Was für ein Sommer! Das denkt sich derzeit so mancher angesichts von anhaltendem Regen und recht kühlen Temperaturen. In den vergangenen Jahren war es mitunter genau umgekehrt. Da hieß es zwar auch "Was für ein Sommer", allerdings aufgrund von großer Hitze und Trockenheit. Der Wald war nach diesen Sommern schwer gezeichnet. Wie sieht es jetzt aus? Haben sich die Bäume erholt? Sind die Wasserspeicher im Boden wieder aufgefüllt?
"Nein", antwortet Ludwig Angerer, Leiter das Karlstadter Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Er vergleicht den derzeitigen Regen mit einem Glas Wasser, "das den Durst nicht stillt". Grundwasservorräte würden im Winterhalbjahr aufgefüllt, sagt Angerer. Im Sommer hingegen verdunsteten Bäume viel von dem Wasser, das sie über die Wurzeln aufnehmen, sogleich wieder über die Blattoberfläche.
Boden nicht tief durchfeuchtet
Im Boden seien derzeit vielfach nur die ersten 60 oder 70 Zentimeter durchfeuchtet. "Weiter unten ist der Regen noch gar nicht angekommen", so Angerer. Wie er will auch Michael Neuner, Leiter der Forstverwaltung der Stadt Lohr, nicht von einer Entspannung sprechen, bestenfalls von einer kurzen Verschnaufpause für den Wald. "Die nächste Hitze kommt bestimmt", sagt Neuner. Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels seien für die Forstwirtschaft längst zur Daueraufgabe geworden.
Die Spuren von Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre kann man fast überall im Wald finden. Ein im wahrsten Wortsinn "Hotspot" ist laut Neuner der Buchenberg oberhalb von Sendelbach, ein sonnenexponierter Südhang mit vergleichsweise sandigen Böden. Dort ist der Wald gespickt mit sichtlich geschwächten oder bereits abgestorbenen Bäumen. Im Luftbild sind überall braunrot gefärbte Kronen von Kiefern zu sehen, daneben dürre oder deutlich entlaubte Buchen. Auch Fichten und Lärchen sind laut Neuner deutlich gezeichnet.
Am schlimmsten sei es jedoch bei der Kiefer, sagt Neuner: "Sie zeichnet enorm." Allerdings leide sie weniger unter der Trockenheit, sondern unter zu großer Hitze. Durch sie sterbe die Wachstumsschicht unter der Rinde ab, erklärt der Forstmann. Zunächst zeige sich die Not der Kiefern an Mistelbefall und fahlgrünen Nadeln. Wenn die Krone erst mal rot ist, ist der Baum abgestorben.
Anfällig für den Borkenkäfer
Auch viele Fichten sind geschwächt und so besonders anfällig für den Borkenkäfer. Die derzeit ergiebigen Niederschläge könnten dazu beitragen, dass manche Fichten den Käfern vorübergehend mehr Abwehrkräfte entgegensetzen können, sagen Neuner und Angerer. Doch es gab auch heuer zwischen dem eher nasskalten Frühjahr und der derzeitigen Regenperiode bereits Wochen, in denen die städtischen Forstleute vor allem mit der Suche nach vom Käfer befallenen Fichten beschäftigt waren. Mittlerweile werde Käferbefall auch bei anderen Baumarten wie Lärche oder Kiefer zunehmend zum Problem.
Es gebe für Förster und Waldarbeiter "kaum mehr eine Verschnaufpause", sagt Neuner. Die Zeiten, in denen Holzfällung ein aufs Winterhalbjahr beschränktes Saisongeschäft war, seien vorbei, so der Forstmann. Vom Käfer befallene Bäume werden gefällt und im Idealfall sogleich aus dem Wald geschafft. Da das Holz oft sehr verstreut anfalle, erhöhten sich die Ernte- und Rückekosten, schildert Neuner wirtschaftliche Folgen, wobei wenigstens der Holzmarkt zuletzt angezogen habe und Preise gestiegen seien.
Deutlich erhöht habe sich auch der Aufwand für die Verkehrssicherung, so der Stadtforst-Chef. Da immer mehr abgestorbene Bäume im Wald stünden, müsse man nicht zuletzt entlang von Wanderwegen oder Wohngebieten in kürzeren Abständen nach Bäumen Ausschau halten, die zur Gefahr werden könnten. Drei- bis viermal jährlich würden besonders gefährdete Bereiche kontrolliert, sagt Neuner und nennt die Siedlungsränder in Pflochsbach und Sendelbach als Beispiele.
Eiche steht recht gut da
Doch wie geht es nun weiter mit dem Wald? Die Baumart, die nach derzeitigen Erkenntnissen am besten mit dem Klimawandel klarkommt, ist die Eiche. Auf sie wollen die Förster vermehrt setzen, auch im Stadtwald. Neuner nennt als weitere Schlüsselbaumarten für möglichst zukunftsfähige Mischbestände die Buche und die Tanne. Dazu kämen einige eher in anderen Klimazonen beheimatete "Gastbaumarten", beispielsweise die Baumhasel. Sie wächst eigentlich in der Türkei, im Nordiran oder in Afghanistan. Doch im Lohrer Stadtwald und auch im Steinfelder Gemeindewald gibt es bereits Versuchsflächen mit dieser Baumart.
Wichtig sei, so Neuner, dass die Wälder möglichst geschlossen gehalten werden und die Holzvorräte hoch sind. Solche Bestände könnten Temperaturextremen am ehesten trotzen. Dass sich an dem in den vergangenen Jahren zu beobachtenden klimatischen Trend etwas ändert, glauben weder Neuner noch Angerer. Dem AELF-Chef ist bewusst, dass diese Botschaft angesichts der jüngsten Niederschläge nur schwer zu vermitteln sein könnte. Doch eine Regenperiode wie die jetzige könne die Not des Waldes nicht dauerhaft lindern. "Bäume haben ein langes Gedächtnis", sagt Angerer.