Schade! Herr Hegel hat in seinem Leserbrief viel Schönes zum Sinn und Hintersinn von Märchen geschrieben, aber das eigentliche Thema hat er verfehlt.
Die Lohrer Fabulologen haben gerade nicht versucht, wie Hegel schreibt, ein Märchen mit historischen Fakten zu belegen, und etwas zu beweisen, was so gar nicht beweisbar ist. Mit der von Dr. Karlheinz Bartels kreierten Fantasiewissenschaft der Fabulologie haben sich die schon legendären drei Lohrer Fabulologen vielmehr bei dem einen oder anderen Glas Frankenwein den Freiraum geschaffen, der es ihnen erst ermöglicht hat, die historische Figur Maria Sophia von und zu Erthal zu einer Lohrer Märchenfigur werden zu lassen. Dass dies so ist, haben sie streng „wissenschaftlich-fabulologisch“, gewürzt mit einer sympathischen Portion Selbstironie und mit einem weinseligen Augenzwinkern bewiesen.
Das ist das Geniale und Einzigartige an der Idee von Karlheinz Bartels. Dadurch heben sich die Lohrer auch von allen anderen Versuchen deutscher Städte ab, die Schneewittchen rein historisch für sich vereinnahmen wollten.
Übrigens ist das auch der Unterschied zu Hans Traxler, der in den 60er Jahren versucht hat, das Märchen Hänsel und Gretel in den Spessart zu verlegen.
Schon der 2014 verstorbene Mitfabulologe Werner Loibl hat stets darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, Historie und Fabulologie zu unterscheiden. So dürfe man etwa im Lohrer Schloss nicht nach „Beweisen“ für Schneewittchen suchen, sondern stets nur nach Lebenszeugnissen der dort geborenen Maria Sophia von und zu Erthal (1725). Um beides zusammenzuführen – Maria Sophia und Schneewittchen – dazu bedürfe es eben der Fabulologie von Karlheinz Bartels.
So ist denn auch, damit es ein jeder versteht, die „Fabulologie“ Teil der Überschrift seines Buchs über das Lohrer Schneewittchen von 1986 geworden und damit endet er auch sein Buch, nämlich mit dem Ausruf: „Vivat Fabulologia“.
Und der 2013 verstorbene Mitfabulologe, unser unvergessener Lohrer Schuhmachermeister Helmuth Walch, brachte es in seinen ganz eigenen Worten auf den Punkt: „Und wenn wir wieder einmal Windeier aufschlagen, laden wir Sie wieder zum Essen ein“ (Zitat aus Bartels‘ Fabulologie, S. 66, Anm.30).
Es gibt eine berühmte Parallele in der deutschen Literatur: Johannes Pfeiffer erklärt in der Feuerzangenbowle von Heinrich Spoerl ganz am Ende: „Wahr an der Geschichte ist lediglich der Anfang, die Feuerzangenbowle.“
Dr. Wolfgang Vorwerk 97816 Lohr, Bremen