1973 lag Lohr am Boden. Karlstadt und nicht Lohr war Sitz des neuen Mittelmainkreises (heute Main-Spessart) geworden. Eine Reaktion darauf war der Zusammenschluss der Lohrer Einzelhändler zur Werbegemeinschaft. Nach einem halben Jahrhundert nimmt die Organisation gerade mit der "Markthalle 2.0" am oberen Marktplatz ein wichtiges Zukunftsprojekt in Angriff.
Eine der treibenden Kräfte hinter der Gründung war Siegfried Ratai, der 1973 als Leiter der Vereinsbank nach Lohr gekommen war. In einem Gespräch zum 25-jährigen Jubiläum betonte Ratai 1998, im Gegensatz zu ähnlichen Gründungen andernorts seien rein kommerzielle Aspekte nicht ausschlaggebend gewesen.
Vielmehr sei es darum gegangen, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass in Lohr nichts mehr los sei. Die Einzelhändler hätten die Abwanderung von Kunden in die größeren Städte befürchtet, zumal in dieser Zeit die Motorisierung voll eingesetzt hatte. Fast 50 Leute hätten sich zusammengetan, die etwas für die Stadt, ihr Ansehen und ihre Attraktivität zu tun bereit waren.
Zahlreiche Aktive
Im Jahr 1974 wurde das nach einer Apfelsorte benannte Rambourfest am letzten Sonntag im Oktober organisiert. Der Verkehr, der damals noch mitten durch die Innenstadt führte, wurde ausgeschlossen – eine Art Generalprobe für die Fußgängerzone, die wenige Jahre später eröffnet wurde. Ratai, der zunächst Schriftführer und Pressesprecher war, übernahm 1975 den Vorsitz.
1980 wurde die Besucherzahl des Rambourfestes erstmals auf über 20.000 geschätzt. Raiffeisenbank-Chef Hans Gnatz wurde 1987 neuer Vorsitzender. Unter seiner Ägide startete der Weihnachtsmarkt, damals noch Christkindlesmarkt genannt, und die Werbekraft der Schneewittchenfigur wurde erkannt.
Der monatliche Stammtisch wurde 1994 eingeführt. Im selben Jahr präsentierte die Werbegemeinschaft ihr neues Logo und den Slogan "Lohr sympathisch erleben". Brigitte Riedmann übernahm 1997 den Vorsitz. In ihrer Zeit als 2. Vorsitzende seit 1992 hatte sie als Verantwortliche für den Weihnachtsmarkt neue Holzbuden angeschafft und sich 1996 für den Kauf einer neuen Weihnachtsbeleuchtung stark gemacht.
Warum doch alle bezahlt haben
Diese musste die Werbegemeinschaft selbst bezahlen. Sie sei von Geschäft zu Geschäft gegangen, um die Beiträge zu kassieren, die sich nach der Länge der Hausfront bemaßen, erinnert sich Riedmann im Gespräch mit dieser Redaktion zurück. Wer nicht zahlen wollte, sollte keine Glühbirnen in der Lichterkette bekommen. "Plötzlich haben alle bezahlt." Das heute noch benutzte Motto "Lohr macht Laune" gibt es seit 1998. Ganz wichtig sei die Einführung der Einkaufsgutscheine der Werbegemeinschaft gewesen. Jährlich würden durch sie rund 200.000 Euro umgesetzt.
"Tag der Mode" etabliert
Zur Zukunft der Werbegemeinschaft meinte Riedmann, als "Alleinunterhalter" habe der Einzelhändler gegen den Druck des Internets und der Discounter kaum noch eine Chance. Als Zusammenschluss könne der lokale Handel aber mit Aktionen wie dem "Tag der Mode" auf sich und die Stadt aufmerksam machen. Großen Wert habe sie stets auf die Zusammenarbeit mit dem Rathaus gelegt: Stadt und Händler könnten nicht ohne einander.
2003 wurde Andreas Scherg ihr Nachfolger, der 2013 von Armin Lahoda abgelöst wurde. Seit 2017 ist Angelika Winkler Vorsitzende der Werbegemeinschaft. Die Aktivitäten der Organisation wurden in den 2010er-Jahren zwei Mal vom bayerischen Wirtschaftsministerium ausgezeichnet. 2012 bekam sie den Stadtmarketingpreis für das Lohr-macht-Laune-Konzept, 2016 den Sonderpreis über alle Kategorien für den "Lohrer Zwergenaufstand". Dieser entstand aus den Lohrer Einkaufstagen, die unter Lahoda eingeführt worden waren, um auf die Vielfalt der Geschäfte in der Innenstadt aufmerksam zu machen. Nach der Corona-Pandemie wurde der Zwergenaufstand zum Kinderfest weiterentwickelt.
Corona als Herausforderung
Die Corona-Zeit sei eine große Herausforderung gewesen, sagte Winkler in einem Gespräch, das sie zusammen mit Andreas Scherg, dem langjährigen Kassier Julius Gabel und Isabell Schürr mit dieser Redaktion führte. Während der Pandemie sei auch der Mainlokalshop im Internet auf die Beine gestellt worden. Damals sei das genau die richtige Antwort auf die Einschränkungen des öffentlichen Lebens gewesen, meinte Winkler.
Die Zusammenarbeit mit der Stadt als "Partner auf Augenhöhe" ist nach Winklers Worten "immens wichtig". Die Vorsitzende und Andreas Scherg erinnerten an die Beteiligung der Werbegemeinschaft am neuen Parkkonzept, das heute noch gilt, am integrierten Stadtentwicklungskonzept (Isek) und bei der Einführung eines Citymanagements.
Das Zukunftsprojekt des Einzelhändler-Zusammenschlusses heißt "Markthalle 2.0" im früheren Kupsch-Markt am oberen Marktplatz. Die Werbegemeinschaft hat ihn angemietet und will an Interessenten untervermieten. Los gehen solle es Ende November oder Anfang Dezember. Bekannt ist mittlerweile, dass Lohrer Auto- und Fahrradhändler einen Showroom für Elektromobilität mit ihren Fahrzeugen und Rädern bestücken werden. Einzelhändler wollen Pop-up-Stores einrichten, also zeitlich befristete Filialen. Auch ein kleiner Gastrobereich ist geplant.
Monatlicher Austausch
Die Zukunft der Werbegemeinschaft sieht die Vorsitzende positiv, auch wenn sich andernorts immer mehr solcher Zusammenschlüsse auflösen. "Wir sind eine lebendige Gemeinschaft, die sich einmal im Monat für den Austausch trifft." Die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt seien "nicht bereit, vor Problemen wie dem Internet zu kapitulieren".