geschlagen. Er habe insgesamt acht Delikte ausmachen können. Der Geschädigte berichtete sogar von einem Vorfall, bei dem er mit einem Messer bedroht worden sei und gab zu "bevor er mich angreifen konnte, verpasste ich ihm eine".
Am Boden geschlagen und getreten
Das mag ein Grund gewesen sein, dass er wenige Tage später praktisch in einen Hinterhalt gelockt wurde. Ein Mädchen hatte dem damals 14-Jährigen geschrieben, sich mit ihm Treffen zu wollen. Mehrere Zeugen und auch die zwei jüngeren der drei Angeklagten gaben in der Verhandlung an, die Sache sollte aus der Welt geschafft werden.
Zwei der Angeklagten kamen aggressiv auf den Jugendlichen zu und versuchten, ihn ins Gesicht zu schlagen. "Den Schlag konnte ich abwehren", erinnerte sich der 14-Jährige, danach sei er in Richtung Parkplatz weggerannt und mehrere Versuche, ihn durch Tritte zu Fall zu bringen, seien gescheitert. Doch dann habe ihn der älteste Angeklagte gestellt und "auf den Boden" befohlen. Gegen den kräftigen Mann Ende 20 habe er keine Chance gesehen, sich hingekniet und sein Gesicht mit den Händen geschützt. Es folgten Schläge und Tritte, er sei mindestens zehnmal getroffen worden, ehe die Gruppe überraschend von ihm abließ. Danach sei gleich die Polizei gekommen.
Zwei Wochen Rücken- und Kopfschmerzen
Gerufen hatte sie ein Hausmeister der Stadt Marktheidenfeld, der im städtischen Gärtchen die zwei minderjährigen Täter fand, die sich offenbar verstecken wollten. Auf eine geplante Racheaktion deutet hin, dass der ältere Angeklagte in den WhatsApp-Nachrichten vom Vortag als "Onkel" bezeichnet wurde, der dabei sein sollte und so brutal werden könne, dass selbst sein Neffe Angst vor ihm habe.
In der Verhandlung ließen sich nur die beiden jüngeren Angeklagten ein. Der eine sagte, er sei damals halt mitgegangen, ansonsten kenne er den Jungen ja gar nicht. Der andere sprach von einer Problemlösung und dass er mit dem Schüler hatte reden wollen. Nach seiner Beobachtung war der Schüler hinterher nicht verletzt, nur ein bisschen rot im Gesicht.
Der 14-Jährige litt rund zwei Wochen unter erheblichen Rücken- und Kopfschmerzen, die auch zu Schlafstörungen führten. Außerdem hatte er Hämatome, Prellungen und Schürfwunden. Er schloss sich dem Verfahren als Nebenkläger an, sein Anwalt beantragte im Adhäsionsverfahren erfolgreich ein Schmerzensgeld.
Staatsanwaltschaft forderte 600 Euro Schmerzensgeld
Die beiden jüngeren Angeklagten kamen als Geflohene nach Deutschland und leben derzeit im Landkreis Main-Spessart beziehungsweise in Würzburg. Beide waren zum Tatzeitpunkt nur noch Monate von ihrem 21. Geburtstag entfernt, dennoch schlug das Jugendamt die Anwendung von Jugendstrafrecht vor. Der "Onkel" aus dem Raum Marktheidenfeld musste sich dagegen nach Erwachsenenstrafrecht verantworten, er ist Anfang 30 und hat als Lediger fünf Kinder.
Die Staatsanwältin zeigte in ihrem Plädoyer den Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren auf. Bei der gemeinschaftlichen Begehung komme es nicht darauf an, wer welchen Schlag oder Tritt gesetzt habe. Für die beiden damals Heranwachsenden beantragte sie je vier Wochen Dauerarrest, für den erwachsenen Täter acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie für alle ein gesamtschuldnerisches Schmerzensgeld von 600 Euro.
Der Anwalt des Opfers sah keinen Grund für die Anwendung von Jugendrecht. Zum einen seien die beiden Geflüchteten nur knapp unter 21 Jahren alt gewesen, zum anderen erfordere die Organisation einer Flucht ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Verantwortung. Er beantragte jeweils zwölf Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Der Verteidiger des älteren Angeklagten sprach dagegen vom geringen Tatbeitrag seines Mandanten, wofür eine sechsmonatige Freiheitsstrafe ausreichend sei. Die 600 Euro Schmerzensgeld hielt er für angemessen.
Urteil 2400 Euro für Opferhilfe Bayern
Richter Volker Büchs bewertete die Zeugenaussagen und Tatbeiträge aber anders. Sein Urteil lautete zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung mit 2400 Euro Geldauflage in 20 Monatsraten für die Stiftung Opferhilfe in Bayern für den älteren Angeklagten, sowie je eine Woche Dauerarrest für die jüngeren Täter. Dazu kommen die gesamtschuldnerischen 600 Euro Schmerzensgeld. "Selbstjustiz darf nicht sein", appellierte Büchs. Konflikte unter Schülern mit Gewalt lösen zu wollen, sei für jemanden Anfang 30 mit Kindern völlig unakzeptabel. Die Dauerarreste habe er auf eine Woche begrenzt, weil sich das ohne Gefahr für die Arbeitsstelle verbüßen lasse. Die Bewährungsauflage solle weh tun.
Das Urteil nach Erwachsenenstrafrecht ist noch nicht rechtskräftig, die jüngeren Täter nahmen ihre Strafen an.