
Es sind Sommerferien im Jahr 2016, dem Jahr der Anschläge von Nizza und des Putschversuchs in der Türkei. Wie sehr beeinflussen die Ereignisse das Reiseverhalten der Leute? Und wo zieht es die Karlstadter dieses Jahr überhaupt hin?
„Das beliebteste Reiseziel unserer Karlstadter Kunden ist und bleibt Spanien“, berichtet Nicole Joa-Kohlmann vom Reisebüro Joa in Karlstadt. Sie ist schon seit 17 Jahren in der Reisebranche tätig und hat bereits über 50 Länder selbst bereist. In diesem Jahr sei den Kunden vor allem der Sicherheitsaspekt sehr wichtig. Länder, in denen die politische Situation schwer einzuschätzen ist, wie etwa die Türkei, seien sehr schwach nachgefragt.
Als Reiseland praktisch tot
Auch Gert Hofmann vom Reisebüro Hofmann in Karlstadt kann das bestätigen: „Die Türkei ist als Reiseland praktisch tot. Ich kenne selbst sogar einige Türken aus Karlstadt, die sich entschieden haben, dieses Jahr nicht in ihre Heimat zu fahren.“ Aufgrund der Terroranschläge der letzten Monate gelte das für nahezu alle islamischen Länder. „Die Leute hören ständig von Terror und Chaos im Nahen Osten und werfen dann alles in eine Topf. Jedes Land, das auch nur im entferntesten etwas mit dem Islam zu tun hat, wird gemieden“, so Hofmann. Das trifft auch relativ sichere Reiseländer wie etwa Marokko.
Bei den Fernreisen stehe vor allem Kuba hoch im Kurs, wie Hofmann berichtet. Die Öffnung des jahrzehntelang von der Außenwelt nahezu abgeschotteten Inselstaates führe dieses Jahr zu einem regelrechten Hype. „Viele möchten das Land noch einmal so sehen, wie es die letzten Jahrzehnte ausgesehen hat, wollen das ursprüngliche Kuba kennenlerne, bevor es nach und nach amerikanisiert wird“, erklärt Gert Hofmann, der das Land selbst schon seit über 20 Jahren regelmäßig bereist. Bei Nicole Joa-Kohlmanns Kunden wird auch Asien ein immer beliebteres Fernreiseziel.
Die Wohnung fährt mit
Zwar nicht neu, aber immer beliebter sind Kreuzfahrten – um nähere wie auch fernere Länder zu bereisen. „Wenn vor Santorin am Abend zig Kreuzfahrtschiffe liegen, um sich den berühmten Sonnenuntergang anzuschauen, dann kann man da – auch wenn ich das Wort nicht gerne nenne – schon von einer Art Massentourismus sprechen. Kampfpreise, wie die für eine Atlantiküberquerung ab 900 Euro, machen das Vergnügen für jedermann erschwinglich“, berichtet Gert Hofmann.
Er führt die Beliebtheit weiterhin auf den Aspekt zurück, dass man während einer Kreuzfahrt nicht wirklich aktiv reisen muss, sondern „die Wohnung immer mitfährt“. Die Kreuzfahrt sei daher eine der bequemsten Möglichkeiten, weit herumzukommen.
Der Urlaub im eigenen Land bleibt weiterhin beliebt. So buchten etwa zehn Prozent der Kunden des Reisebüros Hofmann einen Urlaub in Deutschland. Auch Städtereisen seien nach wie vor gefragt. Lediglich Paris sei nach den Terroranschlägen etwas weniger bereist worden.
Ein oft überschätzter Konkurrent der Reisebüros ist das Internet. Schaden beispielsweise Plattformen wir „Airbnb“ den Reisebüros? Auf der Internetseite können private Vermieter Ferienunterkünfte zu Verfügung stellen. „Im Bereich der Städtereisen trifft das teilweise zu, weniger jedoch im Bereich Fern- und Pauschalreisen“, so Hofmann. „Es gibt Studien, dass heute die Menschen wieder öfter ins Reisebüro gehen“, berichtet auch Nicole Joa Kohlmann. Gert Hofmann führt das auf einen Vertrauensverlust der Kunden gegenüber den Internetportalen zurück, der vor allem mit dem Wirtschaftskrimi um die Internetfirma Unister zu tun habe (siehe Infokasten).
Meist lohne es sich auch gar nicht, im Internet zu buchen und dafür auf die persönliche Beratung im Reisebüro zu verzichten„Die Reisebüros greifen auf dieselbe Datenbank und denselben Anbieter zurück wie die Internetportale, die Preise sind da genau dieselben wie bei uns“, erklärt Gert Hofmann.
Der Fall Unister
Unister-Chef Thomas Wagner war am 14. Juli 2016 bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Millionen Menschen buchten und buchen auch weiterhin ihren Urlaub auf Unister-Portalen. Die wohl prominentesten sind die Plattformen „fluege.de“, „ab-in-den-urlaub.de“ oder „billigfluege.de“.
Nach dem Tod des Chefs beantragte Unister ein Insolvenzverfahren. Einige Tochtergesellschaften gingen pleite. Nach und nach kamen Probleme des Unternehmens mit der Justiz an die Öffentlichkeit. Die Anklagen lauteten auf unerlaubten Verkauf von Versicherungen, Steuerhinterziehung und bandenmäßigen Betrug beim Verkauf von Flugtickets. Feku