Eigentlich waren Zeit und Ort nicht optimal für Burkhard Engels Vortragsabend „Räuber, Mondschein und Moritaten“ im Innenhof der Hohen Kemenate. Nachts, im dunklen Gewölbe bei flackerndem Kerzenschein hätte sein Programm von finsteren Gestalten, Feen und Geistern einen noch fesselnderen Eindruck auf die gut 60 Besucher gemacht.
Im ersten Teil ging es um traditionelle Moritaten und Geschichten von Bösewichten, liederlichen Frauenzimmern und anderen windigen Gestalten. Da war beispielsweise die Tochter aus besserem Hause, die wegen der Untreue ihres falschen Barons in den Untergrund ging, mit 30 Gleichgesinnten eine weibliche Räuberbande gründete und fortan Kaufleute und Reisende beraubte und tötete.
Auch fünf Ehemänner respektive Liebhaber fielen ihrer Raserei anheim. Ihr letztes Opfer aber, ein fescher Jäger wurde ihr schließlich selbst zum Verhängnis. Nach ihrer Festnahme und Verurteilung rollte am Ende ihr Kopf in den Sand.
Der Geschichtenerzähler Engel verband geschickt bekannte und selten vorgetragene Stoffe. Ebenso unverblümt vermischte er Gruseliges, Lustiges und bitterböse Satire. „Sophie mein Henkersmädel, küsse mir den Schädel“ aus Christian Morgensterns Galgenbruder-Lieder. Frank Wedekinds überaus schräges Gedicht „Ich habe meine Tante geschlachtet“ sorgte trotz sommerlich-warmer Grundstimmung dann doch durchaus für Gänsehaut.
Ebenso skurril, doch ein bisschen wie ein moderner „Tatort“ nahm sich der gereimte Krimi „Trauriges Resultat einer vernachlässigten Erziehung“ von Wilhelm Busch aus. Der Altmeister des Schwarzen Humors nahm schon damals sozial-kritisch korrekt den mordenden Schneider wegen seiner schweren Kindheit in Schutz: „Darum, o ihr lieben Eltern, gebt doch acht auf euern Sohn.“ Sehr passend waren auch Höltys „Üb immer Treu und Redlichkeit“ sowie die schwere Uhland-Ballade „Des Sängers Fluch“.
Nach der Pause begann es dann zu dämmern und mit Geschichten von Spukgestalten, Feen, Elfen und Nixen führte Engel seine Gäste ins Reich der Geister und herumirrenden Seelen. Von grünen, glitschigen Wasserwesen war da die Rede, vom Nix, der neugierige kecke Mädchen ins Tiefe zieht, und von der unheimlichen Stadt auf dem Grund des Sees. Auch da kamen mal ernst, mal ironisch bekannte Dichter zu Wort: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin ...“, so der arme Fischer von Heinrich Heine.
Burkhard Engel bot eine gewisse Rhythmisierung, indem er Prosa, Gedichte gesprochen oder gesungen und auf der Gitarre begleitet vortrug. Dabei zog er seine Zuhörer geschickt mit ausdrucksstarker Mimik, passender Sprachmelodie, mal sanft, mal geheimnisvoll dunkel und mal bedrohlich in seinen Bann und in den der Geschichten.
Gezielt eingesetzte Pausen zwischen den Texten aber hätten es dem Publikum leichter gemacht, das eben gehörte zu verdauen, darüber nachzudenken – und auch verdienten Zwischenapplaus zu spenden. Den gab es dann zuhauf am Ende des Leseabends, zumal die jetzt schon deutlich einsetzende Nacht schließlich doch für schummerige Momente gesorgt hatte.
Die Veranstaltung in der Hohen Kemenate war ein Teil der Reihe „Literatur & Musik – WORT-Klang“ der Stadtbibliothek Karlstadt. Im September soll ein weiterer Leseabend folgen.