
Der Werbefilm für das Digitale Gründerzentrum in Lohr, den die Gäste dort am Mittwoch zu sehen bekommen, ist mit treibender Musik unterlegt, die eher zu einem Katastrophenfilm passen würde. Dabei ist das Starthouse Spessart eine Erfolgsgeschichte, die ganz ohne Katastrophen auskommt. Es ist im April 2019 mit den Zielen gestartet, Start-ups mit etablierten Wirtschaftsunternehmen und untereinander zu vernetzen, den Gründern günstige Arbeitsräume zur Verfügung zu stellen und ihnen das nötige Wissen für einen gelungenen Start in die Selbstständigkeit zu vermitteln.
Fünf neue Büros
Am Mittwoch haben gut 50 Gäste das Digitale Gründerzentrum besucht, das im Gebäude der Energie in der Lohrer Vorstadtstraße untergebracht ist, um die Erweiterung der Räumlichkeiten zu feiern. Starthouse-Leiterin Anja Güll und den acht Start-ups, die derzeit dort eingemietet sind, stehen nun 200 Quadratmeter mehr zur Verfügung.
Die verbesserte Version des Gründerzentrums, das von Güll passend dazu als Starthouse 2.0 bezeichnet wurde, ist nun gut 500 Quadratmeter groß. Drei Team- und zwei Einzelbüros, ein neuer Eingangsbereich und ein zusätzlicher Konferenzraum sind dazugekommen.
Der Lohrer Start-up-Gründer Christian Maier verbindet über seine digitale Plattform cherry-click Eltern mit Schulen und Kindertagesstätten. Von Online-Sprechstunden über die Bestellung des Mittagessens bis zum Versand von Elternbriefen lässt sich seine Erfindung nutzen. Seit das Digitale Gründerzentrum in Lohr eröffnet wurde, ist der 46-Jährige dort Mieter. Nach eigenen Aussage hätte er keine Firma gegründet, wenn es das Starthouse nicht gegeben hätte.
Kreativer Austausch möglich
Maier hat bereits Interesse an einem der Team-Büros angemeldet. Er lobt die technische Ausstattung, den kreativen Austausch unter den Gründern und mit den Netzwerkpartnern sowie das Weiterbildungsangebot, das ihm das Starthouse bietet. "Die persönlichen Kontakte sind relativ eng hier auf dem Land. Das ist der Vorteil Lohrs gegenüber den Ballungszentren", betont er.
Ursprünglich war für die Feier am Mittwoch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger angekündigt gewesen. Dieser musste aber kurzfristig wegen eines Termins im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise absagen. Digital vertrat ihn Wirtschafts-Staatssekretär Roland Weigert mit einem Videogruß. Analog sprang Kultus-Staatssekretärin Anna Stolz als Rednerin ein. Sie sagte, dass die Strahlkraft des Gründerzentrums durch die Erweiterung noch erhöht werde. Die Gesamtförderung für die Infrastruktur und die Netzwerkaktivitäten des Starthouses in Lohr bezifferte Stolz auf 2,7 Millionen Euro. "der Erfolgsfaktor sind aber die kreativen Köpfe vor Ort", betonte die Main-Spessarter Landtagsabgeordnete.
Glasfaser im nächsten Monat
Das Digitale Gründerzentrum hat für die Erweiterung laut Leiterin Anja Güll 88.000 Euro in Möbel und die technische Ausstattung investiert. Nächsten Monat soll auch der schon lange versprochene Glasfaseranschluss für das Starthouse kommen, der das Internet noch schneller werden lässt. Lohrs Bürgermeister Mario Paul bedauerte, dass dies bisher an Lieferschwierigkeiten gescheitert sei.
Während das Netz noch auf mehr Bandbreite wartet, hat sich die Zahl der Netzwerkpartner und Unterstützer erneut erhöht. Die Existenzgründerinnen und -gründer werden von etablierten Unternehmen und regionalen Einrichtungen bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee unterstützt. Mit der Techniker Krankenkasse, dem Klinikum Main-Spessart, Müller Feinblechbautechnik aus Frammersbach, der Marktheidenfelder Werbeagentur Media Life, der Technischen Hochschule Aschaffenburg und der Unternehmensberatung salescraft sind dieses Jahr sechs Neuzugänge zu verzeichnen.
Eigene Geschäftsidee realisiert
Damian Berghof hat sein Einzelbüro im Starthouse schon im Januar gemietet. Der 47-Jährige hat voriges Jahr seinen Vollzeitjob als Ingenieur bei Bosch Rexroth an den Nagel gehängt, um seine eigene Geschäftsidee zu verwirklichen. Mit seiner international tätigen Firma Nicerecs will er Experten aus allen technischen Bereichen mit Firmen zusammenbringen, die Fachpersonal suchen. "Wir bauen gerade mit Hochdruck unsere Kundenplattform auf. Bis Sommer wollen wir sie mit den ersten zehn Firmen testen", sagt der Lohrer.

Berghof schätzt "die kurzen Wege, den Austausch mit den coolen Teams im Starthouse und dass Global Players Netzwerkpartner sind". Da ist er offenbar nicht der Einzige, denn nach Aussage von Leiterin Anja Güll hat das Gründerzentrum über die Jahre schon mehr als 70 Start-ups begleitet.
Dass hier großes Zukunftspotenzial schlummert, ist auch dem Landkreis Main-Spessart irgendwann klar geworden. Seit vorigem Jahr ist der Kreis neben der Stadt Lohr Träger des Digitalen Gründerzentrums. 50 Prozent am kommunalen Eigenanteil, aber maximal 30.000 Euro lässt sich der Landkreis das jährlich kosten.
"Silvaner Valley" startet durch
Auf die Frage, warum der Landkreis nicht von Anfang an an Bord gewesen ist, antwortete Landrätin Sabine Sitter: "Der Landkreis war damals nicht mutig genug mitzugehen und hat noch nicht die Innovationskraft gesehen." Sie sei froh, dass die Stadt Lohr das Starthouse immer unterstützt hat. Als eines der wenigen Digitalen Gründerzentren ohne Hochschule vor Ort habe das Lohrer Starthouse bewiesen, dass auch das geht, betonte Güll.
Sie sprach mit einem Augenzwinkern sogar vom "Silvaner Valley". Bis Lohr zum Silicon Valley, einem der weltweit bedeutendsten Standorte der IT- und Hightech-Industrie nahe San Francisco, aufschließt, dürfte es noch etwas dauern. Doch eines haben die Start-ups in Main-Spessart denen im Silicon Valley voraus: die Mieten sind hier um einiges günstiger.