Die Geschichte um die Schneewittchenfigur, mit der der Karlstadter Künstler Peter Wittstadt den ersten Lohrer Kunstpreis gewonnen und für Aufsehen gesorgt hat, geht in die nächste Runde: Zwischen Wittstadt und der Stadt Lohr bahnt sich ein Rechtsstreit an, noch bevor das Kunstwerk gefertigt ist.
Grund: Die Stadt Lohr will sich per Vertrag sämtliche Verwertungsrechte an der zu einigem Ruhm gekommenen, gut 100 000 Euro teuren knorrigen Schneewittchenskulptur sichern. Wittstadt hingegen sagt, dass diese Rechte üblicherweise beim Künstler bleiben. Seine Konsequenz: „Ich werde diesen Vertrag nicht unterschreiben.“
Und einen zweiten Streitpunkt gibt es: Der Lohrer Stadtrat hat vor wenigen Wochen beschlossen, dass der Künstler neben seinem knapp drei Meter hohen Schneewittchen auch die kleinere Stele liefern muss, die er beim Kunstpreis im Paket mit der Skulptur eingereicht hatte.
Wittstadt hat mittlerweile jedoch im Boden einzulassende Reliefplatten entworfen. Diese passten besser zum nunmehr festgelegten Standort vor der neuen Lohrer Stadthalle, so der Künstler. Die Stele schließt Wittstadt aus künstlerischen Gründen für diesen Standort aus. Der Stadthallenarchitekt ebenso wie Bürgermeister Mario Paul seien da mit ihm einer Meinung gewesen, sagt er.
Es sei mit Paul abgesprochen gewesen, dass er in Vorleistung gehe und ohne Mehrkosten etliche Reliefplatten entwerfe, woraus Paul vier ausgewählt habe, so Wittstadt. Dass der Stadtrat diese Reliefplatten ablehnte und stattdessen wieder auf die Stele pocht, will Wittstadt nicht akzeptieren.
Daneben will er aber auch die Frage der Verwertungsrechte juristisch klären lassen. Er hat daher Kontakt zur Rechtsabteilung des Berufsverbandes der Künstler aufgenommen. Auch dieser rate dazu, die Verwertungsrechte nicht an die Stadt abzutreten, sagt Wittstadt.
Diese Rechte spielen dann eine Rolle, wenn beispielsweise Postkarten oder T-Shirts mit der Schneewittchenfigur bedruckt werden oder die Figur in sonstiger Form vermarktet wird. T-Shirts, Tassen und Aufkleber mit in Anlehnung an Wittstadts Skulptur verfremdeten Schneewittchenfiguren waren in Lohr zuletzt ein Verkaufsschlager.
Wittstadt sagt, dass er ein Mitspracherecht haben möchte, wie seine Figur vermarktet wird. Wenn aus dieser Vermarktung ein richtiges Geschäft werden sollte, wolle er überdies als Künstler in einer Größenordnung von vielleicht zehn bis 15 Prozent beteiligt sein.
Guss vorerst aufgeschoben
Ob der sich anbahnende Rechtsstreit Auswirkung auf die Fertigstellung der Schneewittchenskulptur haben wird, ist offen. Spätestens zur Eröffnung der Stadthalle Ende 2016 soll die Figur stehen.
Wittstadts Gipsmodell wurde mittlerweile zu einer Gießerei nach Tschechien gebracht. Der Künstler hat jedoch die Anweisung gegeben, mit dem rund 30 000 Euro teuren Bronzeguss noch nicht zu beginnen. Schließlich habe er von der Stadt noch kein Geld bekommen, begründet Wittstadt.
Der Künstler bewertet das Agieren der Stadt und des Stadtrates als „nicht endenwollende Farce“. Der Stadtrat habe bei seinem Beharren auf die Stele nicht die Gesamtsituation im Blick. In seiner „selbsternannten Fachkompetenz für Kunst“ arbeite das Gremium in Unkenntnis und gegen die Kompetenz des Künstlers und gegen die Kunst im Allgemeinen, so Wittstadt. Der Stadtrat verwehre den Bürgern die Möglichkeit, durch das Befassen mit Kunst weiterzukommen, halte „die Bürger für zu blöd“. Das zunächst nicht an die Gesellschaft gerichtete, bisweilen exzentrisch wirkende Schaffen eines Künstlers biete dem Betrachter die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln, so Wittstadt.
Er arbeite als Künstler zukunftsorientiert für die Stadt Lohr und darüber hinaus. Seine Arbeit habe die Jury des Lohrer Kunstpreises überzeugt, „mutig und einstimmig dafür zu stimmen“. Der Lohrer Stadtrat hingegen sei offenbar nicht bereit, ihn als Künstler ernst zu nehmen, so Wittstadt spürbar angefressen.
Lohrs Bürgermeister Mario Paul zeigte sich angesichts der Aussagen Wittstadts in einer Stellungnahme „etwas verwundert“. Bei dem von Wittstadt kritisierten Vertrag handle es sich um einen Entwurf, die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. Paul erachtet offenbar auch die Entscheidung des Stadtrates gegen die Reliefplatten nicht unbedingt als endgültig. Er persönlich sei weiterhin für diese und gegen die Stele. Wenn Wittstadt den Vertragsentwurf in seiner jetzigen Fassung nicht unterzeichnen wolle, solle er auf die Stadt Lohr zukommen und die Verhandlungen fortführen, „ganz so, wie es üblich ist“, so Paul.
Dass die Stadt Lohr die Schneewittchen-Skulptur so nicht haben wollte ist erst einmal durchaus nachvollziehbar. Doch spätestens nach dem glücklichen Zufall einer satirischen Betrachtungsweise, die dann enormen Bekanntheitsgrad als "Horrorwittchen" erlangte, hätte jedem Stadtrat parteiunabhängig die Augen aufgehen müssen. Stattdessen schliefen sie weiter und versäumten, darin rechtzeitig die Chance einer unbeabsichtigten aber einmaligen Lohrer Attraktion zu erkennen.
Jetzt ist es schon fast zu spät. Es ist in höchstem Maße verwerflich, wenn sich die Stadt Lohr nun hinterher alle Rechte sichern will, die ihr gar nicht zustehen.
In erster Linie gebührt dem Künstler Wittstadt das Recht an seinem Werk.
Noch könnte man sich durchaus einigen, wenn man guten Willens wäre. Dies käme nicht nur den Beteiligten, sondern der ganzen Region zugute.