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Main-Spessart
Main-Spessart: 8 Gründe, warum Biofleisch so teuer ist
Überraschung: Der Landwirt hat nicht immer direkt etwas vom Verkaufspreis. Wo Direktvermarktung, regionale Produktion und Bio-Zertifizierung hohe Kosten verursachen.
Familie Werthmann vor ihrer Weide in Rettersbach (Lkr. Main-Spessart): Gerhard Werthmann, Lorenz Werthmann, Katrin Werthmann, Mario Werthmann, Lennard Werthmann (von links).
Foto: Tabea Goppelt | Familie Werthmann vor ihrer Weide in Rettersbach (Lkr. Main-Spessart): Gerhard Werthmann, Lorenz Werthmann, Katrin Werthmann, Mario Werthmann, Lennard Werthmann (von links).
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 11.02.2024 23:01 Uhr

Kühe stehen mit ihren Kälbern auf der Weide, schauen entspannt in die Gegend. Viel Platz, um zu grasen. Wald, um sich unterzustellen. Ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. Doch: Dieses Modell zahlt sich laut der Landwirtsfamilie nicht aus, nicht einmal mit einem höheren Biofleischpreis. Wieso ist der Preis für Biofleisch überhaupt höher, und warum deckt er dann immer noch nicht alle Kosten? 

Wir wollen diesen Fragen auf den Grund gehen; Familie Werthmann in Rettersbach (Lkr. Main-Spessart) gibt uns dafür Einblick in ihren Betrieb am Beispiel Rindfleischpreis. 65 Tiere inklusive Nachzucht, aufgeteilt auf drei Herden. Jeden Monat lassen sie ein Rind schlachten, das Fleisch verkaufen sie hauptsächlich über Direktvermarktung. Im Gespräch zeigt sich: Es gibt Fixkosten, die sich benennen lassen. Und dann gibt es da noch die Kosten, über die Werthmanns lieber nicht nachdenken. 

Fotoserie

Preisfaktoren bei Biofleisch:

1. Bio-Kontrollen 

Der Betrieb der Werthmanns ist EU-Bio-zertifiziert. Einem der Verbände wie Bioland oder Demeter sind sie nicht beigetreten. Dabei würde die Landwirtsfamilie laut eigener Aussage mit ihrer Haltungsform über den Richtlinien der Verbände liegen. Schon für die EU-Kontrolle müsse er etwa 1000 Euro jährlich ausgeben, sagt Mario Werthmann. Ein Verband würde noch eine Kontrolle mehr pro Jahr bedeuten. "Das sind die Kosten, die ich habe – aber ich verdiene dadurch nicht mehr", sagt der Landwirt. 

2. Umstellung auf Bio

Da Sohn Mario Werthmann als Metallarbeiter und nicht als Vollzeitlandwirt arbeitet, hat Vater Gerhard Werthmann die Milchviehhaltung im Stall nach und nach gegen reine Mutterkuhhaltung auf der Weide getauscht, weil das weniger zeitaufwendig ist. Deshalb seien keine großen Ausgaben bei der Umstellung auf Bio entstanden. Ein Landwirt mit Stallhaltung müsse seinen Stall zum Teil umbauen, damit Platz und Freilauf vorhanden sind. "Das sind enorme Kosten. Die haben wir weggestrichen, weil wir keinen Stall haben", sagt der Sohn.

Die Werthmanns verpacken ihr Fleisch für die Direktvermarktung ähnlich wie im Supermarkt.
Foto: Wolfgang Dehm | Die Werthmanns verpacken ihr Fleisch für die Direktvermarktung ähnlich wie im Supermarkt.

3. Bio-Metzger 

Für Bio-Fleischverarbeitung brauche es im Regelfall auch einen Bio-Metzger, erklärt Mario Werthmann. Weil der Metzger der Werthmanns nicht zertifiziert ist, war eine Sonderlösung nötig, um möglichst in der Nähe zu schlachten. "Unser Fleisch muss entweder ganz früh morgens gemacht werden, wenn alles noch frisch ist, oder es muss zwischengereinigt sein", sagt Katrin Werthmann. Auch der Metzger müsse sich bei einer Bio-Kontrolle der Werthmanns mit kontrollieren lassen. Wegen des Zusatzaufwands müsse er für die Schlachtung mehr verlangen.

4. Knappes Angebot

Zu Erntezeiten sei es mit Schlaf dann schon einmal "ein bisschen mau", erklärt Mario Werthmann. Er und seine Frau sind berufstätig und haben drei kleine Kinder. Im Job noch mehr zu reduzieren sei keine Option: "Wir können es uns schlichtweg nicht leisten", sagt der 41-Jährige. Die Nachfrage sei zwar da, es gebe teilweise Wartelisten für ihr Fleisch. Er könne aber nicht mehr Tiere halten, da die Fläche am Betrieb nicht ausreicht.

