
Des einen Freud, des anderen Leid: Der bevorstehende Baubeginn für die neue Zentralklinik des Landkreises Main-Spessart in Lohr gilt als Meilenstein bei der Sicherung und bestenfalls Steigerung der medizinischen Versorgung in der Region. Für einen Verein stellt das Vorhaben jedoch ein Problem dar: Dem Lohrer Reit- und Fahrverein geht durch das Bauvorhaben auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses ein Großteil seiner Koppelflächen verloren.
Wie Vorsitzender Heiner Schmitt und Geschäftsführerin Nicole Weis erklären, ist durch den Flächenverlust die Möglichkeit, Einstellplätze an Pferdehalter zu vermieten, deutlich eingeschränkt. Doch der seit über 50 Jahren existierende Verein will aus der Not eine Tugend machen. Der Plan ist, verstärkt auf Angebote wie Reitunterricht und Voltigieren zu setzen. Hier, so sagen Schmitt und Weis, hat der Betrieb nach der pandemiebedingten Flaute wieder spürbar Fahrt aufgenommen.
Aktuell gut 230 Mitglieder
Der Reit- und Fahrverein zählt laut Schmitt aktuell gut 230 Mitglieder. Seit vielen Jahren hat er einen Teil der Stallungen des ehemaligen Gutshofs auf dem BKH-Gelände gepachtet. Den anderen Teil nutzt der Bezirk selbst für seine eigenen Therapiepferde. Die in den 1990er-Jahren auf Bezirksgrund gebaute, 20 mal 60 Meter große Reithalle, gehört dem Reit- und Fahrverein. Auch das BKH nutzt sie für seine Reittherapie. Eng verzahnt sind Bezirkskrankenhaus (BKH) und Verein seit vielen Jahren auch bei den Koppeln. Gut sechs Hektar groß ist die zwischen BKH und Wombach gelegene Wiesenfläche, die der Verein zuletzt gepachtet hatte, um die Pferde dort grasen zu lassen. Auch ein Sprungplatz befand sich auf dem Gelände. Doch damit ist nun Schluss. Wie Schmitt erklärt, kündigte der Bezirk den Pachtvertrag, nachdem klar war, das dort die Zentralklinik gebaut wird. Andernfalls hätte sich der Vertrag automatisch verlängert.
Die Kündigung war jedoch verbunden mit dem Angebot, eine andere, allerdings deutlich kleinere Ersatzflächen direkt hinter der Reithalle nutzen zu können. Sie umfasst lediglich gut 8000 Quadratmeter, also rund ein Achtel der vorherigen Koppelflächen. Um das Areal für die Nutzung als Koppel herzurichten, habe der Verein rund 20.000 Euro investiert, so Schmitt. Zusätzlich habe das BKH dem Verein gut 3,2 Hektar Wiesenfläche in einiger Entfernung zwischen "Millionenviertel" und Waldrand zur Verfügung gestellt. Diese Flächen seien jedoch sehr weit entfernt von den Stallungen, was die Nutzung als Koppel deutlich erschwere. Auf jeden Fall jedoch könne man auf diesen Flächen Futter gewinnen, so Schmitt. In welchem Umfang, sei jedoch noch offen. Grund: Es gibt eine Anfrage des Klinikums, ob man rund ein Drittel dieser Fläche zum Zwischenlagern von Erdaushub nutzen könne. Die Verhandlungen laufen, so Schmitt.
"Schon ein Problem"

Generell bedeute der Flächenschwund für den Reit- und Fahrverein "schon ein Problem", so der Vorsitzende: "Wenn jemand ein Pferd herstellen will, fragt er nach Koppelflächen." Denn üblich sei, dass die nachts in den Ställen stehenden Pferde tagsüber auf die Weiden kommen. Vom Luxus üppiger Koppelflächen sei man nun zurückgefallen auf ein Maß, das ausreiche, die vorhandenen Pferde unterzubringen, sagt Schmitt. Doch für viel mehr Pferde reiche das Areal direkt neben dem Reitstall nicht aus.
Noch vor wenigen Jahren, so Schmitt, seien in den Stallungen des Vereins knapp 30 Pferde gestanden. Heute sind es weniger als die Hälfte. Der Verein hat aktuell sieben eigene Pferde. Sieben weitere Boxen sind an private Halter vermietet. 13 Boxen stehen leer. Manche Pferdebesitzer hätten das nicht eben billige Hobby aufgegeben, erklärt Schmitt den Schwund. Andere seien abgewandert. Nun gebe es zwar wieder Anfragen. Doch jetzt fehle es an Koppelflächen für größeren Pferdezuwachs. Weniger Pferde in den Ställen bedeute für den Verein, der laut Schmitt zwei Mitarbeiter für den Stallbetrieb beschäftigt, nicht nur einen Einnahmeverlust. Es fehle vor allem auch an Menschen auf der Anlage, die sich deren Pflege verpflichtet fühlten. "Der Reitverein lebt von denen, die vor Ort sind", sagt Schmitt. Der Vereinsvorsitzende und Weis verhehlen nicht, dass es ihnen lieber gewesen wäre, wenn die neue Zentralklinik woanders gebaut würde. Doch sie sagen auch: "Wir müssen jetzt damit leben."
Weniger Weidefläche im Sommer
Wichtig sei, dass die Pferde überhaupt die Möglichkeit hätten, rauszukommen auf die Koppeln. Diese seien noch immer groß genug für eine artgerechte Haltung. Um den Pferden das Austoben zu ermöglichen, wolle man sie vermehrt auch in der Reithalle laufen lassen. Das freilich erhöhe den Pflegeaufwand für den dortigen Boden. Höher sein werde auch der Futterbedarf, so Schmitt. Schließlich stehe den Pferden den Sommer über weniger Weidefläche zur Verfügung. "Die Grasphase fällt weg", so Schmitt. Er gehe davon aus, dass man deshalb rund ein Drittel mehr an Futter benötige.
Mit einem Mehr rechnet der Verein allerdings auch bei seinen Reitschülern. Man wolle den Schulbetrieb ausweiten, sagen Schmitt und Weis. Die Nachfrage sei da, es gebe sogar eine Warteliste. Knapp 50 Schülerinnen und Schüler nutzen das Angebot aktuell. Um es ausbauen zu können, hat der Verein jüngst ein zusätzliches Pferd angeschafft. Auch das Voltigieren läuft nach der Corona-Pause wieder. Rund ein Dutzend Kinder ab sechs Jahren vollführen dabei regelmäßig turnerische Übungen auf und am Pferd.
Trotz der für den Verein erschwerten Bedingungen gebe es also auch Anlass, optimistisch zu sein, so Schmitt und Weis. Das Interesse am Reitsport und den Angeboten des Vereins nehme ganz offensichtlich zu.