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Lohr
Lohrer Schloss: Als den Rieneckern ihre Burg zu klein wurde
Aus der Geschichte Main-Spessarts (34): Schneewittchen soll im Lohrer Schloss einst gelebt haben. Heute ist das Stadtmuseum dort untergebracht. Das Lohrer Schloss ist das Wahrzeichen der Stadt.
Der Schlossplatz 1834, kolorierte Lithografie von Gustav Kraus.
Foto: Karl Anderlohr | Der Schlossplatz 1834, kolorierte Lithografie von Gustav Kraus.
Karl Anderlohr
 |  aktualisiert: 16.03.2021 02:15 Uhr

Durch die Kellereigasse, die Obere oder die Untere Schlossgasse kommt man auf den Lohrer Schlossplatz. Bis vor wenigen Jahrzehnten war er noch durch Mauern vor den Ämtergebäuden eingeengt. Sie hielten seit dem 19. Jahrhundert die Bürger auf achtunggebietende Distanz vom Schloss (damals Bezirksamt) und anderen Amtsgebäuden. Auf der Lithografie von Gustav Kraus aus dem Jahr 1834 fehlen diese Mauern noch, aber die Weite des Platzes ist trotzdem wohl eher Ausdruck der künstlerischen Freiheit des Zeichners, als eine getreue Wiedergabe der Realität .

Die Grafen von Rieneck und wohl schon deren Vorfahren, über die wir nur lückenhafte und teilweise unsichere Informationen haben, wohnten ursprünglich in einer Burg auf dem Kirchenhügel an der Stelle der späteren Kapuzinerkirche. Um sie herum entwickelte sich eine mit Mauern gesicherte Siedlung, die zunächst wohl im Westen bis zur Lohrtor- und Turmstraße reichte. Im Osten und Süden lag vor der Mauer das Viertel der Fischer, Schiffer und Bootsbauer.

Die heutige Stadtpfarrkirche entstand aus sehr bescheidenen Anfängen und war wohl ursprünglich eine Art Burgkapelle. Mit wachsender Bevölkerung wurde die Kirche bald zu klein und wurde mehrfach erweitert. Damit wurde aber das Burggelände immer mehr eingeschränkt. Als die Siedlung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts planmäßig in Richtung Westen zur Stadt erweitert wurde, bauten sich die Grafen in der nordwestlichen Ecke ein neues Schloss.

Bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts war das Lohrer Schloss noch stattlicher als heute. Das zeigt ein Ausschnitt aus dem Merian-Stich in der Topographia Franconiae (1648).
Foto: Repro Karl Anderlohr | Bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts war das Lohrer Schloss noch stattlicher als heute. Das zeigt ein Ausschnitt aus dem Merian-Stich in der Topographia Franconiae (1648).

Der "Dicke Turm" neben der Kirche stand noch bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts und wurde vermutlich von niederadeligen Dienstleuten und gräflichen Beamten genutzt. Der Merian-Stich von Lohr von 1648 zeigt ihn noch. Ein fester Wohnturm nach französischem Vorbild, Donjon genannt, bildete auch den Kern des neuen Schlosses. Der wehrhafte Eindruck wurde gemildert durch schlanke Ecktürmchen.

Nördlich und südlich des Donjon erstrecken sich zwei Gebäudeflügel und im rechten Winkel dazu auf der Nordseite ein weiterer Trakt, der heute nicht mehr existiert. Der vermauerte frühere Durchgang zwischen den beiden Bauteilen ist noch sichtbar. Das Schloss wurde zur Lohr hin durch den steil abfallenden Hang geschützt, nach Westen und zur Stadt durch einen Graben. Der Zugang erfolgte über eine Zugbrücke. Der Graben wurde vor wenigen Jahrzehnten teilweise wieder ausgehoben, wenn auch nicht in der alten Tiefe. Damit ist der frühere Zustand wieder erkennbar.

Schloss im Bauernkrieg nicht zerstört

Einem bewaffneten Aufstand der Bürger hätten die Verteidigungsanlagen wohl nicht lange standgehalten. Von einem solchen ist aber nichts überliefert. Im Bauernkrieg wurden die Lohrer zwar aufgefordert, dem Beispiel von Karlstadt und Gemünden zu folgen und sich den Bauernhaufen anzuschließen. Über eine Beteiligung an Belagerungen oder Zerstörungen ist aber nichts bekannt –im Gegensatz dazu wurde das Rienecker Schlösschen in Rodenbach zerstört, in Wombach eine feste Kemenate.

Über den Aufenthalt des Grafen Philipp III. und seiner Gemahlin Margarethe von Erbach während des Aufstandes ist nichts bekannt. Vielleicht gab es ein ungeschriebenes Stillhalteabkommen zwischen ihnen und den Lohrer Bürgern. Dazu passt, dass der Graf sich nach der Niederschlagung der Aufstände damit begnügte, den Lohrern "zur Strafe" für zehn Jahre alle Privilegien zu entziehen. Im Vergleich zu den blutigen Racheaktionen seiner Nachbarn war das eine mehr als milde Reaktion. Das brachte ihm eine Beschwerde des Würzburger Fürstbischofs Konrad von Thüngen beim Kaiser ein, aber Karl V. bedeutete dem Bischof höflich aber bestimmt, dass Graf Philipp kein Würzburger Vasall sei, sondern einer der vier Burggrafen des Heiligen Römischen Reiches und der Fürstbischof sich in die Angelegenheiten seines Nachbarn nicht einzumischen habe.

