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Lohr
Lohr steht finanziell vor einem "Tal der Tränen"
Jeden Cent zusammenkratzen muss man im Lohrer Rathaus, wenn man die Aufgaben der kommenden Jahre bewältigen will. 
Foto: Johannes Ungemach | Jeden Cent zusammenkratzen muss man im Lohrer Rathaus, wenn man die Aufgaben der kommenden Jahre bewältigen will. 
Bearbeitet von Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 30.01.2025 02:41 Uhr

Die gute Nachricht: Das Finanzjahr 2024 ist für die Stadt Lohr besser gelaufen als geplant. Und auch 2025 dürfte noch recht solide bewältigt werden. Doch dann kommt es aller Voraussicht nach knüppeldick. Wie groß nicht nur die Finanznot Lohrs ist, sondern auch die vieler anderer Kommunen, wurde jetzt bei der Vorberatung des städtischen Finanzhaushalts für 2025 deutlich. Bürgermeister Mario Paul sah sich angesichts der Lage gar veranlasst, eine Art Notruf an die große Politik abzusetzen.

Die während der zweitägigen öffentlichen Beratungen des Stadtrats von verschiedenen Seiten zu hörenden Aussagen zur Lohrer Finanzlage konnten aufschrecken: "Dicke dunkle Wolken", "keinerlei Spielräume", "ausgereizt", "Tal der Tränen", und "uns steht das Wasser bis zum Hals".

Die Lage, auf die sich diese Beschreibungen beziehen, lässt sich so zusammenfassen: Die seit Jahren finanziell klamme Stadt Lohr hat 2024 weniger Geld ausgegeben und mehr eingenommen als geplant. Unter anderem eine hohe staatliche Schlüsselzuweisung, gute Gewerbesteuereinnahmen und nicht umgesetzte Projekte haben dazu beigetragen, dass 2024 entgegen der Planung keine 1,3 Millionen Euro aus dem Sparstrumpf genommen werden mussten, sondern 1,7 Millionen Euro hineingesteckt werden konnten. Doch das frei verfügbaren Geld in diesem Sparstrumpf – zum Jahreswechsel waren es 7,4 Millionen Euro – dürften spätestens Ende 2026 komplett aufgebraucht sein.

Danach, so erklärte Kämmerer Stephan Morgenroth, könnten größere Investitionen nur noch über neue Schulden finanziert werden. So sind für 2027 und 2028 neue Kredite in Höhe von rund vier Millionen Euro für den Neubau des Feuerwehrhauses in Rodenbach und die Erweiterung des Kindergartens Seeweg vorgesehen.

Verschärft sich Lage noch?

Schon früher verschärfen würde sich die angespannte Finanzlage der Stadt, wenn Landkreis oder Bezirk zur Finanzierung ihrer Ausgaben früher als absehbar stärker zur Kasse bitten würden. Weitere Risiken seien, so der Stadtkämmerer, dass Lohr jederzeit von neuerlichen Gewerbesteuer-Rückforderungen ereilt werden oder unvorhersehbare Ausgaben auftauchen könnten.

Bei diesem recht düsteren Ausblick noch gar nicht berücksichtigt seien schon lange fällige, aber wegen Geldnot immer wieder aufgeschobene Großprojekte, etwa die Hochwasserfreilegung entlang der Flutmulde des Rechtenbachs oder die viele Millionen kostende Sanierung und Erweiterung der Grundschule Sendelbach. Außerdem, so mahnte Morgenroth, habe man bei der Finanzplanung den Verkauf mancher Immobilien einkalkuliert. "Wenn diese Einnahmen nicht kommen, dann..." – der Stadtkämmerer vollendete den Satz nicht.

Morgenroth rief den Ratsmitgliedern deshalb eine über Jahre von seinem vor wenigen Monaten aus dem Dienst ausgeschiedenen Vorgänger Uwe Arnold zu hörende Mahnung in Erinnerung: Man müsse sich bei den Ausgaben "auf das Unabwendbare konzentrieren". Mit jeder zusätzlichen Maßnahme werde man "sofort in die Kreditaufnahme gehen", sagte Morgenroth. Ziel müsse es sein, bei "relativ geringem Investitionsvolumen" unbedingt wieder Rücklagen zu bilden. Ansonsten habe man keinerlei Spielräume für Unvorhergesehenes.

Angesichts dieser Finanzlage gab es im Gremium während der stundenlangen Beratung der einzelnen Haushaltsposten immer wieder Fragen, ob man sich nicht diese oder jene Ausgabe sparen könne. Doch so recht fand sich kein Ansatz, um in der Finanzplanung für 2025 und die kommenden Jahre wirklich große Beträge zu streichen.

