
Mehrfachzäune, Mauern, Überwachungskameras und Ultraschallgeräte, die bemerken, wenn ein Mensch vorbeigeht: Das alles gibt es nicht in den Wäldern des Spessarts, wo der Lohrer Langstreckenläufer Thomas Schönfeld üblicherweise seine Runden dreht. Doch in der Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Straubing sind diese Dinge normal. Und dort nahm der Krankenhaushygieniker und Anästhesist vom Bezirkskrankenhaus (BKH) Lohr am Samstagvormittag mit den beiden Sicherheitsbeauftragten der Lohrer Forensik, Michael Amann und Jörg Thamm, am zweiten Forensik-Lauf teil.
"Früher war es schon außerordentlich für mich, wenn ich in Lohr die Forensik betreten habe. Da habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt. Aber nicht nur für mich, sondern auch für Michael und Jörg war es in Straubing außergewöhnlich", berichtet Schönfeld.
Dass die Klinik-Mauern am Rand der rund 48.000 Einwohner zählenden Stadt besonders schwer zu überwinden sind, hat einen historischen Grund. Denn bis 2019 war es in Bayern üblich, hochgradig gefährliche, psychisch kranke Straftäterinnen und Straftäter nur in der besonders gut gesicherten Forensik in Straubing unterzubringen.
Keine Unterschiede beim Sport
Nach der Umstrukturierung will sich die Klinik nach außen öffnen und transparenter zeigen, so dass der stellvertretende ärztliche Direktor und Triathlet David Janele im Vorjahr erstmals den Laufwettbewerb initiierte.
"Das Besondere war, das wir hinter dem Zaun gelaufen sind. Durch das sportliche Ereignis vergaß man aber, dass es psychisch kranke Straftäter sind, die in den Lauf integriert sind. Deshalb kann man sagen, dass Sport verbindet", betont Schönfeld. Tatsächlich waren die Patientinnen und Patienten komplett in die Veranstaltung eingebunden. Sie hatten beispielsweise die Siegerpokale mit dem Granitboden und dem Stiehl aus Eichenholz in Handarbeit hergestellt, legten im Start-Ziel-Bereich Musik auf und feuerten die rund 100 Teilnehmenden an. Manche rannten sogar selbst mit.
"Man wusste beim Lauf nicht, wer Patient oder Justizbeamter ist", beschreibt Schönfeld den integrativen Charakter des Wettlaufs. Innerhalb der gesicherten Mauern durften örtliche Forensik-Patienten und -Mitarbeitende, Polizisten, Bezirks- und Justizvertreter sowie Beschäftigte anderer Kliniken mitmachen.
Handy mussten abgegeben werden
Die Externen, die ihre Handys abgeben mussten, bekamen extra Ausweise für den Tag und wurden durch die Klinik geschleust. "Das war super organisiert", erzählt Schönfeld, der auch die professionelle Ausrichtung des Laufes mit perfekter Verpflegung hervorhob.
Erfolgreich waren die Lohrer Läufer bei idealem Wetter auch. Schönfeld gewann auf dem einen Kilometer langen Rundkurs mit Cross-Charakter den Fünf-Kilometer-Lauf in 17:18 Minuten, Michael Amann siegte über die zehn Kilometer in 41:13 Minuten und Jörg Thamm wurde hier in 43:33 Minuten Dritter.
Weil im Vorjahr nur zwei Patienten mitgemacht hatten, wurde der Halbmarathon aus dem Programm genommen und durch einen 1000-Meter-Lauf ersetzt, an dem ausschließlich Patienten mitmachten. "Es war beeindruckend zu sehen, welche Herausforderung die Strecke für sie war und wie sich die Patienten hinterher freuten, 1000 Meter geschafft zu haben", berichtet Schönfeld. Für Mitinitiator David Janele ist der Lauf ein Stück Normalität für die Patienten und ein Ziel, auf das sie hintrainieren können.