Für junge Menschen ist das nicht selbstverständlich, aber Lorenz Hofmann und Valentin Rützel mögen den Ort, in dem sie wohnen. Der eine ist 23, der andere 18 und genauso lange leben die beiden schon in Burgsinn. Einen coolen Jugendraum, einen Bahnhof, zwei Supermärkte und eine 50-Meter-Schwimmbahn. Welche Gemeinde habe denn so etwas noch? Rützel sagt: "Burgsinn hat so viele Potentiale. Aber wenn es sich weiter verschlechtert, dann würde ich vielleicht auch wegziehen."
Damit wäre er in guter Gesellschaft. Jedes Jahr verliert der Landkreis so fast dreihundert junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Die Gründe für das Wegziehen hat das Landratsamt in einer Jugendstudie gesammelt: fehlende Studienplätze, schlechte oder fehlende Arbeits- und Ausbildungsplätze, fehlende Freizeitmöglichkeiten, zu kleinstädtisch, mäßige Kneipenszene. Viele junge Main-Spessarter werfen deswegen das Handtuch und ziehen nach Würzburg, Berlin, in die Welt eben und bleiben dann auch dort. Im Landkreis gibt es aber noch eine Menge junger Menschen, die versuchen diesem Trend zumindest entgegenzuwirken. Wie? Sie kandidieren.
Grafik: Wie wollen junge Menschen ihre Orte und den Landkreis gestalten?
Parteien und Politiker haben schlechtes Images
Diese Geschichte beginnt an einem schönen Sommertag im Burgsinner Dorfpark. Im Schatten der alten Wasserburg sitzen Hofmann und Rützel auf einer neuen Parkbank. Beide sind angezogen, wie man als Politiker bei einem Termin mit der Zeitung eben angezogen ist – Hemd in der Hose, die Ärmel hochgekrempelt. Rützel beschwert sich über Kronkorken auf dem Boden. Noch wissen die beiden nicht, dass sie wenige Monate später auf Listenplatz 7 und 14 stehen werden. Klar würden sie gerne in den Gemeinderat, hatten sie im Burgsinner Dorfpark noch gesagt, aber man könne auch im Hintergrund gestalten. Diesen Anspruch haben sie.
Während die Jugend immer politischer wird, bleiben junge Menschen wie Rützel und Hofmann trotzdem zwei von wenigen in der Main-Spessarter Kommunalpolitik. Das liegt daran, dass Politiker und Parteien bei jungen Menschen ein verdammt schlechtes Image haben. Im Rahmen der Shell-Jugendstudie haben der Aussage "Politiker kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken" 71 Prozent der Befragten zugestimmt. Wie sich dieses Ergebnis äußert, sieht man jeden Freitag bei den Fridays-for-Future-Demos auf den Straßen Deutschlands.
Kommunalpolitik gilt als verstaubt
Ähnliches sieht man auf kommunaler Ebene. Junge Menschen finden zwar Kommunalpolitik genauso wichtig wie Bundespolitik, sagt die Würzburger Politikwissenschaftlerin Regina Renner. Trotzdem: "Kleinkram", "alt", "Mauscheleien" oder "eintönig" sind nur einige der Begriffe, mit denen junge Main-Spessarter ihren Eindruck von Kommunalpolitik beschreiben. Dazu kommt, dass Kommunalpolitik einfach weniger wahrgenommen wird. Regina Renner sagt: "Zu einem gewissen Grad sind der Horizont der Jungen und die Probleme, die es heute gibt, einfach globaler, als sie früher noch waren."
Auch für Rützel und Hofmann war der Start in die Kommunalpolitik nicht gerade einfach. Mit Freunden haben auch sie meistens über das große Ganze gesprochen. Klimakatastrophe, Trump, sowas eben. "Kommunalpolitik ist schon sehr trocken", sagt Rützel. Auch bei Hofmann habe es gedauert, bis er in den Themen drin war. Aber: Je tiefer er jedoch gekommen sei, desto interessanter sei es geworden. Sie würden immer noch lernen: Vorschriften, Argumentation oder Zusammenhänge zum Beispiel. Dass sie nicht gleich ins kalte Wasser geworfen wurden, das sei auch gut so.
Auch die Geschichten anderer junger Main-Spessarter Politiker zeigen, dass es noch gute Gründe gibt, warum es Sinn macht, in eine Partei einzutreten. Ein Ausschnitt:
Grafik: Warum seid Ihr in eine Partei eingetreten?
Transparenter, kommunikativer und interaktiver: Kommunale Parteien müssen sich ändern
Wie man es schafft, dass junge Menschen dabei bleiben und sich engagieren, zeigt die lokale Wählergemeinschaft, auf deren Liste Hofmann und Rützel stehen. Die Initiative Burgsinn sei aktiver gewesen als die anderen Parteien, erzählen die beiden. Man treffe sich alle sechs Wochen. Dann diskutieren alle zusammen, was gemacht wurde und was gemacht werden müsse. Entscheidungen würden basisdemokratisch und transparent fallen, sagt Rützel, eine Stimme von einem Gemeinderat zähle genauso viel wie die seine. Hofmann fügt hinzu: "Wenn ich irgendwo mitmache, dann mache ich auch richtig mit."
Kommunalpolitik kann noch junge Menschen erreichen. Die Gespräche mit den jungen Politikern zeigen jedoch auch, dass sich Parteien auf kommunaler Ebene umstrukturieren müssen, um attraktiver zu werden. Die Jungen fordern bessere Kommunikation, flachere Hierarchien, mehr Transparenz und mehr Mitgestaltung. Und tatsächlich arbeiten einige Ortsverbände schon genau daran, aber eben auch nicht alle. Es reicht heute nicht mehr, einen Facebook-Account aufzumachen, in der Hoffnung, dass dann die Jungen schon kommen werden. Wobei das als erster Schritt auch nicht schaden würde, sagt Rützel.