zurück
KARLSTADT
Lieder schreiben: Wenig Regeln, viele Werkzeuge
Beatrice Bayerlein und Markus Rill arbeiten bei einem Songwriting-Workshop an einem Lied der 18-Jährigen aus Karlstadt.
Foto: Ralf Thees | Beatrice Bayerlein und Markus Rill arbeiten bei einem Songwriting-Workshop an einem Lied der 18-Jährigen aus Karlstadt.
Ralf Thees, Redakteur, Main-Post, Redaktion Marktheidenfeld.
Ralf Thees
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:24 Uhr

„Die letzte Zeile verflüchtigt sich etwas“, sagt Markus Rill, der dem Gesang und dem Klavierspiel von Beatrice „Bea“ Bayerlein konzentriert zugehört hat. Im Wohnzimmer von Bayerleins Elternhaus in Karlstadt findet ein spontaner Workshop im „Songwriting“ statt, dem Schreiben und Komponieren eines Lieds. Ganz ähnlich wird Rill, der nicht nur Redakteur der Main-Post, sondern auch ein erfahrener Musiker und Songschreiber ist, am letzten Septemberwochenende Workshops im Rahmen von „Rock und Pop on Stage“ für junge Musiker aus Main-Spessart geben.

Dass man im Rahmen solcher Workshops die Fertigkeiten an Musikinstrumenten verbessern kann, ist klar. Aber so ein kreativer und manchmal fast schon intimer Prozess wie das Schreiben eines Lieds – lässt sich das überhaupt lernen und kann jemand anderes dabei helfen?

Die richtigen Worte in Englisch finden

Beas noch namenloses Lied klingt gut, aber man merkt ihm an, dass noch nicht alles passt. „Gerade im Refrain klemmt es“, sagt die 18-jährige FOS-Schülerin und mehrfach ausgezeichnete Sängerin. Darum ist sie auch ganz froh, dass Markus Rill das Lied mit ihr gemeinsam unter die Lupe nimmt – und das sowohl musikalisch als auch sprachlich. Bea hat das Lied in Englisch geschrieben. „Da ist es oft nicht leicht, die richtigen Worte zu finden“, sagt Rill, „das ist im Deutschen schon schwer.“ Sogar er, der Englisch studiert hat, greift bei diesem Workshop manchmal zu einem englischsprachigen Reimwörterbuch im Internet.

Doch zuerst lässt Markus Rill die junge Komponistin einen Titel für das bisher unbenannte Lied finden. „Das zwingt einen dazu, den Song auf den Punkt zu bringen“, erklärt der Musiker, „im Titel findet sich die Essenz des Lieds.“ So einigen sich die beiden, die im Text enthaltene Formulierung „Beautiful Lies“, auf Deutsch „Schöne Lügen“, zum Titel des Songs zu machen. In dem Stück geht es um eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird, das Trinken anfängt und sich in schöne Träume, in „das Land der Lügen“ flüchtet, sagt Bayerlein.

Positives hoch singen

So arbeiten die beiden das Lied in mehreren Stunden um. Vieles bleibt so, wie Bea es ursprünglich geschrieben und arrangiert hat. Ebenso vieles wurde nun aber auch geändert. Deckt sich die Betonung in der Melodie mit der Bedeutung der Worte? Worte wie „Fly“ und „Free“, also „fliegen“ und „frei“ am Ende der Refrainzeilen sind positiv besetzt und sollten hoch gesungen werden, im Gegensatz zu den „lies“, den „Lügen“, wo die Protagonistin des Liedes am Boden der Tatsachen angekommen ist. Rill nennt das „Prosodie“, wenn Inhalt und Struktur übereinstimmen.

Mal probieren die beiden gemeinsam an Klavier und Gitarre die veränderten Passagen des Lieds aus, dann wieder schweigen und brüten sie minutenlang über den mehr und mehr werdenden Zetteln mit schnell hingekritzelten Textvarianten. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Mit der Endfassung ist Bea Bayerlein sehr zufrieden. Der Text wurde stellenweise entschlackt und damit leichter für sie zu singen. Der Refrain ist in sich stimmiger und abgeschlossener, eine neue Überleitung vor dem letzten Refrain bringt zusätzliche Spannung in das Stück.

„Heilige Songs“ werden nicht angefasst

Aber die junge Musikerin muss nun auch zugeben – es ist nicht mehr allein ihr Lied. „Wenn ich den Song veröffentlichen würde, würde ich Markus als zweiten Autor mit angeben.“ Sie hat schon etliche Lieder komponiert und Songwriter-Workshops besucht, beispielsweise in Hammelburg, die ihr viel gebracht haben, wie sie sagt. „Aber es gibt Songs, die ich geschrieben habe, an die lasse ich niemanden ran“, sagt die 18-Jährige, „die sind mir heilig.“

Markus Rill versteht das, sagt aber auch, dass es auch bei ihm mal Lieder gibt, an denen etwas noch nicht so richtig passt. In solchen Fällen sei es immer gut, wenn jemand von außen darauf schaut. „No rules, just tools“ – es gibt für das Schreiben von Liedern wenige wirkliche Regeln, aber doch einige Werkzeuge, die man anwenden kann, erklärt Rill. Ein paar dieser Werkzeuge versucht der Musiker in Songwriting-Workshops wie bei „Rock und Pop on Stage“ zu vermitteln. „Es geht ja nicht nur darum, einen Song zu verbessern, sondern vor allem geht's darum, dass die Teilnehmer Grundsätzliches mitnehmen“, so der Musiker. Aber das Komponieren und Texten von Liedern bleibt immer ein kreativer Prozess des Künstlers. „Jede Regel darf man auch brechen“, sagt Rill, „es sollte aber sinnvoll und aus gutem Grund sein.“

Anmeldung für das Workshop-Wochenende „Rock & Pop on Stage“ beim Amt für Jugend und Familien des Landratsamts Main-Spessart, E-Mail bernhard.metz@lramsp.de, mehr Infos unter www.kids4mation.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Karlstadt
Lohr
Ralf Thees
Englische Sprache
Heilige
Klavierspiel
Komponistinnen und Komponisten
Kreativität
Liedermacher und Singer-Songwriter
Workshops
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top