
Eher schlecht als recht schneidet die Stadt Lohr beim Fahrradklimatest 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) ab. In der Kategorie der Städte unter 20 000 Einwohnern landet sie dabei auf Rang 221 von 441 mit einer Gesamtnote von 3,89. Ausreichend würde man in der Schule sagen – aber alles andere als zufriedenstellend, findet die Radinitiative Lohr.
Insgesamt 54 Lohrer Bürger haben bei der Umfrage mit abgestimmt und die Radweg- und Radfahrsituation in Lohr bewertet. Der zwei Seiten umfassende Fragebogen geht unter anderem auf das generelle Fahrrad- und Verkehrsklima, die Sicherheit beim Radfahren, den Komfort und die Infrastruktur ein. Auf einer Skala von 1 bis 6 wurden die einzelnen Rubriken bewertet.
Lokale Radinitiative
Schon vor fünf Jahren hat Leo Pototzky angefangen, sich für die Situation der Radfahrer in Lohr einzusetzen. Sein Antrieb war damals die Bachelorarbeit seines Sohnes, der sich darin mit dieser Thematik umfassend auseinandersetzte. Seitdem tüftelt die Radinitiative rund um den Wombacher regelmäßig an Verbesserungsmöglichkeiten und steht in Kontakt mit der Stadt, um diese umzusetzen. "Es sind schon einige hundert Stunden in diese Arbeit geflossen", erzählt Pototzky.
Noch viel Luft nach oben
Das Ergebnis des ADFC-Fahrradklimatests findet er nicht sonderlich aussagekräftig: "Da sind ja auch Kategorien drinnen, die uns als Kleinstadt gar nicht wirklich betreffen." Die Mitnahme im öffentlichen Nahverkehr sei beispielsweise kein wirkliches Thema hier. Dennoch ist die Situation rund um Lohrs Radwege alles andere als gut, findet die Radinitiative. "Da ist noch viel Luft nach oben", sagt der Sprecher der Initiative. Seit ihrer Gründung vor fünf Jahren setzt sich die Gruppe für feste Radfahrachsen in der Stadt ein. Dabei fordert sie unter anderem einen ununterbrochenen Radweg zwischen Wombach und dem Lohrer Bahnhof oder auch zwischen Sendelbach und dem Nägelsee-Schulzentrum.
"Mir ist aufgefallen, dass so gut wie alle Radwege in Lohr irgendwann an einer Kreuzung enden", so Pototzky. Im Test negativ aufgefallen ist auch der Konflikt zwischen Radfahrern und Fußgängern. Nicht verwunderlich: Immerhin müssen sich die beiden Parteien oft einen gemeinsamen Weg teilen. Seit Jahren arbeitet die Initiative darauf hin, die Wege eben nicht durch die Fußgängerzone zu führen.
Immer nur Versprechungen
Ihre Vorstellungen trägt die Initiative immer wieder an den Stadtrat heran. Oft werden die passionierten Radler zwar angehört und ernst genommen, es passiere aber nicht viel. "Wir wollen Umsetzungen sehen, nicht immer nur Versprechungen", sagt der Wombacher. Einige Erfolge hat die Gruppe zwar schon zu verzeichnen, so beispielsweise eine Abflachung der Kurve an der Werkseinfahrt von Indramat, viele Anliegen sind aber noch offen.
Kein einziger Fahrradständer
Bei der Planung des neuen Verkehrskonzepts seien die Radler zwar ein wenig berücksichtigt, die Initiative arbeite dabei auch mit der Stadt zusammen, zufrieden ist Pototzky aber nicht: "Es wird immer viel geplant, aber das Thema Radfahren bleibt einfach oft auf der Strecke. Auf dem neu bebauten Brauereigelände zum Beispiel findet man keinen Fahrradständer." Auch bei der Sanierung der Rechtenbacher Straße seien die Radler aktuell nicht im Plan dabei.
Stolz auf Abstellmöglichkeiten
Auf Nachfrage teilt Pressesprecher Dieter Daus von der Stadt Lohr mit, dass auch die Stadt Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich Radfahren sehe. Man arbeite ständig an neuen Möglichkeiten, das Erlebnis Radfahren attraktiver zu gestalten, heißt es aus dem Rathaus. Stolz ist die Stadt auf die Abstellmöglichkeiten im Innenstadtbereich, E-Bike-Ladestationen, Reparaturwerkstätten und Bed-and-Bike-Unterkünfte. Das mittelmäßige Ergebnis beim ADFC sieht die Stadt als Ansporn, in diesem Bereich verstärkt tätig zu bleiben. Im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans werde bereits an einem Radwegkonzept mit verbesserten und vermehrten Radabstellanlagen gearbeitet.
Begehung geplant
Am Samstag plant die Radinitiative eine Begehung in Lohr, um nach weiteren Radabstellplätzen Ausschau zu halten. Pototzky: "Wir meckern ja nicht nur herum an der Situation, wir machen auch etwas."
Die Lohrer Ergebnisse im Detail
Eine Gesamtnote von 3,9 erreicht Lohr beim ADFC-Fahrradklimatest. Insgesamt 54 Menschen haben die Radsituation in Lohr bei der Befragung bewertet. In den gut 30 Bewertungskategorien hat die Stadt dabei nur in zwei Rubriken eine 2 vor dem Komma stehen.
Punkten kann Lohr beim Thema Fahrraddiebstahl (2,6) und der Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,9). In jeder zweiten Kategorie schneidet die Stadt aber sehr schlecht ab. Bei gleich 16 erfragten Bewertungen verzeichnet man hier eine 4 vor dem Komma. Besonders schlecht kommen dabei die Fahrradförderung in jüngster Zeit, die Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr sowie die Rubrik Öffentliche Fahrräder (bei allen: 4,8) weg.
Auch die Falschparkerkontrolle auf Radwegen (4,6), die Ampelschaltungen für Radfahrer (4,5) und die Breite der Fahrradwege (4,2) stehen heftig in der Kritik. Im Vergleich zu anderen Städten in der Region, die auch beim ADFC-Test mit aufgelistet sind, liegt Lohr mit dem Ergebnis aber im Mittelfeld. Wertheim übertrumpft Lohr mit einem Schnitt von 3,84 in der Gesamtbewertung nur knapp, Marktheidenfeld schneidet mit 4,14 sogar noch deutlich schlechter als Lohr ab. Schaut man sich alle bewerteten Städte mit einer Einwohnerzahl unter 20 000 an, stellt man aber fest, dass kaum eine Gemeinde richtig gut abschneidet.
Lediglich eine der 418 Kleinstädte hat eine 1 vor dem Komma stehen (Wettringen). Danach fällt die Bewertung schnell ab. Ab Rang 18 sind alle Städte mit der Note 3 oder schlechter aufgelistet. Mehr als 150 Gemeinden schneiden sogar mit einer 4 oder schlechter ab.