Gerade bei Bio gebe es dafür genaue Maßzahlen. Eine Sprecherin der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft bestätigt: Für Biobetriebe gibt es eine höchstzulässige Anzahl an Tieren pro Hektar und der Futterzukauf ist limitiert, sodass die eigenen Flächen auch möglichst genug Futter für die Tiere hergeben müssen. "Wenn ich Händler bin und merke, es läuft, dann ordere ich halt einmal mehr und verkaufe. Das geht bei uns nicht", erklärt Mario Werthmann. 

5. Bio beim Zukauf

"Man hat auch viele Unwägbarkeiten dabei, die man gar nicht kalkulieren kann", sagt Mario Werthmann. In den vergangenen Jahren habe er wegen der Trockenheit etwa Futter zugekauft. Ein wenig salzhaltiges Mineralfutter bräuchten die Tiere zusätzlich zum Grünfutter von der Weide. All das muss auch wieder Bio-zertifiziert sein, und: Bio-Tierfutter ist teurer als konventionelles, bestätigen Experten der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. 

Kosten für Direktvermarktung: 

6. Ausstattung nach Vorgabe 

Um alle Richtlinien erfüllen zu können, haben sich die Werthmanns für die Direktvermarktung Spezialgeräte zugelegt: Einen Schockfroster und eine industrielle Spülmaschine beispielsweise. "Das sind ein paar schöne Tausend Euro", sagt Mario Werthmann. 

7. Seminare 

Ein dreiviertel Jahr Vorlaufzeit hätten sich Katrin und Mario Werthmann für die Direktvermarktung genommen, zunächst Seminare besucht, die Internetseite selbst gestaltet. Mit Übernachtung, Teilnahme- und Fahrtkosten sei ein Seminar schon einmal so teuer gekommen wie ein kleiner Urlaub.

Mario und Katrin Werthmann beim Einschweißen ihrer Fleischwaren.
Foto: Wolfgang Dehm | Mario und Katrin Werthmann beim Einschweißen ihrer Fleischwaren.

8. Arbeitsaufwand

Seine Eltern helfen noch am Betrieb mit, obwohl sie schon in Rente sind, erklärt Mario Werthmann. "Das läuft alles unentgeltlich", sagt er. Wenn er noch eine Person einstellen müsste, bliebe so gut wie nichts an Gewinn. Auch Katrin sei jede Woche ein paar Stunden mit Büroarbeit beschäftigt. "Die Zeit dürfen wir überhaupt nicht rechnen, sonst wird es einem schlecht, glaube ich", sagt der 41-Jährige. 

Den Betrieb machen sie trotz allem aus Leidenschaft zur Arbeit mit den Tieren weiter, das wird im Gespräch deutlich. "Wenn wir uns da länger unterhalten, kommt immer noch irgendetwas, an das wir selbst gar nicht denken", sagt Mario Werthmann über die Kosten und den Aufwand, der dem gegenübersteht. "Es ist manchmal gut so, dass wir nicht daran denken", fügt er an. 

Verein aus Main-Spessart

Für Biofleisch oder ökologisch produzierte Fleischprodukte gibt es verschiedene Zertifikate und Verbände. Auch in Main-Spessart hat sich eine Initiative gegründet, der Verein Grünland-Spessart e.V. Der Verein schreibt vor, dass die Mitgliedsbetriebe mit ihren Tieren Grünland im Spessart pflegen. Für ihr Fleisch versuchen sie, regionale Absatzmärkte zu finden. Auch sie haben spezielle Regeln für die Fütterung und wie viele Tiere pro Hektar gehalten werden dürfen.
Werthmanns sind mit ihrem Betrieb Mitglieder des Vereins, Tierarzt Dr. Guido Steinel ist Vorsitzender. Auch er spricht die Kosten der Bio-Kontrollen an: "Der Preis muss sich natürlich irgendwo dann auch im Fleisch wiederfinden." Das Ganze werde ein bisschen dadurch abgemildert, dass Zuschüsse von der EU und vom bayerischen Staat für Biobetriebe höher als für konventionelle Betriebe seien. Und für ein Biotier müsse der Schlachter auch etwas mehr zahlen.
Der Fleischpreis sei laut Steinel nur sehr schlecht in direkte Beziehung zu den Produktionskosten zu setzen. "Das ist immer eine Mischkalkulation: Wie viel Zuschuss kriege ich, wie teuer kann ich das anbieten?", sagt er. Aber: Der Preis im Supermarkt sei sicher nicht kostendeckend. In der Direktvermarktung müsse man das Fleisch entsprechend kühlen, lagern, portionieren. "Da gibt es Folgekosten, die ich in irgendeiner Form weitergeben muss an den Kunden, sodass dann im Endeffekt ein Fleischpreis rauskommt von 15 bis 16 Euro pro Kilo. Unter diesem Preis geht es nicht", so Steinel.
Quelle: gop
 
