Wenn's am schönsten ist, soll man geh'n, meinten die „Ritter vom Blauen Turm“ beim letzten Fototermin an ihrem Wahrzeichen, dem fast verfallenen Turm an der Gemarkungsgrenze zwischen Stetten und Thüngen. Nach 15 erfolgreichen Jahren geben sie sich am 11. Januar in der Mehrzweckhalle die „letzte Ehre“ und laden ein zu Schabernack und Gaudium, zu Musik und Gesang.
Ohne Zweifel sind die „Ritter vom Blauen Turm“ eine der skurrilsten Gruppen in der Region. Bei ihnen dreht sich alles um Musik, Gesang und Kabarett. Dabei spannen sie den Bogen beliebig weit und in alle erdenklichen Richtungen. Lumpenlieder, Schnaderhüpferl, vertonte Spottverse und respektarme Betrachtungen über Personen oder Ereignisse im Dorf waren und sind ihr Markenzeichen. Vieles haben die schrägen Ritter selbst komponiert und fast alles selbst getextet.
Los ging es mit der Truppe im Frühjahr 1999 mit einem „konspirativen Treffen“, zu dem Roland Jäger eingeladen hatte. Dieser sollte sich zum Ideenlieferanten, Texter und Kopf der Truppe entwickeln. Singen mochten sie alle gerne und bis auf Thomas Deißenberger spielt jeder ein Instrument, aber Letzterer macht diesen scheinbaren Mangel durch seine bissigen Texte als „Mann der scharfzüngigen Zweideutigkeiten“ leicht wieder wett.
Roland Jäger, Oswald Keller und Harald Krebs hatten schon Bühnenerfahrung als Trio im Fasching. Mit Stefan Gerhard gewannen sie einen brillanten Musiker dazu, ebenso wie mit dem viel zu früh verstorbenen Peter Waschkowitsch. Wolfgang Seidenfaden erwies sich schnell als feinsinniger und ausgesprochen kompetenter Kapellmeister, Dirigent und Organisator. Nicht wegzudenken sind auch Dieter Mehling (Posaune), Herbert Fella (Gitarre und Texte), Harald Krebs (Horn), Wolfgang Krebs und Burkard Amthor (Gesang) und als Neuling Jürgen Zink. Früh verstorben sind neben Waschkowitsch auch Harald Krebs und Oswald Keller.
Bei der Auswahl ihrer Bekleidung nehmen es die edlen Ritter nicht wirklich ernst. Hier dient ein halbes Ölfass als Rüstung, ein Blumentopf als Helm und unter der vormals weißen Tunika stört ein blaues Sweatshirt kein bisschen. Zerschlissene Tuchumhänge passen bestens zu Kartoffelsäcken und auch ein kesses Junker-Wams harmoniert mit der französischen Baskenmütze.
So skurril wie ihr äußeres Erscheinen sind auch die Inhalte der Ritter vom Blauen Turm. Schon bei der Premiere vor 15 Jahren im Stettener Pfarrheim zeigten sie, dass in Bezug auf die Texte keiner die Schere im Kopf hat. Völlig respektarm inszenierten sie eine Flurprozession mit Stoßgebeten wie „Herr, lass rechte Winkel regnen“ und nahmen sowohl Ereignisse als auch Personen im Dorf gnadenlos aufs Korn. Kompromisslos aber sind die Herren bei ihrer musikalischen Performance. Hinter dem scheinbar sinnlosen Geblödel steckt nicht nur ein tiefgründiger Humor, der so trocken ist wie Dörrgras. Unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Seidenfaden bewältigen sie auch ganz besondere Anforderungen wie Jazz, Rock-Klassiker oder Latin mit hoher Musikalität in nahezu perfektem Vortrag. Ob mehrstimmig „a cappella“ oder mit Instrumentalbegleitung, die Songs haben hohes Niveau. Köstlich sind dann oft die passend zum Anlass unterlegten eigenen Texte.
Fünf eigene Programmabende haben die musikalischen Ritter in den 15 Jahren arrangiert und eine Vielzahl von Veranstaltungen haben sie durch ihre Beiträge geprägt. Sie waren mit dabei beim Stadtfest zur 800-Jahrfeier in Karlstadt oder zum 25. Jubiläum der Eingemeindung, sangen bei Jubiläen, bei Krönungsfeiern Stettener Weinprinzessinnen oder dem Prinzenpaar des Carnevals-Clubs und auch bei einigen Auswärtsterminen.
Wieso aber soll jetzt Schluss sein? Wenn's am schönsten ist, soll man aufhören, lautet eine Antwort. Dazu kommt die knapper werdende Zeit, sagen Jäger und Seidenfaden. Die Ansprüche an die eigenen Leistungen sind stetig gestiegen – und weil man sich stets nach vorne entwickeln will, wird jede Neuinszenierung anstrengender. Daher fällt am Samstag, 11. Januar, „fünf Stunden vor Mitternacht“, also um 19 Uhr, in der Stettener Mehrzweckhalle der letzte Vorhang für die „Ritter vom Blauen Turm“. Und da wollen sie es noch mal richtig krachen lassen. Die Veranstaltung ist öffentlich. Es gibt keinen Kartenvorverkauf. Der Eintritt ist frei. Allerdings sind die Plätze begrenzt.