Sowohl Kämmerer Morgenroth als auch Bürgermeister Paul verwiesen darauf, dass Lohr längst nicht die einzige Kommune mit großen finanziellen Sorgen sei. Der Kämmerer sprach davon, dass die Finanzlage der Städte und Gemeinden "in den vergangenen Jahrzehnten nie so prekär" gewesen sei. Als Grund dafür, dass trotz teils rekordverdächtiger Steuereinnahmen in den kommunalen Kassen Milliarden fehlen, nannte Morgenroth unter anderem stetige Zuwächse bei Personalkosten und Aufgaben der Kommunen.

Paul: Große Politik ist gefragt

Bürgermeister Paul berichtete von einem jüngsten bayernweiten Austausch unter kreisangehörigen Kommunen, dass es mehr als die Hälfte derselben kaum mehr schaffe, den laufenden Betrieb zu finanzieren, geschweige denn in größerem Stil zu investieren. Die Lage werde sich weiter eintrüben, da es den übergeordneten Landkreisen und Bezirken kaum anders gehe. Diese müssten ihren Finanzbedarf über höhere Umlagen decken – zu zahlen von den Kommunen.

Gelöst werden könne die kommunale Finanzmisere nur, so Paul, wenn die Landes- und Bundesregierungen die Finanzausstattung der Kommunen grundsätzlich verbesserten. "Es braucht ein Umsteuern. Ohne wird es nicht gehen". Mit Blick auf den laufenden Bundestagswahlkampf wünschte sich Paul, dass den Bürgern bezüglich der leeren Kassen "die Wahrheit zugemutet wird", statt Versprechen zu machen.

Sowohl Paul als auch Morgenroth mühten sich jedoch auch, trotz "großer finanzieller Unwägbarkeiten" Optimismus zu verbreiten. Die Lage sei "sehr ernst, aber nicht aussichtslos", sagte etwa der Bürgermeister. Man müsse und werde eine Lösung finden. Auch der Stadtkämmerer sprach aufmunternde Worte: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das gemeinsam schaffen."

Darüber, wie Lohr nach einem noch vergleichsweise soliden Finanzjahr 2025 das danach bevorstehende "Tal der Tränen" durchschreiten will, mache man sich bereits ab März Gedanken, sagte Paul. Vorher, am 12. Februar, wird der Stadtrat den jetzt erarbeiteten Entwurf des Finanzhaushalts 2025 beschließen. Zumindest diesen Entwurf hat das Gremium einstimmig abgesegnet.

Eckdaten der Stadtfinanzen

Die Stadt Lohr hatte zum Jahreswechsel laut Stadtkämmerer Stephan Morgenroth frei verfügbare Rücklagen in Höhe von rund 7,4 Millionen Euro. Demgegenüber standen Schulden in Höhe von 8,9 Millionen Euro. Während die Rücklagen bis Ende 2027 voraussichtlich komplett aufgebraucht sein werden, will die Stadt ihre Schulden binnen eines Jahres um rund zwei Millionen reduzieren.
Der Verwaltungshaushalt, der den laufenden Betrieb der Stadt abbildet, hat 2025 ein Volumen von etwas über 49 Millionen Euro. Größter Ausgabeposten sind die Personalkosten mit 16,6 Millionen, gut eine Million mehr als 2024. An Kreisumlage hat Lohr rund 11,5 Millionen an den Landkreis Main-Spessart zu zahlen, rund drei Millionen mehr als 2024.
Weitere große Ausgaben sind beispielsweise die Grundschulen (1,2 Millionen), der Anteil am Nägelsee-Schulzentrum (1,45 Millionen) und die Kindergärten (3,4 Millionen). Musikschule, Volkshochschule, Stadtbücherei und Schulmuseum schlagen zusammen mit rund 850.000 Euro zu Buche. Die Freiwilligen Leistungen beispielsweise an Vereine belaufen sich auf eine Million.
Auf der Einnahmenseite des Verwaltungshaushalts rangieren der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer (12,6 Millionen), die Gewerbesteuer (8 Millionen) und die Grundsteuer B (3,25 Millionen) ganz vorne.
Der Vermögenshaushalt, der die Investitionen abdeckt, umfasst 2025 rund 12,5 Millionen Euro. Größter Einnahmeposten ist hier der Griff in die Rücklagen mit rund fünf Millionen Euro. Größere Beträge Investiert werden sollen 2025 unter anderem in Feuerwehren (1,3 Millionen), Schulen (940.000 Euro), Freibad (1,5 Millionen) und den Radweg nach Partenstein (1,2 Millionen). Dass die Stadt plant, 2025 die letzte große Freifläche im Industriegebiet Süd von der Firma Sorg zurückzukaufen, lässt sich am Posten "Erwerb unbebauter Grundstücke" erahnen: Hier sind - allerdings nicht nur für diesen Zweck - 1,7 Millionen Euro vorgesehen. joun
Quelle: joun
 
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