Jetzt ist volle Konzentration angesagt: Einer der Grundschüler beantwortet gerade Fragen zu einer Lesegeschichte auf seinem Arbeitsblatt, ein anderer übt Schönschrift mit dem Füller. Sie machen fleißig ihre Hausaufgaben, sind dabei aber nicht auf sich allein gestellt. Ehrenamtliche sitzen im Klassenzimmer der Awo-Hausaufgabenhilfe in der Lohrer Grundschule neben ihnen. Die beiden Frauen unterstützen an diesem frühen Mittwochnachmittag vier Jungs dabei, ihren Lernstoff zu meistern.
Derzeit besuchen 29 Kinder der 1. bis 4. Klasse die von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) angebotene Hausaufgabenhilfe in der Lohrer Grundschule. Viele davon haben einen Migrationshintergrund und nur geringe Deutschkenntnisse. Petra Meyer, die die Hausaufgabenhilfe seit 2016 hauptamtlich leitet, erzählt von sprachlichen Hürden, die am Anfang noch mit Bildern und "Sprechen mit Hand und Fuß" überwunden werden. "Nach einem halben Jahr haben die meisten Kinder ein Level erreicht, wo sie zwar nicht jedes Wort, aber den Sinn des Gesagten verstehen", erklärt die 63-Jährige.
Eins-zu-eins-Betreuung ideal
Die Hausaufgabenhilfe bemüht sich nach Aussage Meyers, eine Eins-zu-eins- oder Eins-zu-zwei-Betreuung zu gewährleisten. "Wir erklären den Kindern den Stoff so lange, bis sie es verstanden haben", betont sie. Den Unterschied zwischen der von der Awo angebotenen Hausaufgabenhilfe und der während der Offenen Ganztagsschule geleisteten Hausaufgabenbetreuung macht sie nicht nur an der Intensität der Unterstützung und dem Betreuungsschlüssel fest. "Bei uns gehen die Kinder nach Hause, nachdem sie die Hausaufgaben erledigt haben", sagt die 63-Jährige, die selbst Grundschulpädagogin ist.
Die Hausaufgabenhilfe ist zeitlich gestaffelt: Die ersten Schülerinnen und Schüler kommen von Montag bis Donnerstag um 11.15 Uhr, die letzten um 14 Uhr. Manchmal seien bis zu 14 Kinder gleichzeitig in der Gruppe, um ihre Hausaufgaben zu machen, sagt Petra Meyer. Schon da wird es schwierig, den angestrebten Betreuungsschlüssel zu halten. Denn neben der Leiterin engagieren sich aktuell nur fünf Ehrenamtliche und eine junge Frau, die ihren Bundesfreiwilligendienst bei der Awo absolviert, in der Hausaufgabenhilfe. Die meisten von ihnen sind auch nur bestimmte Tage in der Woche im Einsatz.
Seit Ende Juni eine Ehrenamtliche abgesprungen ist, hat Petra Meyer ein Problem: "Wir haben zu wenige Helfer." Schweren Herzens musste sie bereits zwei Kindern absagen, die bei den Hausaufgaben eigentlich Hilfe nötig hätten, verrät die Gemündenerin. Deshalb sucht sie nun weitere ehrenamtliche Unterstützer, um das Angebot weiter in der gewohnten Qualität aufrechterhalten zu können. Auch Praktikanten und Bufdis seien immer willkommen.
Pädagogische Vorkenntnisse sind nach Aussage Meyers nicht nötig. Mit dem Unterrichtsstoff der 1. bis 4. Klasse sollte man aber klar kommen, um den Kindern helfen zu können. Als Grundvoraussetzungen zählt die Leiterin der Hausaufgabenhilfe "Geduld, Verständnis und Empathie" auf. Sie weist im Gespräch mit der Redaktion auch darauf hin, dass "die Kinder teils eine große Last mit sich herumtragen". Das könne auch mal zu Kasperei, Schreierei oder Aggressionen führen. Der 63-Jährigen ist es aber wichtig, dass sich die Helfer und die Kinder gegenseitig Respekt entgegenbringen.
Als Vorteil der engmaschigen Hausaufgabenhilfe nennt Petra Meyer ihre Flexibilität und Aufmerksamkeit und die ihrer ehrenamtlichen Helferinnen. "Das Kind steht immer absolut im Mittelpunkt", betont sie. Bei den einen komme man eher mit Humor weiter, mit anderen müsse man sehr zielgerichtet und strukturiert arbeiten, veranschaulicht sie die individuellen Unterschiede. "Es ist für uns ein Segen, dass es die Awo seit 1978 an der Schule gibt", lobt Rektor Wolfgang Schmitt das Angebot.
Auch Eva Wenzel aus Lohr ist den Helfern sehr dankbar. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern hat gute Erfahrungen mit der Awo-Hausaufgabenhilfe gemacht. Ihr zehnjähriger Sohn und ihre 13-jährige Tochter hätten beide davon profitiert. "Meine Kinder waren relativ froh, dass sie nicht mit mir Hausaufgaben machen mussten, weil ich nicht so gut erklären kann", erzählt die 37-Jährige. Ihr Sohn sei bei den ganzen Kindern in der Offenen Ganztagsschule etwas untergegangen, schildert Wenzel ihren Eindruck.
Durch die Hausaufgabenhilfe hätten ihre Kinder mehr Sicherheit in schulischen Dingen bekommen. "Das war eine riesige Erleichterung für mich, weil es mich entlastet hat", sagt die alleinerziehende Mutter. Selbst als während der Corona-Pandemie die Schule geschlossen bleiben musste, konnte Eva Wenzels Tochter auf die Hausaufgabenhilfe bauen. Über WhatsApp und Telefon hielten Petra Meyer und ihr Team Kontakt zu zwölf Schülern und machten die Hausaufgaben, mit dem Hörer daneben, auch weiterhin gemeinsam. "Das ging morgens um 8.30 Uhr los und manchmal bis 19 Uhr abends. Danach saß ich mit glühenden Ohren da", erzählt Meyer.
Aber auch in normaleren Zeiten wird die Arbeit der Hausaufgabenhelferinnen von den Kindern sehr geschätzt: Kürzlich hat die Deutschlernklasse dem Awo-Team eine Karte übergeben, auf der jeder Schüler ein handschriftliches Danke hinterlassen hat. Das motiviert die Helferinnen, weiterhin ihr Bestes zu geben, damit die Schüler am Ende der 4. Klasse in der Lage sind, ihre Hausaufgaben eigenständig zu erledigen. Und weil auch die Helferinnen Hilfe brauchen, würden sie sich über weitere ehrenamtliche Unterstützung für das kommende Schuljahr freuen.
Wer bei der Hausaufgabenhilfe der Awo in der Lohrer Grundschule mitmachen möchte, kontaktiert Petra Meyer unter (0157) 56028229 oder per Mail an elbsprotte@web.de.