
Die Stadtgeschichte hat bereits an diesem Freitag ihren wichtigsten Jubiläumstermin des Jahres. Vor 725 Jahren, am 3. Januar 1295, wurde eine Urkunde ausgestellt, in der Lohr erstmals erwähnt wird. Ein noch älterer zweifelsfreier schriftlicher Nachweis Lohrs wurde bislang nicht entdeckt.
In der Urkunde geht es um ein Grundstücks- und Geldgeschäft. Wie zu dieser Zeit üblich, als es keine Grundbuchämter und Notare gab, wird dieses Geschäft durch anwesende Zeugen bestätigt, die in der Urkunde genannt werden und teilweise daran ihre Siegel hängen. Darunter befindet sich ein "Swickerus plebanus in Lare".
Einer der Zeugen war also ein gewisser Swicker, der in Lohr ("in Lare") die Funktion eines "plebanus" ausübte. Dieser Begriff wird verschieden gedeutet. Der Historiker Theodor Ruf übersetzt ihn in seinem Buch 2Quellen und Erläuterungen zur Geschichte der Stadt Lohr"(2011) mit Pfarrer. Andere Deutungen sind Pfarrverweser (Wikipedia-Eintrag für die Stadtpfarrkirche St. Michael) und "Priester für einfache Leute" (abgeleitet vom lateinischen Wort plebs für Volk).
Rund 1500 Einwohner
Was genau "plebanus" bedeutet, ist nicht entscheidend. Wichtig ist neben der Erwähnung Lohrs der Hinweis, dass es in dieser Siedlung bereits eine Kirche mit eigenem Personal gab, was auf eine gewisse Größe und vorhandene Organisationsstrukturen hindeutet. Theodor Ruf schätzt, dass Lohr schon um 1200 etwa 1500 Einwohner gehabt haben dürfte. Das Plateau über dem Main habe sich angeboten, um eine relativ große Siedlung anzulegen.
Natürlich ist Lohr als Siedlungsort viel älter. Oliver Specht bezeichnet in einem Ausgrabungsbericht (Jahrbuch des Geschichts- und Museumsvereins von 2013) den Kirchhügel zwischen Rechtenbach- und Lohrbachtal als "Urzelle der Stadt". Archäologische Funde während der Sanierung der Stadtpfarrkirche St. Michael 1978 legten nahe, dass der Höhenrücken bereits in der Lathénezeit rund 450 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung besiedelt gewesen sei.
Der Lohrer Ehrenringträger Alfons Ruf spekuliert in »Karolingische Kolonisation am Ostrand des Spessarts« (2003) über Lohr als Verwaltungssitz in der Karolingerzeit des Frankenreichs (ab 750). Ob die Siedlung, die wir heute als Lohr kennen, durch die Jahrhunderte kontinuierlich bewohnt war und welche Funktionen sie hatte, wird sich womöglich nie klären lassen.
Klar ist dagegen, dass Lohr im Jahr 1295 bereits der Zentralort der Grafschaft Rieneck war und von den Grafen entsprechend ausgebaut wurde.
Dort stand auf dem Kirchhügel neben der Kirche, die bis zur Reformation St. Martin geweiht war, dem Schutzheiligen des Frankenreichs, ein Wohnturm. Diese Anlage (heute Kapuzinerkirche/ehemaliges Kapuzinerkloster) war die Residenz der Grafen bis zum Bau des Schlosses.
Am 5. April 1331 schreibt Graf Ludwig V. der Jüngere von Rieneck als Landesherr in einer Urkunde (Ungeldverordnung, Einführung einer Art Getränkesteuer zur Finanzierung des Stadtmauerbaus) von "unsirer stat zu lore" (unserer Stadt Lohr). Damit wird Lohr erstmals und noch vor der offiziellen Verleihung der entsprechenden Rechte als Stadt bezeichnet und zum ersten Mal der moderne Name benutzt.
Kaiser Ludwig IV., genannt der Baier, verlieh am 29. Juli 1333 in Würzburg dem Grafen Heinrich III. von Rieneck und dessen Neffen Gerhard und Albrecht das so genannte Gelnhäuser Stadtrecht für ihre Residenzstadt Lohr. Das heißt, die Stadt bekam Rechte wie die seinerzeit bereits im Niedergang begriffene Reichsstadt Gelnhausen. Die Urkunde befindet sich ebenso wie die Ungeldverordnung von 1331 im Lohrer Stadtarchiv.
Belohnung des Kaisers
Die prestigeträchtige Verleihung war die Belohnung des Kaisers für die Unterstützung der Adelsfamilie in den Auseinandersetzungen um seinen Thron und ein "Trostpflaster" dafür, dass er den Grafen in einem Erbstreit nicht helfen konnte. Das Jubiläum 700 Jahre Stadtrecht kann Lohr somit in 13 Jahren feiern.