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Lohr
Lohrer SPD blickt auf 125 Jahre zurück
SPD-Ortsvorsitzender Marc Nötscher, Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel und Landtagsabgeordnete Martina Fehlner ehrten Karl-Heinz Ebert, Jasmin Kohlhepp, Egid Baus, Ruth Steger, Richard Eyrich und Josef Blenk (von links).
Foto: Thomas Josef Möhler | SPD-Ortsvorsitzender Marc Nötscher, Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel und Landtagsabgeordnete Martina Fehlner ehrten Karl-Heinz Ebert, Jasmin Kohlhepp, Egid Baus, Ruth Steger, Richard Eyrich und Josef Blenk (von ...
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 18.06.2022 02:25 Uhr

Viele Dilemmata zwischen Gesinnung und Verantwortung wie jetzt im Ukraine-Krieg hat die SPD nach den Worten von Ulrich Maly aushalten müssen. Der frühere Nürnberger Oberbürgermeister hielt bei der 125-Jahr-Feier des Lohrer SPD-Ortsvereins in der Alten Turnhalle eine bemerkenswerte Festrede. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sei eine normale Jubiläumsrede nicht möglich, meinte Maly. Er erinnerte an die Unterscheidung des deutschen Soziologen Max Weber zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Die SPD sei die "Partei des Friedens, aber wir sind nicht radikal pazifistisch".

Sie müsse sich stets fragen, ob der Zweck die Mittel heilige, und immer das Ende bedenken: "Welche Kollateralschäden könnte ich mit einem bestimmten Verhalten anrichten?" Genau in diesem Dilemma steckt die SPD laut Maly jetzt bei der Frage der Unterstützung für die Ukraine – wie bei den Kriegskrediten nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, dem Engagement im Jugoslawien-Krieg und der Zurückhaltung beim Irak-Krieg.

Er sei froh, so Maly, "dass Bundeskanzler Olaf Scholz nicht dafür bekannt ist, zu allzu großen emotionalen Ausbrüchen zu neigen". Die Grundlagen seiner Politik habe Scholz längst klar gemacht: Die Ukraine dürfe den Krieg nicht verlieren, es dürfe keinen Diktatfrieden geben und die KSZE-Schlussakte müsse gewahrt bleiben, es müsse sich also jeder Staat seine Bündniszugehörigkeit selbst aussuchen können.

Der frühere Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly hielt die Festrede.
Foto: Thomas Josef Möhler | Der frühere Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly hielt die Festrede.

Die Zweck-und-Mittel-Frage hat nach Malys Worten die SPD immer beschäftigt: Welcher Zweck heiligt welche Mittel? Die Sozialdemokraten würden weiterhin an den Maßstäben von Frieden, Freiheit und Solidarität festhalten. Bei den Menschen müssten sie um Vertrauen werben, auch bei veränderten Rahmenbedingungen das Richtige zu tun.

Rolle der Gewerkschaften

Als Geburtsstunde der Lohrer SPD gilt eine Notiz des königlichen Bezirksamts Lohr (entspricht heute dem Landratsamt). Am 22. Februar 1896 habe der frühere Fabrikarbeiter Hermann Kriegling "dahier ein sozialdemokratisches Kränzchen gegründet", das als "politischer Verein zu betrachten ist". 1901 folgte ein sozialdemokratischer Zahlverein, dem auch der Großvater des langjährigen Stadtrats Josef "Seppl" Blenk angehörte.

Die Sozialdemokratie in Lohr sei von Glasmachern gegründet worden, die zur Überzeugung gelangt seien, ihre Situation bessere sich nur, wenn sie zusammenhielten, erläuterte Blenk in einem historischen Rückblick. Über die Gründung von Vereinen wie dem Arbeitergesangverein, einem Turnverein und einem Wanderclub hätten sie versucht, Anerkennung zu finden und Einfluss zu erreichen. Blenk erinnerte an zahlreiche historische Ereignisse wie die Spaltung der SPD 1914 wegen der Kriegskredite, die nur vier Tage währende "Räterepublik" in Lohr 1919 und die Wiedergründung der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gewerkschaften mit der IG-Metall-Schule in der Lindig-Siedlung hätten in der Lohrer SPD immer eine große Rolle gespielt. 1990 sei Siegfried Selinger überraschend als erster Sozialdemokrat zum Lohrer Bürgermeister gewählt worden und es 18 Jahre lang geblieben.

Weiterhin wach bleiben

Zum Zeitpunkt der Wahl Selingers war der heutige SPD-Ortsvorsitzende Marc Nötscher noch gar nicht geboren, der die Feier moderierte. Er riet seinem Ortsverein, sich nicht auf Vergangenem auszuruhen, sondern wach zu bleiben und nach vorne zu blicken.

Die wenigsten Parteien oder Vereine könnten behaupten, einen Zeitraum von 125 Jahre mitgeprägt zu haben, meinte Bürgermeister Mario Paul in seinem Grußwort. Das liege zum einen an den engagierten Menschen in der Sozialdemokratie. Diese sei eine gestalterische Kraft, die im politischen Spektrum nicht fehlen dürfe. Zum anderen seien die Bürger in Lohr froh, dass die SPD als politische Kraft da sei – trotz aller Schwierigkeiten. Es wäre nach Pauls Worten interessant zu eruieren, "wie oft die SPD in ihrer Geschichte schon abgeschrieben worden ist".

Weitere Grußworte kamen von der SPD-Kreisvorsitzenden und stellvertretenden Landrätin Pamela Nembach, der Landtagsabgeordneten Martina Fehlner und dem Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel. Viedeobotschaften schickten SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil und der SPD-Landesvorsitzende Florian von Brunn.

Mitgliederehrung

Für 50 Jahre Mitgliedschaft wurde Karl-Heinz Ebert geehrt. Genauso lang dabei ist Lohrs Altbürgermeister Siegfried Selinger, der zur Feier nicht kommen konnte. Seit 25 Jahren Genossen sind Egid Baus, Richard Eyrich und Ruth Steger. Josef Blenk wurde zum Ehrenvorsitzenden der Lohrer SPD ernannt. Das Parteibuch überreicht bekam Neueintritt Jasmin Kohlhepp.

 
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