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KARLSTADT
Luftfahrtgeschichte „Die könnte ich heute noch fliegen“
Alfred Hock nach der bestandenen Prüfung für den Luftfahrerschein. Er legte sie 1941 in Lechfeld in einer „Grunau Baby“ ab.
Foto: Sammlung Hock | Alfred Hock nach der bestandenen Prüfung für den Luftfahrerschein. Er legte sie 1941 in Lechfeld in einer „Grunau Baby“ ab.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:25 Uhr

Waren die Karlstadter Segelflieger bei ihrer Gründung noch ein unpolitischer Club flugbegeisterter Enthusiasten, so änderte sich das mit der „Gleichschaltung“ der Nationalsozialisten ab 1933. Alles gesellschaftliche und politische Leben wurde ihrer Ideologie unterworfen. Die Nationalsozialisten förderten den Segelflug auf dem Saupurzel, um späteres Personal für die Luftwaffe zu gewinnen. So rangiert auch Alfred Hocks Flugbuch unter dem Titel „Nationalsozialistisches Fliegerkorps“.

Kostenlose Freizeitbeschäftigung

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Burschen wie er sahen die Fliegerei jedoch nicht politisch; für sie war es in erster Linie eine spannende Freizeitbeschäftigung, die der Abenteuerlust und dem Technikinteresse der Jungs entgegenkam. Hock: „Das hat uns natürlich gefallen, es gab ja sonst nichts weiter. Und wir mussten nichts dafür bezahlen.“ Das Segelflugzeug kostete damals nur das Material. Und das wurde vom NSFK gestellt.

Alfred Hock flog bis zu seinem 19. Lebensjahr vorwiegend auf dem Saupurzel. Neben dem Fluglager auf dem Hesselberg nahm er noch an einem weiteren in Laucha an der Unstrut teil. Und einmal startete er auch auf der Wasserkuppe, dem Berg der Segelflieger.

Er berichtet: „Ich habe auch als einziger auf dem Saupurzel die C-Prüfung gemacht.“ Im Mai 1940 absolvierte er dafür mit einer „Grunau Baby“, die es inzwischen in Karlstadt neben einem „Zögling 35“ und einer „SG 38“ gab, sechs Flüge mit jeweils mindestens zwei Minuten Dauer und einer S-Kurve. Sein Rekord stand jetzt bei rund viereinhalb Minuten in der Luft.

Nie in einer Kriegsmaschine

Alfred Hock: „Hier östlich des Saupurzels (nahe Radweg Karlstadt-Schönarts) landeten die Segelflieger in den 1930er Jahren häufig.“
Foto: Karlheinz Haase | Alfred Hock: „Hier östlich des Saupurzels (nahe Radweg Karlstadt-Schönarts) landeten die Segelflieger in den 1930er Jahren häufig.“

1939 wurde Alfred Hock zwar zur Luftwaffe eingezogen, musste aber nie in einer Kriegsmaschine fliegen. Bei der Fluganwärterkompanie Lechfeld schob er ausschließlich Wache – und hatte auch Gelegenheit zum Segelfliegen. Dort wurde längst nicht mehr mit dem Gummiseil gestartet, sondern im Schlepp hinter einer Motormaschine. Eine tschechische Zlin oder eine französische Morane-Saulnier schleppte die Segler in die Höhe. Da gelangen etliche Flüge von einer Viertelstunde und mehr.

Dort flog der Karlstadter erstmals auch in Zweisitzern, dem geschlossenen „Kranich“ und der „Gö-4“, einem Segelflugzeug, in dem Fluglehrer und -schüler nebeneinander saßen. Um den Rumpf dennoch nur 92 Zentimeter schmal halten zu können, mussten beide Insassen ihre äußere Schulter und den Arm jeweils innen in die Tragfläche stecken. Im April 1941 legte Alfred Hock dort in einer „Grunau Baby“ den Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer ab. Er berechtigte zu Überlandflügen.

Später wurde Hock im Krieg Zugbegleiter zwischen Innsbruck und Italien. Er gehörte zur Wachmannschaft von Güterzügen, die beispielsweise Telegrafenstangen oder Torpedos transportierten. So kam er bis nach Sizilien. Als die Wehrmacht Ältere für diesen Dienst einsetzte, meldete er sich zu den Gebirgsjägern.

Nach dem Krieg war die Fliegerei in Deutschland zunächst verboten. Als die Segelflieger auf dem Saupurzel wieder begannen, hatte Alfred Hock anderes zu tun: Hausbau und zehn Jahre Arbeit bei Opel in Rüsselsheim. Er flog nie wieder selbst, mehrmals jedoch als Passagier.

Aktiv im Luftsportclub

Endlich trat er in den 1990er Jahren dem Karlstadter Luftsportclub bei und stellte seine handwerklichen Fertigkeiten in den Dienst der Fliegerei – fast wie einst in der Jugend. Als gelernter Polsterermeister repariert er bis heute die Schutzüberzüge für die Tragflächen oder den Fallschirm des Windenschleppseils. Gerade ist der 98-Jährige dabei, einen Tisch und Bänke abzuschleifen und neu zu streichen. „Dabei tu ich aber auch die Jugend anhalten, dass sie mitmacht.“

Hocks Flugbuch belegt alle 126 Starts, vom ersten Hüpfer bis zum letzten Flug am 23. Januar 1943. Sein längster dauerte 32 Minuten, absolviert 1941 über Lechfeld. Dieses Flugbuch wurde viel bestaunt, als Alfred Hock jetzt bei der Würzburger Landesgartenschau die Gummiseilstarts eines Museumsflugzeugs von der Wasserkuppe verfolgte. Der 98-Jährige nahm auch mal auf dem Pilotensitz der Maschine Platz und stellte fest: „Die könnte ich heute noch fliegen.“

 
 
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