
"Bonjour mes élèves", begrüßt Französischlehrer Dominik Rüth die Klasse – zu Deutsch "Guten Tag, meine Schüler". Doch weder er noch ich und die anderen Schüler befinden sich gerade in einem Klassenzimmer. Und auch sonst ist eigentlich alles anders als in einer gewöhnlichen Französischstunde, denn der Unterricht findet wegen der Corona-Krise online statt.
Lediglich die Zeiten sind so geblieben wie immer. Wir von der 9d wählen uns zu den Französischstunden ganz gemäß dem normalen Stundenplan mit unseren Laptops ein. Manche tun dies auch mit ihrem Handy.
Unterricht über das Internet, vor ein paar Wochen war das für mich und viele andere Schüler noch undenkbar. Die Seite, über die unser Lehrer mit mir und meiner Klasse nun Unterricht hält, funktioniert ähnlich wie Skype. Er mailt uns allen den Link mit der Einladung zum virtuellen Meeting.
Niemand hebt die Hand
„Ich hoffe, ihr habt alle die Hausaufgaben gemacht. Wer sie vergessen hat, hebt mal bitte die Hand.“ Niemand meldet sich. Wie will der Lehrer allerdings auch überprüfen, ob ich die Übungen erledigt habe, wenn er mich nur in einem kleinen Fenster am Bildschirmrand sieht? „Alors, comparez vos devoirs avec la solution. – Vergleicht bitte eure Hausaufgabe mit der Lösung, die ich euch gleich zeige.“ Der Lehrer sitzt genau wie wir Schüler gerade daheim. Auf unseren Bildschirmen ist sein Hintergrund virtuell durch Grashalme ausgetauscht, sodass das Innere seiner Wohnung nicht mehr zu sehen ist.
„D‘abord, on chante ensemble. – Zunächst singen wir jetzt zusammen", ausnahmsweise ist es heute mal das deutsche Kirchenlied "Die güldne Sonne". Dabei ist es schwer nicht loszulachen, denn die Situation, wenn die ganze Klasse über Internet zusammen das Lied singt, ist einfach zu komisch.
„So, jetzt stelle ich euch auch mal wieder stumm, das sind mir schon wieder zu viele Hintergrundgeräusche“, sagt Rüth und stellt die Mikrofone aller Schüler aus. Das ist ein Vorteil für den Lehrer. Im realen Unterricht ist es nicht so einfach, das Schwätzen während der Stunde „auf stumm zu schalten“.
Zwischenfrage übers Handy
Neben dem Laptop geht mein Handybildschirm an. Eine Mitschülerin fragt über unsere Französisch-Whatsapp-Gruppe, ob jemand verstanden hat, was wir jetzt gleich nach der kleinen Pause zwischen den Doppelstunden nochmal besprechen. „Diesen Text da, den wo wir letzte Stunde schon angefangen haben“, antwortet jemand in typischer jugendlicher Umgangssprache.
Lehrer Rüth fährt nach der kurzen Pause gleich mit dem Unterricht fort. Es geht um die französischsprachige Region Quebec in Kanada. „Versucht anhand des Textes hier die Bedeutung der Worte, die es nur im kanadischen Französisch gibt, zu erschließen und schreibt alles auf.“
Während des Onlineunterrichts unbemerkt die Banknachbarin zu fragen, ist nahezu unmöglich, da alle – und somit auch der Lehrer – mithören können, was andere sagen. Doch stattdessen kann ich ja nun Google-Übersetzer fragen. Das geht schnell und ist meist auch zuverlässig.
Nicht so bald aufstehen
Wer geglaubt hatte, nun fünf Wochen frei zu haben, hat sich getäuscht. Wir müssen uns den Schulstoff oft selber beibringen, mithilfe von Büchern oder durch Recherche im Internet. Viele Lehrer schicken Arbeitsblätter, die bis zu einem bestimmten Datum bearbeitet und zurückgeschickt werden müssen. Bei Schwierigkeiten sollen wir die jeweilige Lehrkraft kontaktieren. Um nicht den Überblick zu verlieren, wurden wir angewiesen, ein Lernprotokoll zu führen, in dem alle Arbeitsaufträge und die benötigte Zeit notiert werden sollen.
Ein bisschen fühlt sich der Onlineunterricht wie Ferien an, denn ich muss nicht schon um 6 Uhr aufstehen und mit dem Bus in die Schule fahren. Doch man muss eine gewisse Disziplin aufbringen, um die Aufgaben selbststrukturiert zu erledigen und nicht den Anschluss zu verlieren.
Zum Ende des Unterrichts weist Französischlehrer Dominik Rüth nochmals alle zurecht, bloß daheim zu bleiben und den Kontakt mit anderen zu meiden. „Trefft euch doch auch im Internet oder telefoniert miteinander.“