
Seit fünf Jahren gilt die Stadt Lohr als eine von bayernweit wenigen Modellkommunen in Sachen Artenschutz und Biodiversität. An verschiedensten Stellen hat man seither den Hebel angesetzt, um Etikett und eigenem Anspruch Rechnung zu tragen. Der nächste Schritt sollte ein Chemieverbot auf städtischen Äckern und Wiesen sein. Doch die Räte konnten sich nicht auf ein bereits abgemildertes Regelwerk einigen. Die Debatte war kontrovers.
Bereits 2023 hatten Grüne und ÖDP ein Verbot von Spritzmitteln und Dünger auf von der Stadt verpachteten Flächen beantragt. Im Umweltausschuss des Stadtrats begründete Clemens Kracht, Fraktionsvorsitzender der Grünen, den damaligen Antrag nun damit, dass Lohr als Modellkommune in Sachen Biodiversität zu vorbildlichem Handeln verpflichtet sei. Es gehe um die Verantwortung für kommende Generationen.
Allerdings habe sich in zwischenzeitlichen Gesprächen gezeigt, dass ein absolutes Verbot von Spritz- und Düngemitteln "zu Konflikten führen würde", so Kracht. Deswegen, so erklärte der städtische Umweltbeauftragte Manfred Wirth, habe man in interfraktioneller Arbeit einen Kompromiss erarbeitet. Dieser solle gleichermaßen den Erfordernissen des Artenschutzes und der Landwirte Rechnung tragen.
"Sehr schlankes" Regelwerk
Das Regelwerk sei "sehr schlank", so Wirth. Auch enthalte es großzügige Übergangsfristen und Ausnahmen für Härtefälle. Im Detail sieht das "Regularium zum Umgang mit städtischen Grünland- und Ackerflächen" ein Verbot für Chemikalien aller Art vor, insbesondere von Pestiziden sowie synthetischem Stickstoff. Das Gleiche gilt für das Ausbringen von Gülle. Festmist hingegen dürfte breitflächig ausgebracht werden.
Gelten soll das Regelwerk ab Januar 2026 für neu abgeschlossene Pachtverträge. Ab dann würde die Stadt nur noch sogenannte "Umweltpachtverträge" neu abschließen. Deren Besonderheit ist, dass der Verzicht auf Chemie und Gülle in der Form honoriert wird, dass kein Pachtzins fällig wird. Die Flächen würden den Landwirten also kostenfrei überlassen. Für Flächen mit bestehenden Pachtverträgen wäre laut Wirth eine Übergangsfrist bis Anfang 2028 vorgesehen, mit Option auf Fristverlängerung um ein Jahr.
Ein Abweichen vom Chemieverbot sieht das Regelwerk für "besondere Kalamitätenlagen von mindestens regionaler Dimension" vor, also beispielsweise bei hohem Insekten-, Schnecken- oder Mäusebefall. Auf Antrag des Pächters soll die Verwaltung überdies in Härtefällen selbstständig über Ausnahmen entscheiden können.
Das Regelwerk würde nur für einen Teil der städtischen Äcker und Wiesen gelten. Ausgenommen wären laut Wirth jene Flächen, die inselartig in als Gesamtfläche bewirtschafteten Arealen liegen. In solchen Fällen, so erklärte Umweltreferent Wirth, sei das Aussparen von Teilflächen nicht praktikabel.
Nicht mit großen Agrarflächen vergleichbar
In der Diskussion überwog die Ablehnung des Regelwerks. So sprach Michael Kleinfeller (CSU) davon, dass man die kleinteilige Lohrer Landwirtschaft nicht mit großen Agrarflächen vergleichen könne. Korn- und Mohnblumen in Sendelbacher oder Steinbacher Äckern zeugten davon, dass "unsere Landwirte nicht alles totspritzen". Das sei wenige Kilometer weiter auf der fränkischen Platte schon ganz anders, so Kleinfeller.
Karl-Hermann Hummel (Bürgerverein) bezeichnete "Landwirte als Naturschützer Nummer 1". Man solle ihnen vertrauen. Mit Blick auf das von Stadt seit Jahren propagierte Thema des Artenschutzes und das Regelwerk für die Pachtflächen sagte Hummel: "Wir können eine Zeichen setzen, müssen aber nicht."
Brigitte Riedmann (Freie Wähler) sagte, dass man in Zeiten einer unsicheren Weltlage die Nahversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten im Auge behalten müsse. Michael UIlrich (CSU) erklärte, dass "kein Landwirt aus Jux und Tollerei" spritze.
Mathilde Lembach (Grüne) hingegen sagte, dass das "Artensterben bei Insekten vor allem durch das Spritzen" komme. Sie warnte vor "chinesischen Zuständen", bei denen Obstbäume wegen fehlender Insekten zum Teil von Menschenhand bestäubt würden.
Clemens Kracht (Grüne) forderte, dass man den Worten endlich Taten folgen lassen müsse. Ein städtisches Strategiepapier zur Biodiversität bringe nichts, wenn es "ungenutzt in der Schublade" liege.
Auch Bürgermeister Mario Paul leitete aus der Lohrer Biodiversitätsstrategie "den klaren Auftrag" ab, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Es sei Stand der Wissenschaft, dass Pestizide und Dünger die Artenvielfalt gefährden. Der Artenschwund gelte neben dem Klimawandel als größte Gefahr für den Planeten. Man brauche die Landwirte als Partner. Das spiegle sich in den Details des geplanten Regelwerkes wider, so Paul.
Landwirt schildert seine Sicht
Die Diskussion wurde von mehreren Landwirten verfolgt. Einer von ihnen, Lukas Dietrich, schilderte schließlich auf Wunsch des Gremiums seine Sicht auf ein Chemie- und Gülleverbot. Der Landwirtschaftsmeister, der in dritter Generation einen Hühnerhof betreibt, erklärte, knapp fünf Hektar Ackerland von der Stadt gepachtet zu haben.
Es werde "nicht irgendwas aufs Feld gekippt", sondern nach Bodenproben nur das ausgebracht, was den Pflanzen fehle, "kein Liter zu viel, weil es viel Geld kostet". Dietrich sagte auch: "Wo kein Dünger ist, kann nichts wachsen." Er verwies darauf, dass er beispielsweise in Sendelbach freiwillig und ohne Fördergelder mehrere Hektar Phacelia angesät habe. Die Pflanze gilt als Bienenweide und dient der Gründüngung.
Dietrich äußerte sein Unverständnis darüber, dass sich die Stadt Gedanken über zusätzliche Auflagen für recht kleine Pachtflächen mache. Lohr besitze mehrere Tausend Hektar Wald, sagte der Landwirt und fügte hinzu: "Wenn das kein Artenschutz ist."
Nachdem mit Dietrich ein Landwirt im Rat seine Sicht hatte schildern können, soll nun auch noch ein Vertreter des Artenschutzes gehört werden. Deswegen beschloss der Umweltausschuss am Ende einstimmig, das Thema demnächst erneut im Stadtrat zu behandeln.
Die Ansaat der aus Nordamerika stammenden Phacelia mag gut für den Boden sein (Gründüngung), hilft unserer heimischen Insektenwelt - mit teils hochspezialisierten Insekten - jedoch wenig. Allenfalls der Honigbiene, die ich aber eher unter den Nutztieren ansiedeln möchte.
Außerdem ersetzt der hier erwähnte Wald keine Wiese im Sinne des Artenschutzes und dem Erhalt der Biodiversität.
Es braucht mehr Aufklärung...