Zum Artikel "350 Jahre lebten Juden in Thüngen" vom 16. November erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:
Neben vielem Wichtigem und Richtigem steht hier auch ein sehr missverständlicher Satz: "Außerdem fürchteten die neuen Eigentümer der ehemaligen "Judenhäuser", enteignet zu werden." Eine solche Enteignung hat doch auch tatsächlich stattgefunden!
Am 10. November 1947 erließ die amerikanische Militärregierung das MR-Gesetz Nr. 59. Damit konnten "verfolgungsbedingte" Rechtsgeschäfte (insbesondere Verkäufe von Geschäften, Grundstücken, Kunst- und Einrichtungsgegenständen), die von Verfolgten des NS-Regimes während der NS-Zeit abgeschlossen wurden, angefochten und ggfs. auch rückgängig gemacht werden.
Verkäufe nach dem 15. September 1935 (Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze) galten regelmäßig als verfolgungsbedingt, konnten deshalb unter anderem auch dann angefochten werden, wenn vom Käufer ein angemessener Kaufpreis gezahlt wurde. Erfolgte eine Anfechtung nicht durch die ehemaligen jüdischen Eigentümer oder ihre Erben, so tat dies die JRSO (Jewish Restitution Successor Organization).
Die neuen ("arischen") Besitzer konnten meist zwar auch bei der Anfechtung des Kaufs Eigentümer bleiben, mussten aber neben dem bereits bezahlten Kaufpreis in R-Mark noch erhebliche D-Mark-Beträge entrichten.
Christian Lösch
97753 Karlstadt