Wandmalerei: Jagd mit dem Falken, um 1460
Foto: Karl Anderlohr | Wandmalerei: Jagd mit dem Falken, um 1460

Aus der Ära der Rienecker ist im Schloss unter anderem ein Wandgemälde erhalten, das einen Mann mit einem Falken und eine Frau gemeinsam auf einem Pferd zeigt. Das Wappen  von Eppstein-Königstein unter dem Bild und ein Sandsteinrelief mit dem Allianzwappen Rieneck-Königstein und der Jahreszahl 1460 erlauben eine genauere Datierung, denn Margaretha von Eppstein-Königstein, die Graf Philipp II. 1430 geheiratet hatte, starb bereits 1463.    

1559 starb Graf Philipp III. von Rieneck als Letzter seines Geschlechts. Damit fielen die Grafschaft Rieneck, die Stadt Lohr und das Schloss als heimgefallenes Lehen an das Erzstift Mainz. Die Mainzer Kurfürsten und Erzbischöfe ließen den Neuerwerb durch adelige Oberamtmänner verwalten, die im Schloss residierten. Es wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrfach umgebaut, die Einrichtung modernisiert.

Schneewittchen und die sieben Zwerge: Die Märchenfigur ist was Wahrzeichen der Stadt Lohr. Das Bild zeigt Spielzeugfiguren vor dem Lohrer Schloss, in dem Schneewittchen der Legende nach einst gelebt haben soll.
Foto: Johannes Ungemach | Schneewittchen und die sieben Zwerge: Die Märchenfigur ist was Wahrzeichen der Stadt Lohr. Das Bild zeigt Spielzeugfiguren vor dem Lohrer Schloss, in dem Schneewittchen der Legende nach einst gelebt haben soll.

Dokumentiert sind diese Umbauten durch die Wappen der jeweiligen Kurfürsten. Zu den bedeutendsten Lohrer Oberamtmännern gehörte von 1719 bis 1788 Philipp Christoph von Erthal, der sich auch als "Kavalierarchitekt"  und als Diplomat einen Namen machte. Zwei seiner drei Söhne brachten es als Erzbischof und Kurfürst von Mainz und als Fürstbischof von Würzburg und Bamberg in den Rang von Reichsfürsten.

Sogar Kaiser waren zu Besuch

Die Kurfürsten selbst besuchten häufig die Stadt Lohr und das Schloss zur Entgegennahme der Erbhuldigung, zu Verhandlungen mit  dem Würzburger Fürstbischof oder zu anderen wichtigen Anlässen. Auch kaiserliche Aufenthalte in Lohr auf der Rückreise nach der Wahl und Krönung in Frankfurt über Würzburg und Nürnberg nach Wien sind überliefert, so von Kaiser Matthias (1612 - 1619) und Kaiser Ferdinand II. (1619 - 1657). Weniger willkommen war der Schwedenkönig Gustav Adolf, der am 18. März 1632 mit einem Heer von 20.000 Mann nach Lohr kam und hier übernachtete.

Das 'Fürstenzimmer'  mit Renaissance-Ofen und Porträt von Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal.
Foto: Repro Karl Anderlohr | Das "Fürstenzimmer"  mit Renaissance-Ofen und Porträt von Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal.

Damals war das Schloss noch größer als heute. Das zeigt nicht nur der Merian-Stich von 1648, sondern auch der Baubefund. Nach einem Brand wurde es nicht mehr in der alten Höhe aufgebaut; der Flügel entlang der heutigen Haaggasse wurde ganz abgebrochen. Von der Inneneinrichtung ist aus kurmainzischer Zeit ein Prunkofen mit  Wappen des Kurfürsten Wolfgang von Dalberg (reg. 1582 - 1601) erhalten und im selben Zimmer eine seltene und wertvolle Textil-Tapete.

Nach dem Ende des Mainzer Erzstifts kam Lohr 1814 mit dem kurzlebigen Fürstentum Aschaffenburg zum Königreich Bayern, das das Schloss als Verwaltungsgebäude für das Bezirksamt Lohr nutzte. Das manifestiert das wuchtige Wappen aus Sandstein über dem Eingang zum Treppenturm. Der kunstsinnige König Ludwig I. ordnete in der irrigen Meinung, dies sei das Geburtszimmer des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal an,  dass das sogenannte Fürstenzimmer im 1. Stock nicht verändert werden dürfe – eine denkmalpflegerische Maßnahme, die bis in die Gegenwart gilt. Dem 1936 gegründeten Spessartmuseum kam sie sehr zugute.

Zum Autor:  Karl Anderlohr war von 1972 – 2005 Redakteur bei der Lohrer Zeitung und der Main-Post; seit 1967 Mitglied und 2. Vorsitzender, ab 1977 bis 2017 Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr; seit 2017 Ehrenmitglied.

 
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