Mariabuchen war und ist für viele eine Kraftquelle und Zufluchtsort – und meine Heimat“: Anneliese Brey gehört zu diesem Ort wie kaum eine andere. Seit fast 80 Jahren ist sie mit Mariabuchen verwurzelt und führt hier in dritter Generation ihren Devotionalienladen. Ruhetage kennt sie in der von Ende März bis Ende Oktober währenden Saison nicht, ihr „Kiosk“ hat täglich geöffnet. Vieles hat Brey in all den Jahren erlebt und viel gesehen. Mariabuchen ist Teil ihres Lebens.
Was einst als „Missions- und Wallfahrtswarenhandlung“ der Eheleute August und Franziska Höhnlein aus Sendelbach begann, etablierte sich über die Jahrzehnte zu einem ansehnlichen Kiosk mit religiösen Artikeln, Souvenirs, Spielwaren und Süßigkeiten. Breys Großeltern waren es, die in den 1930er Jahren die Idee und den Mut hatten, gemeinsam mit Tochter Imina den Laden auf ihrem Privatgrundstück, erworben von Baron von Hutten, zu bauen. Der Schwiegersohn leitete die Sendelbacher Schreinerei Imhof und brachte sein Können und Wissen unterstützend ein.
Tauschhandel besänftigte den Superior
Die Bauphase zeigte sich jedoch nicht immer reibungslos. Der zu jener Zeit in Mariabuchen tätige Superior der Kapuziner stand dem Vorhaben ablehnend gegenüber und ließ kurzerhand einen zwei Meter hohen Zaun vor den Laden errichten. Nur mühsam und mit gerichtlichem Einwirken fand man einen guten Kompromiss. Der Brunnen, den die Wallfahrer aus Fulda 1912 dem Wallfahrtswerk Mariabuchen gestiftet hatten, stand auf privaten Grund der Familie Höhnlein. Es kam zu einem Tauschhandel: Der Brunnen ging ans Kloster über, dafür wurde der Zaun vor dem Kiosk wieder beseitigt.
„Es gab hier nicht immer nur rosige Tage“, blickt Anneliese Brey, die Enkelin Höhnleins, nachdenklich zurück, „doch überwiegen natürlich die vielen schönen Zeiten, die ich erleben durfte und die Mariabuchen zu meinem Lebenselixier machten.“ Sie wuchs in den Familienbetrieb mit hinein, jeden Sonntag waren sie vor Ort, um ihre Waren zu verkaufen. Gerne erinnert sie sich an das wöchentliche „Bratwurst- und Sauerkrautessen“ mit den Besitzern der anderen vier Devotionalienläden. Wenn Sonntag um 9.30 Uhr der Gottesdienst in der Wallfahrtskirche begann, traf man sich im gegenüberliegenden „Buchenstüble“ zum gemeinsamen Essen, Lachen und Erzählen – denn „es gab ja sonst kaum freie Zeit dafür“.
An den Souvenirläden war immer Hochbetrieb, das Angebot war sehr gefragt. Mariabuchen sei vor allem nach dem Krieg eine große Anlaufstelle für all jene gewesen, die auf der Suche nach neuer Kraft, Lebensfreude und Trost waren. Und vor allem für die Kinder war der Kiosk etwas ganz Besonderes. Noch heute bekommt Brey Besuch von damaligen Kunden, die von früher erzählen und bestätigen, welch wichtige Bedeutung der Laden für sie hatte. Oft ist dann von den beliebten kleinen Gips-Pfeifchen gefüllt mit Liebesperlen, den sogenannten „Gipschen“ die Rede. Oder vom „Buchenkindle“ – ein kleines Püppchen gefertigt aus Zuckerware.
Ihren Mann Paul lernte Anneliese hier in Mariabuchen kennen: den Sohn der Familie Brey, Inhaber des Gasthauses „Buchenmühle“ im Tal unterhalb der Wallfahrtskapelle. 1962 heirateten die beiden, natürlich in Mariabuchen. In den 1970er Jahren übernahm Anneliese Brey den Kiosk von ihrer Mutter; seit dem Rentenbeginn 1998 ist sie täglich – nicht nur an Sonntagen – vor Ort.
Rund 30 Patres hat Anneliese Brey bisher in guter Nachbarschaft erleben dürfen. Die schönste und lustigste Erinnerung hat sie jedoch an Pater Walter Emmert, der von 1938 an als Superior in Mariabuchen wirkte und sehr beliebt und angesehen war. Als zu Kriegszeiten ein amerikanischer Flieger über Rettersbach abstürzte, nahm Emmert die beiden abgesprungenen amerikanischen Offiziere heimlich im Kloster auf und versorgte sie. Aus Dankbarkeit erhielt er dafür von ihnen zum 70. Geburtstag einen Motorroller, mit dem er von nun an zu seinen Aufgaben als Seelsorger unterwegs war.
Der korpulente Kapuzinerpater, der immer gut aufgelegt schien, bot auf der Vespa mit fliegender Kutte und wallendem Bart ein unvergessliches Bild. Der Motorroller wollte jedoch nicht immer so wie sein Fahrer. So kam es, dass die Eheleute Anneliese und Paul Brey den Pater einmal im Buchenbach liegend vorfanden, der Roller stand führerlos daneben. Während Paul den Pater nach Hause brachte, fuhr Anneliese den Roller zum Kloster zurück.
Wallfahrer übernachteten im Kiosk
Eine große Freude war und ist für Anneliese Brey die jährliche Wallfahrt aus Fulda, die sich seit 1892 traditionell zum Fest der Heiligen Dreifaltigkeit, am Sonntag nach Pfingsten, nach Mariabuchen auf den Weg macht. Über tausend Teilnehmer zählte einst diese Wallfahrtsgruppe. Eine abendliche Lichterprozession und das Nachtgebet in der Wallfahrtskapelle gehören noch heute dazu. Übernachtungsmöglichkeiten fanden sich immer vor Ort, unter anderem im Kiosk: „Sie haben auf dem Sofa geschlafen und auf dem Boden, der ganze Kiosk war voll – es gehörte dazu und war einfach schön.“ Noch heute steht Anneliese Brey bei der Ankunft der Fuldaer Wallfahrer am Lohrer Bahnhof und befördert das Gepäck der Teilnehmer durchs Buchental.
Viele Geschichten hat Anneliese Brey in Mariabuchen gehört und selbst erlebt, unzählige Gottesdienste und Wallfahrten hat sie aus ihrem Laden von der „ersten Reihe aus“ mitverfolgt. Der Zeitgeist hat sich geändert und nicht nur das Sortiment des Andenkenladens wurde weniger. Rosenkränze und Kerzen werden weiterhin gerne bei ihr gekauft – und Eis geht auch immer. Jeden Tag freut sie sich auf Mariabuchen; der Ort ist für Brey wie eine Tankstelle, in der sie Ausgleich und Zufriedenheit findet. „Und wenn es die Gesundheit zulässt, dann sitze ich noch mit 90 Jahren hier!“, ergänzt sie lächelnd.