
Die Temperaturen steigen, die Corona-Zahlen sinken und die Straßen füllen sich wieder mit Leben. Nach langen Monaten dürfen sich die Leute endlich wieder mit Freunden und Familie auf ein kühles Getränk im Biergarten oder ein Pizza bei ihrem Lieblingsitaliener treffen – ganz zur Freude der vom Lockdown geplagten Wirte. Doch nun stehen einige Gastronomen schon vor dem nächsten Problem. Vielerorts fehlt es an Mitarbeitern.
"Die Situation ist schlecht", sagt Rainer Kenner, Wirt der Liesl Karlstadt, über den derzeitigen Mangel an Personal in der Gastronomie. Die Fußball-Europameisterschaft könne er in seinem Biergarten wegen des fehlenden Personals dieses Jahr nicht zeigen. Ein großer Rückschlag für den Kneipenbetreiber nach über einem Jahr Pandemie.
Liesl Karlstadt kann keine Europameisterschaft zeigen
Vor einigen Wochen habe er seinen Aushilfen für das Turnier absagen müssen, da unter den strengeren Corona-Auflagen ein Public Viewing wenig sinnvoll gewesen wäre, berichtet er. "Jetzt wäre das kein Problem mehr, aber ohne Personal macht es keinen Sinn, 100 Leute in den Biergarten zu lassen. Das geht nicht." Einige seiner Aushilfen haben zwischenzeitlich andere Pläne gemacht, manche haben auch neue Jobs.
Kenner: "Ich arbeite mit vielen Studentinnen und Studenten. In der langen Zeit des Lockdowns haben sich einige eine neue Arbeit gesucht. Die mussten Geld verdienen und konnten nicht warten, bis die Gastro wieder aufmacht." Obwohl sein Lokal nun wieder öffnen darf, behalten einige seiner 450-Euro-Kräfte ihre neuen Jobs und fahren zweigleisig. Der Wirt hat Verständnis dafür, dass sie ihre Stellen nicht gleich wieder kündigen wollen. Das hat aber zur Folge, dass sein Personal nun auch weniger Stunden im Monat bei ihm bedienen kann. Andere seiner Mitarbeiter haben ganz bei ihm aufgehört.
Gastro ist für viele nicht freizeitfreundlich genug
Um der Knappheit entgegenzuwirken, sucht Kenner derzeit nach zusätzlichen Mitarbeitern, auch nach Vollzeitkräften. Aber das sei noch schwieriger, meint er. Woran das liegt, wisse er auch nicht so genau: "Der Service ist ein interessanter Job und gut bezahlt, vor allem wenn die Trinkgelder dazu kommen."
Der Liesl-Wirt ist mit diesen Nöten nicht alleine in der Region. Julia Schnabel vom Stadtmarketing Gemünden berichtet, dass sie sich bei den Gastronomen der Stadt umgehört hat: Keiner wolle die EM bei sich zeigen. Viele der Gastronomen hätten als einen Grund angegeben, dass ihr Personal einfach nicht ausreicht, um die Übertragung der Spiele zu stemmen, so Schnabel.
"Wer auf Aushilfen zurückgreift, hat jetzt wirklich Probleme", sagt Susanne Keller, Geschäftsführerin des Stadtmarketings Karlstadt. Sie bestätigt, dass einige frühere Gastro-Mitarbeiter während der Pandemie in andere Jobs gewechselt sind. "Diese zurückzugewinnen, ist schwierig. Viele haben jetzt am Wochenende immer frei und wollen das weiterhin haben." Die Arbeit in Restaurants und Hotels sei vielen einfach zu stressig und nicht freizeitfreundlich genug. Die Wirte mit denen sie gesprochen hat, sind laut Keller der Meinung, dass es nicht an der Bezahlung der Bedienungen liegt. Diese sei nämlich gar nicht schlecht. Vielmehr fehle eine ausgewogene "Work-Life-Balance".
Arbeit bleibt an Gastwirten hängen
Wo Angestellte fehlen, bleibt noch mehr Arbeit als sonst an den Gastwirten selbst hängen. "Zurzeit habe ich zum Beispiel überhaupt kein Zimmermädchen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als selbst einzuspringen", sagt Claudia Vierheilig, Chefin des Gasthofes Zur Linde in Gemünden. Auch bei ihr ist die Personalsituation aktuell schwierig. Viele Leute aus der Gastronomie hätten sich in anderen Branchen eine Arbeit gesucht, sagt sie. "Die Supermärkte haben geboomt während Corona und einen Haufen Leute eingestellt. Dahin sind viele abgewandert."
Und nicht alle wollen zurückkehren, berichtet Vierheilig . Einige hätten Angst, dass Corona im Herbst zurückkommt und sie dann wieder auf der Straße stehen, wenn die Lokale und Hotels wieder zumachen müssen. "Es war vor Corona schon schwierig, Personal zu finden. Durch Corona ist es noch schlimmer geworden." Den Grund für das Problem sieht die Hotelbetreiberin darin, dass gerade einige junge Leute heute hohe Ansprüche an ihre Bezahlung hätten, "aber nichts dafür tun" wollen. Viele wollen auch nicht am Wochenende oder abends arbeiten, so Vierheilig. "Aber das ist eben unser Geschäft."
Auch ihm sei eine Aushilfe durch den Lockdown verloren gegangen, berichtet Thomas Gsell, Inhaber des Steakhouse Sthoka in Karlstadt. "Ich habe schon noch Mitarbeiter, aber wir tun uns jede Woche schwer, den Dienstplan auszufüllen", sagt Gsell. Auch er betont, das es schon vor der Pandemie nicht einfach war, Mitarbeiter zu finden. Es sei auch nicht mehr so wie vor 25 Jahren, dass Bewerber einfach zur Tür reinkommen und nach einem Nebenjob fragen.
Nicht alle haben Personalnot
Doch nicht bei allen Wirten hat der Lockdown offenbar zur Personalnot geführt. "Bei uns ist alles in Ordnung", sagt Thomas Karpf, Chef des Bräustüble in Marktheidenfeld. Obwohl er in seinem Lokal keine Gäste empfangen durfte, habe er seine Mitarbeiter in den vergangenen Monaten alle durchgehend weiter beschäftigen können. Er habe zum Beispiel Essen zum Mitnehmen angeboten. Auch wenn sich das nicht immer unbedingt gerechnet hat, habe er "in den sauren Apfel gebissen". Die Hauptsache sei für ihn gewesen, dass seine Angestellten bei ihm bleiben können.
Das Problem zeichnet sich schon seit Jahren ab, nicht nur in der Gastronomie.
Party machen will jeder. Im Dienstleistungsgewerbe arbeiten will keiner mehr.
Viel Geld für wenig Arbeit, so hat Herr Gsell es sinngemäß ausgedrückt. Das ist auch in der Industrie mittlerweile ein großes Problem.
Ich kann das nur bestätigen: vor 25 Jahren war es kein Problem Personal zu finden. Da kamen die Studenten wirklich zur Tür rein und fragten nach einem Job.
Und heute? Siehe Mainwiesen in Würzburg. Siehe Demo wegen Verlängerung der Sperrstunde (um 1h!) in Würzburg.
Und dann frag Dich mal selbst: was würdest Du tun, wenn Dein Arbeitgeber 7 Monate zwangsweise geschlossen hat, ohne verlässliche Zukunftsaussichten?