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  • @alle:
    Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen bio und konventionell, und zwar nicht nur was Zusatzkosten für Zertifizierungen betrifft. Aber es ist natürlich auch richtig, dass es innerhalb von "konventioneller Landwirtschaft" eine riesige Spannweite gibt - von "eigentlich wie bio" (was hier in der Region auch nicht selten ist) und der klassischen "Massentierhaltung".
    In Deutschland gibt es fast 2 Mio. Mastrinder, und die leben leider nicht alle auf der Wiese.
    Siehe hier: https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/mastrinder
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  • MiGeb275
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  • Lebenhan1965
    @ Gedenke....

    Sie haben schlicht nichts verstanden.

    Der Aufwand den ein Bio-Bauer treiben muss um für seine Tiere eine artgerechte Haltung zu ermöglichen ist ungleich höher als der den ein konventioneller Landwirt hat der mit Massentierhaltung Fleisch erzeugt.
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  • schitobi
    Es ist schlichtweg so, dass der Betrieb vermutlich nur Grünland bewirtschaftet. Ein konventioneller Betrieb, der exakt die gleiche Betriebsstruktur hat (also auch nur Grünland) hat selbstverständlich niedrigere Kosten, weil er sich die Zertifizierung spart. Der konventionelle Betrieb hat seine Tiere ebenfalls ganzjährig auf der Weide, auf der er, auch wenn es nicht in mancher Leute Weltbild passt, keinen Pflanzenschutz anwendet, da das in den wenigsten Fällen nötig ist. Außerdem gibt kein konventioneller Rinderhalter pauschal Antibiotika (ich weiß, unvorstellbar). Auch wird er keine "Massentierhaltung" (Wieso kann mir bis heute niemand den Begriff definieren?) betreiben, da die Tiere ihm bei einem zu hohen Besatz die komplette Grasnarbe zerstören und er sicher auch so wenig wie möglich Futter zukaufen will. Der konventionelle Betrieb fährt seine Rinder dann zum gleichen Metzger, die können aber im normalen Betrieb geschlachtet werden, er hat also keine Extrakosten.
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  • schitobi
    Ergo: Es hat seine Gründe, dass Bio teurer ist. Diese werden ja auch im Bericht, falls er gelesen und verstanden wurde, erläutert. Dies liegt aber in dem von mir geschilderten Beispiel nicht an Bio oder Konventionell, da die Tiere exakt gleich gehalten werden. Und genau das wollte der erste Kommentar ausdrücken. Es gibt einfach zu viel ideologische Verblendung.
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  • flyarcus@gmx.de
    @schitobi...danke, es gibt anscheinend doch noch einen Menschen im ganzen Universum der verstanden hat, was ich gemeint habe.
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  • stefan.behringer@web.de
    Bio ist auf jeden Fall besser. Für die Tiere und für die Umwelt.
    Konventionelles Fleisch vom Bauern nebenan gibt's so gut wie nicht mehr. Es kommt ganz überwiegend aus Industriebetrieben. Geschlachtet wird bei Tönnies & Co.
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  • flyarcus@gmx.de
    @Gertraud.....die Industrie züchtet also selbst ihr Schlachtgut? Meine Güte....es sind die Bäuerli, die ihr Viech verkaufen...und das landet dann eben beim Verwerter Tönnies...so einfach ist das.
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  • roba0815
    @mementomori: es stimmt schlichtweg nicht was Sie schreiben-
    Biofleisch ist auf jeden Fall besser, denn besseres Futter, keine Medikamente, bessere Tierhaltung usw., oder haben Sie nicht verstanden was den Unterschied zu Nachbarhöfen die konventionell arbeiten, ausmacht?
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  • flyarcus@gmx.de
    @roba....Das Bäuerle neben dran hat seine Äckerli in de gleiche Flur, Hat sei Küh a drausse...und wennste gläbst, dass dem Biobauer sei Viecher ke Medikamente grieche, wennse krank senn, dann gläbste a no an den Osterhas.
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  • flyarcus@gmx.de
    Was sagt uns das? Viel Bio, aber am Ende ist es nicht anders als das Fleisch vom Nachbarhof, der nur nicht zertifiziert ist....
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