Als Jugendliche entdeckt Birgit Zoepf bei einem Trödler einen alten Sekretär mit vielen Schubladen und Fächern. Es ist der Beginn ihrer Leidenschaft fürs Restaurieren, fürs Arbeiten mit Holz. Daraus einen Beruf zu machen, ist für die junge Lohrerin anfangs schwer. Weil sie ein Mädchen ist. Birgit Zoepf bekommt keine Lehrstelle als Schreinerin, obwohl sie beim Schreiner Alfons Fleckenstein in Sackenbach längst praktische Erfahrung gesammelt und ihren Sekretär restauriert hat. Sie findet trotzdem ihren Weg und macht sich nach der Lehre an der Berufsfachschule, der Meisterschule und der Fortbildung zum Handwerker in der Denkmalpflege selbstständig.
Demnächst wird sie 60. "Es ist Zeit aufzuhören. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend." So hat sie die Maschinen verkauft, wickelt bis Mitte Februar noch einige Aufträge ab und legt dann nach 35 Jahren den Hobel zur Seite. Das Gebäude werde die Firma Reifen-Zabel von nebenan pachten, teilt sie im Gespräch mit der Redaktion mit.
Keine Nachfolge
Alle ihre Mitarbeiter haben laut Birgit Zoepf eine Stelle gefunden, in einer Schreinerei oder der Denkmalpflege. Sieben bis acht Gesellen und ein bis drei Auszubildende hätten über die Jahre im Schnitt zu ihrer Werkstatt im Industriegebiet Süd in Lohr gehört. Mit im Team immer wieder junge Frauen. Eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger hat sie nicht gefunden. Ihre Tochter und ihr Sohn haben sich für andere Berufe entschieden.
Die Werkstatt verpachten oder verkaufen? Birgit Zoepf sagt, dass das ohne Eigenkapital nicht zu stemmen sei. Leben könne man von so einem Betrieb, wenn man eine bezahlte Firma von seinen Eltern übernimmt. Und wer sie nur übernehme, ohne mit Leib und Seele dabei zu sein, fahre sie an die Wand. "Du musst deinen Job so was von lieben. Nur so ziehst du das in der heutigen Zeit durch", sagt die 59-Jährige.
Für unabdingbar hält Zoepf ein angeborenes unternehmerisches Denken. Doch selbst wenn das vorhanden ist, würden viele abwinken. "Wenn junge Leute sehen, wie wir arbeiten, wollen sie nicht mehr", sagt die Schreinermeisterin. Der Partner und die Familie müssten dahinter stehen. "Du bist Tag und Nacht unterwegs."
Ihre Entscheidung, sich selbstständig zu machen, hängt mit ihrer Erfahrung in ihrer Gesellenzeit zusammen. Sie muss für einen verletzten Vorarbeiter einspringen und eine Baustelle organisieren. Danach will sie nur noch "ihren eigenen Mist ausbaden", wie sie einmal erzählt hat, und besucht die Meisterschule.
Kredit aufnehmen
1986 übernimmt sie die Schreinerei Müller am Kaibach. Als ihr drei Jahre später gekündigt wird, sieht sie zwei Möglichkeiten: aufhören oder bauen. Das Grundstück bekommt sie als Erbteil von ihren Eltern. Für den Bau muss sie einen Kredit aufnehmen. Dass junge Männer leichter ein Darlehen für ein Auto bekommen hätten als sie für ihre Werkstatt, wurmt sie heute noch. Ihre Kinder nimmt sie, so lange sie sie stillt, mit ins Büro und zu Baustellen-Besprechungen. Die frühere Haushälterin ihrer Eltern springt als Ersatz-Oma ein.
Vor einem Vierteljahrhundert auf den Anteil an Frauen im Denkmal-Handwerk angesprochen, hatte Zoepf geantwortet: "Für mich heißt viele Frauen schon, wenn außer mir noch eine da ist." Und 25 Jahre später? "Als Frau bist du immer noch Exotin." "An Aufträgen hat es mir nie gemangelt", blickt die Handwerkerin im Denkmalschutz zurück. "Der totale Schub kam mit der Goldmedaille", erzählt sie. Das war 1996, als ihr an der Europäischen Messe für Denkmalpflege und Stadterneuerung die "Goldmedaille für herausragende Leistungen in der Denkmalpflege in Europa" verliehen wird.
Als eine ihrer schönsten Baustellen zählt sie die Schlossvilla Faber-Castell in Nürnberg auf. Ein Jahr lang arbeitet ihr Team dort: Tafelparkett, Fenster, Wandverkleidungen, Decken, Möbel. Aus ihrer eigenen Gesellenzeit kennt sie aber auch die Belastung, unter der Woche weg von zu Hause und Freunden zu sein, stattdessen zusammen mit Menschen, die man sich nicht ausgesucht hat, Lagerkoller.
Immer wieder spannend
Sie schwärmt von Rosen- und Ebenholz, von all dem Neuen, das im Alten steckt. Von Problemen, die nur kreativ und im Austausch mit Handwerkern anderer Gewerke zu lösen sind. Bei ihrem ersten großen Auftrag in der Denkmalpflege, der ehemaligen Synagoge in Urspringen, habe sie viel über jüdisches Leben erfahren. "Ich habe immer wieder, bei jeder Baustelle, viel gelernt. Das ist das Spannende."
Der Denkmalpflege wird sie treu bleiben als Beraterin und Gutachterin. "Für'n Kopf muss schon noch etwas bei", sagt Birgit Zoepf und lacht. Ansonsten wolle sie gut essen, Wein trinken und reisen.