Lohr setzt auf Bewährtes. Wie bei der Wahl des Bürgermeisters drängt sich dieser Eindruck auch bei einem Blick auf die Liste der gewählten Stadträte aus. Auf sieben Listen waren 138 Bewerber angetreten. CSU (7) und Grüne (5) behaupteten ihre Sitze. Die SPD verlor zwei Mandate, die Freien Wähler eines. Davon profitierten der Bürgerverein, der jetzt auf drei Sitze kommt, sowie die Neulinge FDP und ÖDP mit jeweils einem Mandat.
Die neuen Gesichter im Stadtrat
Unter den jetzt gewählten 24 Stadträten werden fünf neue Gesichter sein:
- Frank Seubert ist der einzige Neuling bei der CSU-Fraktion, die sieben Sitze behalten hat. Er war auf Listenplatz sieben gestartet und landete an fünfter Stelle.
- Mathilde Lembach ist das neue Gesicht in der Fraktion der Grünen. Die ehemalige Leiterin des Jugendzentrums wurde politisch aktiv, nachdem sie in Ruhestand gegangen ist, profitierte aber sicherlich von vielen Stimmen aus jüngeren Generationen.
- Christiane Werthmann vom Bürgerverein Lohr und Umgebung war zwar nur an fünfter Stelle platziert, lief dem Spitzenkandidaten Michael Kessel aber mit 1304 Stimmen gar noch Rang drei ab –um grade mal vier Stimmen. Dies ist insofern nicht überraschend, als dass Bürgermeister-Kandidat Kessel ja ehrlicherweise angekündigt hatte, sein Mandat nicht anzutreten, falls er nicht Bürgermeister wird und Werthmann seit Jahrzehnten eines der Gesichter des Lohrer Handballs schlechthin ist.
- Torsten Ruf von der ÖDP ist nur mit einer Einschränkung neu in dem Gremium: Er war vor sechs Jahren schon einmal in den Stadtrat gewählt worden, damals jedoch noch auf der Liste der Grünen, hatte sein Mandat aber nach einem Jahr wieder abgegeben. Die ÖDP war erstmals zu einer Stadtratswahl in Lohr angetreten – mit nur neun Kandidaten.
- Mit Peter Sander zieht erstmals seit 1996 wieder ein FDPler in den Lohrer Stadtrat ein. Er war der Spitzenkandidat seiner nur neunköpfigen Liste.
Wer nicht mehr im Stadtrat sitzen wird
Ausgeschieden sind Ernst Herr (CSU), der sich mit der Rolle des ersten Nachrückers seiner Fraktion bescheiden muss, Sven Gottschalk und Richard Eyrich von der SPD sowie Rainer Nätscher von den Freien Wählern, die jeweils der Schwäche ihrer Listen Tribut zollen mussten und der Grünen-Senior Gerold Wandera, der mit seinem 24. Listenplatz ein erkennbares Zeichen gesetzt hatte und immerhin doch auf Platz zwölf vorgewählt wurde.
Bürgermeister- und Spitzenkandidat Dirk Rieb hatte sich am Sonntagabend am meisten Zeit gelassen für den vereinbarten Rückruf. "Ich musste erst noch was essen", entschuldigte er sich. Womöglich brauchte er auch einige Zeit, um das doch etwas ernüchternde Ergebnis zu verdauen. "Ich hätte mir schon ein bisschen mehr erhofft", gab er zu, zeigte sich dann aber schon wieder gefasst. Immerhin hat seine CSU sieben Mandate behauptet. Zudem habe er, wie er sagte, "viel Positives mitgenommen von den Besuchen in den Stadtteilen". Er wie auch Kessel hatten Paul noch im Wahllokal zu seinem Erfolg im ersten Wahlgang gratuliert.
Harter Schlag für die SPD
Zwei Sitze weniger als 2008 und 2014, nur noch halb so viele wie 2002: Für die SPD war die Wahl ein harter Schlag. Marc Nötscher, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, machte zwei Gründe dafür aus: Zum einen die beiden neuen Listen, die jeweils einen Sitz eroberten. Zum anderen die Tatsache, dass die Genossen keinen Bürgermeisterkandidaten auf ihrer Liste hatten (der parteilose Paul war Spitzenkandidat auf der Liste der Grünen). Solche seien immer "gute Stimmenbringer", führte Sven Gottschalk aus. Aber: Seine Partei habe "Haltung gezeigt", keinen Kandidaten gegen den gestellt, den sie seit 2014 unterstütze und zu dem sie stehe. Nötige, aber gewiss nicht populäre Entscheidungen kurz vor der Wahl hätten "natürlich auch Stimmen gekostet".
Zwei Ziele verfehlt, und doch etwas erreicht
Bewährte Kräfte setzten sich auch beim Bürgerverein durch, dessen Bilanz allerdings nur leicht positiv ist. Denn zwei seiner Ziel hat er nicht erreicht: Zum einen die angestrebte Stichwahl. Zum anderen hatte er vier Sitze angepeilt, aber nur drei erreicht. "Damit waren wir die einzige Fraktion, die im Stadtrat war und zugelegt hat – das ist positiv", sagte Eric Schürr.
"Es war fast zu erwarten, dass zwei neue Parteien was abzwacken", sagte Brigitte Riedmann, Urgestein der Freien Wähler. "Dass es grad bei uns ist, tut natürlich weh." Die neue Lage habe ihre Fraktion, die jetzt wie der Bürgerverein drei Sitze innehat, noch nicht besprochen. "Wir sind so verblieben, dass wir uns diese Woche intern zusammen setzen und darüber reden, wie wir uns die Zukunft vorstellen."
Wie sich die Neulinge orientieren
Torsten Ruf, Vorsitzender der Lohrer Ortsgruppe des Bund Naturschutz, gab sich selbstbewusst. "Wir haben damit gerechnet. Wir haben's gewollt", sagte er auf Anfrage der Redaktion. "Die Zeit ist reif." Fridays for Future, Klimawandel und Artensterben – das seien die Themen, die man auch "auf die lokale Ebene herunterbrechen" müsse – "und da ist die ÖDP ein guter Partner".
"Ich freu mich natürlich", sagte Peter Sander von der FDP. Dass einer es in den Stadtrat schafft, damit habe er schon gerechnet, "zwei im Idealfall". Ob er eine Listenverbindung eingeht, dazu will er noch nichts sagen. "Ich hab schon E-Mails bekommen von politischen Mitstreitern", räumt er ein. Aber er müsse sich erst einmal über "das ganze Rechtliche" informieren.
Gespräche stehen an
Ruf scheint schon ein Stück weiter zu sein. "Ich habe schon mit Mario Paul gesprochen", verrät er. "Das ist durchaus ein Thema. Man muss halt gucken, wie man zusammenkommt." Für mögliche Koalitionen oder Absprachen zeigt sich auch Marc Nötscher offen: "Man wird vorher sprechen", signalisierte er. Mit den zwei neuen Parteien gebe es nun andere Verhältnisse und natürlich werde man sich über gemeinsame Interessen verständigen. Eric Schürr allerdings schloss eine Koalition mit einer anderen Gruppierung jedoch kategorisch aus.
Der Wähler hat entschieden. Nach derzeitigem Stand der Dinge, werden alle Gruppierungen das Votum auch so umsetzen: Von keiner gibt es Signale, dass einer ihrer Kandidaten verzichtet. Einzig Michael Kessel hätte dies als Stadtrat getan, was sich durch die Wahl allerdings erübrigt hat.